http://www.imdb.com/title/tt0462335/
Nach seiner Scheidung zieht der dreißigjährige Dr. Robert Laing (Tom
Hiddleston) in ein ungewöhnliches Hochhaus. In den einzelnen Etagen
werden die Bewohner nach niederer Klasse, Mittelklasse und Oberschicht
unterteilt. In den oberen Stockwerken haust die Upperclass, während sich
Familien mit den unteren Geschossen zufrieden geben müssen. Laings
Appartement befindet sich im mittleren Bereich. Bald macht er nicht nur
die Bekanntschaft des Fernsehjournalisten Richard Wilder (Luke Evans),
der im zweiten Stock wohnt, sondern auch die des Architekten und
Schöpfer des Hochhauses, Anthony Royal (Jeremy Irons), der erhaben über
allen ganz oben residiert. Je länger Laing in dem Appartement haust,
desto deutlicher spitzen sich die Konflikte zu, die unter der Oberfläche
rumoren. Bei einem Stromausfall schlagen die Auseinandersetzungen dann
in offene Gewalt um und es entsteht Anarchie. Laing steht plötzlich vor
einer folgenschweren Entscheidung. Denn als Wilder Royal stürzen will,
muss er Farbe bekennen...
Ein schwerer Film, gleichwohl interessant und bizarr. In der 1970er Jahren waren Hochhäuser auch als "in den Himmel gebaute Slums" bekannt und Regisseur Ben Wheatley nimmt sich dieses Themas an. "High-Rise" ist ein kurioses Schauspiel, glatt, schäbig und verrückt: eine Welt der Koteletten, Beton und hochflorigem, verfilztem Teppichboden mit Asche und Blut. Sehr seltsam. Es ist näher an einer künstlerischen Installation nicht-narrativer Verrücktheit und empörender Zügellosigkeit. Genuss ist der Fehler des Films, aber es ist auch in gewisser Weise sein Thema.
Wheatley zeigt einen State-Of-The-Art-Wohnturm, dessen Bewohner nach J.G. Ballards Kultroman "High-Rise" einem kollektiven Nervenzusammenbruch erliegen, offenbar als Ergebnis des Gebäudes selbst. Ein Gebäude, entwickelt um jedes rationale menschliche Bedürfnis zu antizipieren. Und dies ist irgendwie auch gelungen, nur löst es bei den Bewohnern den unbewussten Wunsch nach Chaos und Zerstörung aus; quasi der Notwendigkeit ihre vermeintliche Perfektion zu zerstören. Wheatley zeigt zusammen mit Produktionsdesigner Mark Tildesley und Kameramann Laurie Rose sein Händchen für die Wiedergabe einer kühlen, grausame Form von Ballards Phantasie: eine leere, affektierte Welt mit einer bestimmten Art von SciFi-artigem, satirischen Englischsein. Es ist unheimlich ruhig, überwiegend von männlichen Charakteren bevölkert. Die Szenerie spielt in den 70er Jahren, oder einer aus heutiger Sicht zukuftsartigen Vision der 70er Jahre. Vielleicht sogar nur auf einem dem unseren ähnlichen Planeten. Zumindest kommt es einem so vor.
Im Buch beschreibt Ballard die Hauptfigur Dr. Robert Laing (Tom
Hiddelston) als "blühende fortgeschrittene Spezies in einer neutralen
Atmosphäre". Hiddleston spielt glaubhaft. Er wirkt trocken und selbstbeherrscht, ist er ein junger Chirurg, vielleicht als Hommage an R.D. Laing, Magus der Anti-Psychiatrie-Bewegung. Er gerät sofort bewusst in den schwelenden Klassenkonflikt in seinem Turm: ärmere Mieter leben in billigeren Wohnungen in den Etagen darunter, derweil sind die Kosten für alle gleich, weshalb sich die unteren Schichten überproportional benachteiligt fühlen. Probleme mit dem öffentlichen Raum werden als bloße Startschwierigkeiten dem Architekten überlassen, perfekt von Jeremy Irons gespielt, der in seinem Penthouse und Dachgarten wohnt, in dem seine Frau wie eine postmodern Marie-Antoinette auf einem Pferd reitet.
Unter den Plebejer sorgt Wilder (gespielt Luke Evans) für den nötigen Ärger zwischen den drei Klassen, ganz zum Entsetzen seiner hochschwangeren Frau Helen (Elisabeth Moss). Dekadenz, Verzweiflung und Gewalt. Alles findet man hier in einer Art erotischen Katastrophe wieder. "High-Rise" ist die Geschichte über ein grausames Wesen, welches in uns allen wohnt. Ein Wesen, eine Maschinerie, die den Menschen langsam verrückt macht. Im Film vielleicht ein wenig zu langsam, daher könnte "High-Rise" für einige frustrierend sein, auch die spezifische Bezugnahme auf Margaret Thatcher in einem Zitat funktioniert nicht ganz. Es ist quasi ein Stück Zeit, aber nicht unaktuell, im Gegenteil. Wheatley meidet Exposition, anstatt Sie zu vertiefen. Das ist etwas schade und raubt ein wenig die Illusion, aber eines ist absolut sicher: "High-Rise" ist der sozialkritisch-surrealistische Film des Jahres.
7/10
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