https://www.imdb.com/de/title/tt12299608/Bei der Kolonisation des Eisplaneten Nilfheim hat Mickey 17 (Robert Pattinson) die Aufgabe der Expeditionscrew zu helfen – vor allem bei den Jobs, die gefährlich sind. Denn Mickey hat einen Vorteil: Er ist ersetzbar. Wenn er stirbt, wird einfach der nächste Klon produziert, der nicht nur seine bisherigen Erinnerungen hat, sondern auch die Arbeit nahtlos fortsetzen kann. Doch als Mickey eines Tages für kurze Zeit vermisst wird, entdeckt er, dass Mickey 18 schon an den Start gebracht wurde. Doch Mickey 17 will nicht sterben. Er muss also seinen Klon geheim halten. Doch zudem wird auch das Leben auf Nilfheim immer gefährlicher, weil die Mission zu scheitern droht, sich die Nahrung dem Ende neigt und die einheimische Bevölkerung nicht gut auf die neuen menschlichen Nachbarn zu sprechen sind. Mickey 17 muss also in diesem Umfeld überleben - und das als Wegwerfklon...
"
Parasite" des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon-ho war ein grandioser Hit und brachte dem Regisseur unter anderem einen Oscar für den besten Film 2020 ein. Was also nun also die Gründe für die Entscheidung der Produktionsfirma Warner Bros. waren, die Veröffentlichung seines neuen Films, "Mickey 17", um ein ganzes Jahr zu verschieben (ursprünglich war der Kinostart für März 2024 geplant), kann man nur mutmaßen. Die Terminverschiebung löste aber immerhin Besorgnis und Spekulationen aus, dass die durchweg hohen Standards des Regisseurs möglicherweise nachgelassen haben. Doch "Mickey 17" ist eine nicht minder geniale Science-Fiction-Satire mit Robert Pattinson in einer Doppelrolle. Und eines sollte klar sein: Dieser Film sollte bei jedem Filmfan ganz oben auf der Liste derjenigen Filme stehen, die man unbedingt sehen muss.
Obwohl "Mickey 17" nicht in derselben Liga wie "
Parasite" spielt, macht er dennoch enorm viel Spaß - und das, obwohl die Prämisse des Films, so frisch sie sich auch anfühlt, nicht neu ist. Eine Variante der Idee sah man erst kürzlich in dem düstereren Horrorthriller "Infinity Pool". Doch davon ab hat die Verzögerung dazu geführt, dass der Film mit seinen Themen genetische "Reinheit" und einer penetranten Donald-Trump-Parodie mit Mark Ruffalos Darstellung des zum Weltraumkolonisator gewordenen Politikers Kenneth Marshall, dessen Ehefrau Ylfa (Toni Collette) ihm immer wieder Anweisungen ins Ohr flüstert, etwas unangenehm aktueller wirkt. Ob dies die Absicht war, ist ungewiss: Angesichts der derzeitigen Zurückhaltung Hollywoods, den Zorn des Weißen Hauses auf sich zu ziehen, scheint dies unwahrscheinlich.
Der Film, der auf Edward Ashtons Roman "Mickey 7: Der letzte Klon" aus dem Jahr 2022 basiert, zeigt Bong im brachialen Abenteuer-Modus statt in der eleganten, kultivierten Wildheit von "Parasite". Das ist definitiv keine subtile Filmkunst, aber wir leben auch nicht gerade in besonders subtilen Zeiten. Die Geschichte eines eitlen, populistischen Führers, der davon besessen ist, sich selbst ganz besonders großartig in Szene zu setzen; seine Anhänger mit ihren mit Slogans bemalten roten Mützen und der fanatische Eifer voll eingeschriebener Mitglieder eines Personenkults - das alles fühlt sich ein bisschen wie eine stumpfe Waffe an. Aber auch eine stumpfe Waffe kann immer noch viel Schaden anrichten: Eine zentrale Szene, in der Nasha (Naomi Ackie) der Macht einen mit Schimpfwörtern gespickten Wahrheitsangriff versetzt, ist in etwa so mitreißend wie alles, was man in diesem Jahr bereits im Kino zu Gesicht bekam.
Im Mittelpunkt der Handlung steht das, was als "Kolonieprojekt" beschrieben wird. Wir schreiben das Jahr 2054 und riesige Raumschiffe voller eifriger Freiwilliger, die meisten glücklose Loser, verlassen eine dem Untergang geweihte Erde und wagen sich in die äußeren Bereiche der Galaxie, um eine neue menschliche Kolonie zu gründen. "Ein reiner, weißer Planet voller überlegener Menschen", so lautet Marshalls eindeutig faschistische Ambition für seine Mission, die von einer äußerst zwielichtigen religiösen Organisation finanziert und unterstützt wird. Allein dieser Satz weitet dem Zuschauer vor Fremdscham und Entsetzen die Augen. Doch Marshalls Vision schließt Mickey (Robert Pattinson) kategorisch nicht ein, der als "Expendable" zu einer Unterschicht entbehrlicher Menschen gehört. Ihm blieb keine Wahl: um seinem Gläubiger, der gern mal Menschen mit einer Kettensäge bearbeitet wenn diese nicht zahlen, zu entkommen und seinem Geschäftspartner, der clever genug war, um sich schnell als Pilot rekrutieren zu lassen, zu folgen, ist nur diese eine Stelle an Bord, seinem letzten Ausweg, frei. Seine biometrischen Daten und Erinnerungen werden gespeichert und jedes Mal, wenn er stirbt, wird Mickey in einer absurd-komischen Art und Weise, die man von sehr alten Tintenstrahldruckern kennt, neu gedruckt und für die Art von Aufgaben eingesetzt, für die man andere (bedeutendere) Crewmitglieder nicht riskieren würde. Er wird schnell zu einem menschlichen Versuchsobjekt, um beispielsweise die Auswirkungen kosmischer Strahlung zu testen (In einer urkomischen Szene klärt ein Wissenschaftler Mickey, der sich an der Außenhaut des Raumschiffes festklammert, um seine angebliche Mission, eine elektrische Leitung zu reparieren ausführen will und verwundert ist, dass an der beschriebenen Stelle gar nichts defekt ist, darüber auf, dass der eigentliche Grund seiner Außenmission der Test der kosmischen Strahlung und deren Auswirkungen auf den menschlichen Körper ist. "Bitte sagen Sie uns wann Sie zu erblinden beginnen? Und wie lange dauert es, bis Ihre Haut zu brennen beginnt?) Doch nicht alles ist schlecht, denn Mickey findet schnell eine Freundin: Nasha, mit der er sich schnell über die Anweisungen des Präsidenten, keinen Sex zu haben, hinwegsetzt, obwohl dies jedes Mal 100 Kalorien verbraucht. Mindestens. Bei der Ankunft kristallisiert sich heraus, dass ein neuer Mickey als empfindungsfähige Petrischale requiriert wird, um einen Impfstoff zu entwickeln, der das luftgetragene Virus in der Atmosphäre des neuen Wirtsplaneten Niflheim bekämpfen kann. Mickeys gemurmelte, kaum artikulierte Erzählung (Pattinsons Textlesungen sind erfreulich unzusammenhängend) und die Tatsache, dass er sich nicht die Mühe gemacht hat, das Kleingedruckte seiner Stellenbeschreibung zu lesen, machen ihn zu einem sympathischen Trottel, der, anders als viele der hochqualifizierten Besatzungsmitglieder der Mission, eindeutig kein Raketenwissenschaftler ist.
Aber selbst ein Trottel wie Mickey erkennt den Ernst der Lage, als seine 17. Version, Mickey 17, bei einem Sturz in eine Eisschlucht auf Niflheim eben nicht gestorben ist und eine neue Version, Mickey 18, gedruckt wird. Das Problem ist, dass Mickey 17 dank des Eingreifens der auf dem Planeten heimischen Spezies - einer Art riesiger Kellerassel/Meerschweinchen mit Tentakeln im Gesicht, die der Präsident "Creeper" nennt (weil er sie erschreckend findet) - überlebt hat. Jetzt gibt es da draußen zwei Mickeys, und Mickey 18 scheint darauf aus zu sein, seinen Vorgänger zu ermorden. Sie sehen identisch aus, aber Pattinsons ausdrucksstarke Körperlichkeit wird geschickt eingesetzt: 17 ist linkisch, mit der Verletzlichkeit eines eingeschüchterten, getretenen Welpen; 18 ist voller harter Kanten und blitzendem Groll. Um die Sache noch komplizierter zu machen, konkurrieren die beiden Mickeys um Nasha. Da hilft es wenig, dass sich die die Wissenschaftlerin Kai Katz (Anamaria Vartolomei), auch für Mickey zu interessieren beginnt. Das ganze Setting erinnert oberflächlich an die Prämisse von Duncan Jones‘ "Moon", aber Melancholie und Angst werden durch Gewalt, hochwirksame synthetische Medikamente, Sex und beißende Komik ersetzt. Größtenteils funktioniert das gut. Man darf durchaus nicht überzeugt davon sein, dass ein Running Gag über die Suche von Marshalls Frau Ylfa nach der perfekten Soße stark genug ist, um die Bedeutung zu rechtfertigen, die ihm in der Geschichte beigemessen wird. Die sprachlichen Bilder sind groß, doch auch darüber hinaus gibt es jedoch viel zu bewundern. Das Produktionsdesign ist hervorragend. Eine Szene im Rekrutierungsgebäude des Kolonieprojekts auf der Erde sieht aus wie etwas aus Fritz Langs Metropolis; das kristallklare Saphirblau der Niflheim-Eishöhlen singt praktisch vom Bildschirm. Und Bongs unvergleichliche Erzählinstinkte werden zur Schau gestellt, indem er geschickt durch eine verworrene, nichtlineare Struktur navigiert und die üppige Laufzeit des Films von zweieinhalb Stunden mühelos bewältigt. Letzteres hätte durchaus und gerade im Mittelteil ein paar Straffungen vertragen können. Dennoch verlässt man die bissige Satire mit erschreckend aktuellen Parallelen zur aktuellen Weltlage mit einem Lächeln - auch wenn sich der voyeuristische gewünscht hätte, dass es noch mehr Varianten von Mickey gegeben hätte. Empfehlenswert.
8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
Poster/Artwork: Warner Bros.
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