http://www.imdb.com/title/tt3108158/
Der Ex-Cop Akikazu (Kōji Yakusho) begibt sich auf die Suche nach seiner
verschwundenen Tochter Kanako (Nana Komatsu), einem bei Freundinnen und
Lehrern gleichsam beliebten Mädchen, das ihrem Vater immer als
Musterschülerin erschien. Doch was er auf der Suche nach Kanako über
seine Tochter herausfindet, erschreckt den selbst nicht gerade heiligen
Akikazu zutiefst. Kanako führt ein Doppelleben und hat sich in einem
Netz aus Sex, Drogen und Gewalt verstrickt. Die Erkenntnis, dass seine
Tochter ein ebenso gewaltbereites und moralisch zerrüttetes Wesen ist
wie er selbst, erschüttert Akikazu zutiefst und je mehr er über Kanako
herausfindet, desto rasender wird er. Sein Wunsch, seine Familie
zusammenzuführen, die er durch seine Alkoholsucht und seine Brutalität
auseinandergetrieben hat, scheint nunmehr unerfüllbar.
Mit einem überdrehten Tarantino-esken Intro beginnt die Fahrt in eine morbide Welt aus Inzucht, Verantwortungslosigkeit und dem
intriganten Drogenvertrieb an kleine Schulmädchen, die in ihrer Uniform
an liebe, naive Wesen erinnern, doch solche gibt es in der Welt des Regisseurs Tetsuya
Nakashimas offenbar nicht. Schnelle Schnitte, die man so nur aus
Kampfszenen kennt, ersetzen den normalen Erzählfluss durch eine stakkatoartige Einführung in einen verworrenen Plot. Diverse
Zeitsprünge in die Vergangenheit eines naiven, liebenswürdigen,
gepeinigten und letztlich bis auf die innerlichen Grundmauern
heruntergebrannten Jungen erleichtern bzw. erschweren dem Zuschauer neben
eingeschobenen Animezeichnungen und bunten
Tamagotchi-Electrodrogenpartys einen Weg, der sich am Anfang zu einem
gigantischen Labyrinth in die Unterwelt der Gangster aufzuspalten
scheint.
Als vom guten Willen gezwungener, anscheinend aber böser
Freiwilliger, offenbart sich ein von sich selbst ausgestoßener
Familienvater als Protagonist für diese verzwickte Lage, seine entführte
Tochter wiederzufinden. Warum er den Willen hat das zu tun, weiß er bei
alldem Alkohol und den verdrängten Schandtaten, die von seiner selbst
ausgingen und gehen, leider nicht mehr. Das ist eine ziemlich
prekäre Lage, aus der er sich stets zu befreien versucht, die Schlinge
um seinen Hals hat er sich aber selbst gelegt. Und immer ist man zumindest inhaltlich an mehreren Orten gleichzeitig.
Neben
dem permanenten Schnittgewitter ist dies ein weiteres Stilmittel der Verwirrung,
welches dafür sorgt, dass man ebenso wie die nach seiner Tochter
suchende, emotional verwirrte Hauptfigur, sich in einem unbegreiflich
krassen Dilemma befindet. Und aus diesen Dilemma
tastet er sich nicht heraus, nein, er schlägt wild um sich und straft all
diejenigen ab, die sich in ihrem Leben nicht gerade gemacht haben, die
ihre Verantwortung einfach fallen gelassen haben, obwohl er dabei selbst
nicht erkennt, dass er ebenfalls einer dieser Menschen ist,
die zu faul sind um sich aufzuraffen.
Ein abgehalfterter,
aggressiver Ex-Cop-Penner als moralischer Hammerschwinger, aber
vielleicht kann man sich auch wieder ändern. "Wieso
seid ihr alle so besessen von Kanako?" tönz es etwa zu r Hälfte des Films
aus dem Mund einer emotional längst gebrochenen Person. Und genau
das ist der Schlüssel zur Welt von Kanako, dessen längst geöffnete Tür den Zuschauer in
einen blutigen Abgrund aus Intrigen und zerstörten, naiven Hoffnungen
blicken lässt und fast hinterher stößt. Nakashima wirkt, als würde
er sein eigenes Jugendtrauma aufarbeiten. Äußere Schönheit ist nicht gleich innere Schönheit und bei Kanako scheinen die Gegensätze zu einem teuflischen Wesen vereint.
Unglaubliche Grazilität und dämonische Manipulation in Symbiose, bis
schließlich ein selbstzerstörerischer Parasit den Panzer der Schönheit
aufbricht, aus seiner Hülle emporsteigt und alle mitreißt, die auch nur
kurz an das Gute in ihm geglaubt haben.
Und auch wenn das Intro bereits offenbarte, dass jegliche
Liebe längst im eisigen Schnee des Hasses begraben liegt, erzählt
Nakashima so viel, dass bald der Schädel zu platzen droht. Wer hier nicht
bei der Erstsichtung Hunderprozentig 120 Minuten lange voll konzentriert ist, an dem
fliegt der Film mit der Schnellebigkeit eines Wimpernschlags vorbei und
man verliert sich in Irrungen und Wirrung, bis man schließlich völlig den Faden verloren hat. Dasselbe könnte allerdings auch dem gebannt starrenden Zuschauer passieren. "The World Of Kanako" ist ein Film, der von der Weitervererbung
schlechter Eigenschaften berichtet, die versteckt im offensichtlich
Guten nicht sichtbar werden. Wahrheit,
Lüge, Vorurteil. Dieser Film ist ein Monster, das für den Zuschauer
weder Spaziergang noch Erleichterung nach dem Abschalten ist und sicher
nichts, was man sich zweimal hintereinander anguckt, in jedem Fall aber
bahnbrechendes Japan-Kino für hartgesottene Investoren.
Wer am Ball bleibt, bekommt einen ordentlichen Brainfuck geliefert, der noch etwas nachwirkt.
7/10
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