Donnerstag, 29. August 2024

Jackpot! - Ein Jackpot zum Sterben! (2024)

https://www.imdb.com/title/tt26940324/

Los Angeles im Jahr 2030: Katie (Awkwafina) ist neu in der Stadt und ihr Ziel ist es, in Hollywood als Schauspielerin Fuß zu fassen. Vor einem Vorsprechen gönnt sie sich einen Lottoschein – der prompt für den Hauptgewinn von mehreren Millionen Dollar ausgelost wird. Unpraktisch nur, dass ihr Gesicht daraufhin über Social Media in der ganzen Stadt gezeigt wird – und wem es gelingt, sie bis zum Sonnenuntergang zu finden und zu töten, der kann den Gewinn ganz legal von ihr übernehmen. Zum Glück gibt es Amateur-Jackpot-Beschützer Noel (John Cena), der sie zur Lotto-Stelle begleiten will, dafür quer durch die Stadt mit ihr fährt und versucht, alle gierigen Verfolger abzuschütteln oder aus dem Weg zu räumen. Richtig problematisch wird es allerdings, als Louis Lewis (Simu Liu), Noels langjähriger Rivale, auf den Plan tritt. Der hat sich nämlich in den Kopf gesetzt, dass ihm der Job als Katies Lotto-Bodyguard zusteht – und als ihm das verwehrt wird, fährt er starke Geschütze auf, um Katie zu eliminieren und den Jackpot selbst zu bekommen.

"Jackpot!" ist eine Actionkomödie unter der Regie von Paul Feig mit einer Starbesetzung, darunter Awkwafina, John Cena und Simu Liu. "Jackpot!" versucht, Action und Komödie mit einer satirischen Wendung zu verbinden, schafft es aber letztendlich nicht, eine zusammenhängende und fesselnde Erzählung zu liefern. Die Prämisse des Films ist faszinierend: In einem zukünftigen Kalifornien ermöglicht ein neues Lotteriesystem den Teilnehmern, den Jackpot zu gewinnen, indem sie den eigentlichen Gewinner vor Sonnenuntergang töten. Die Geschichte dreht sich um Katie Kim (Awkwafina), eine Schauspielerin, die versehentlich zur Gewinnerin der Großen Lotterie wird - von der sie keine Ahnung hat, weil sie die letzten paar Jahre unter einem Stein gelebt hat. Mit einer Zielscheibe auf dem Rücken verbündet sie sich mit Noel Cassidy (John Cena), einem Amateur-Lotterieschutzagenten, um den Tag zu überleben. Während sie durch das Chaos von Los Angeles navigieren, müssen sie verschiedene Jackpot-Jäger abwehren, darunter Noels raffinierten Rivalen Louis Lewis (Simu Liu).

Auch wenn Awkwafina wie immer äußerst gewöhnungsbedürftig ist, zeigen sie und Cena eine starke Chemie und verleihen ihren Rollen ein Maß an Charme und Humor, das den Stoff aufwertet. Ihre Auftritte sorgen inmitten des Chaos für kleinere Momente der Komik. Darüber hinaus sind die Actionsequenzen gut choreografiert und zeigen beeindruckende Stunts. Allerdings geht die Satire des Films oft daneben. Während versucht wird, sich zu gesellschaftlichen Themen wie Gier und Reichtumsbesessenheit zu äußern, wirkt die Umsetzung unausgegoren. Der Film neigt eher dazu, die Elite niederzuschlagen als zu kritisieren, was seinen beabsichtigten sozialen Kommentar untergräbt. Der Humor ist zwar vorhanden, aber so vorhersehbar und zahnlos, wie man in Feigs früheren Werken zuhauf findet. Darüber hinaus hat der Film Probleme mit seinem Tempo und seiner erzählerischen Kohärenz. Mit 105 Minuten fühlt es sich dürftig an, einige Szenen ziehen sich in die Länge, andere wirken gehetzt. Die Trennung zwischen Action und Komödie führt zu einem unzusammenhängenden Seherlebnis, bei dem die ehrgeizigen Themen des Films von seiner chaotischen Umsetzung überschattet werden. Für Fans des Genres ist es vielleicht einen Blick wert, aber in der überfüllten Landschaft der Actionkomödien wird er wahrscheinlich keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

5,5/10

Quellen:
Inhaltsangabe
: amazon Video
Poster/Artwork: amazon Video

Dienstag, 27. August 2024

Anyone But You - Wo die Lüge hinfällt (2023)

https://www.imdb.com/title/tt26047818/

Alles sieht nach dem perfekten ersten Date zwischen Beg (Sydney Sweeney) und Ben (Glen Powell) aus. Die Chemie stimmt einfach und es scheint klar, dass sich aus dem aufregenden ersten Knistern zwischen den beiden noch viel mehr entwickeln könnte. Doch dann geschieht etwas, dass das plötzlich nicht nur in weite Ferne rücken, sondern undenkbar werden lässt. Der Traum von einer gemeinsamen Zukunft ist vom Tisch. Doch das Schicksal ist offenbar noch nicht fertig mit den beiden und lässt sie wieder aufeinandertreffen - ausgerechnet als Gäste bei einer Hochzeit in Australien. Kurzerhand beschließen sie, sich als Paar auszugeben. Und das Undenkbare scheint plötzlich gar nicht mehr so weit weg...

Die RomCom "Wo die Lüge hinfällt" hat mehrere Vorteile: die sich im Aufwind befindlichen (attraktiven) Stars Sydney Sweeney und Glen Powell, eine luxuriöse australische Kulisse und viel nackte Haut - auf beiden Seiten. Die Handlung ist ein klassischer Switchback. Die eingeschworenen Feinde Bea (Sweeney) und Ben (Powell) geben (nach einer Trennung vor einiger Zeit) vor, sich bei einer Hochzeit in einem fremden Land erneut zu verlieben, damit ihre Freunde und Familie (Alexandra Shipp, Hadley Robinson, Bryan Brown, Michelle Hurd und GaTa) aufhören, sie zu nötigen, in Realität wieder zusammenzukommen. "Wo die Lüge hinfällt", bei dem Will Gluck Regie führte und der das Drehbuch zusammen mit Ilana Wolpert schrieb, ist damit eine lockere Überarbeitung von "Viel Lärm um Nichts", aber teilweise so ungeschickt zusammengestellt, dass die Aufmerksamkeit des Zuschauers von den Hauptdarstellern auf die bizarr üppigen Buffets im Hintergrund gelenkt wird. Zugegeben: Man ist ein wenig neugierig, ob diese beiden Betrüger wirklich wieder unter die Laken schlüpfen werden - oder man wartet darauf, dass man Powell/Sweeney (halb-)nackt sieht. Beides bekommt man.

"Wo die Lüge hinfällt" tut nicht weh und lässt sich gut weggucken, ist aber auch nichts besonderes, auch wenn er seine besonderen (und stellenweise sogar witzigen) Momente hat. Natürlich kommen noch der Ex und einige fadenscheinige Szenen dazu, die die Darsteller lediglich dazu bringen sollen, sich ihrer Kleidung zu entledigen und man wird das Gefühl nicht los, dass Sweeney und Powell mit einem besseren Drehbuch Wunder vollbringen könnten, mit etwas, das mehr davon nutzt, wie sie sich angrinsen, als hätten sie Stahlwolle gekaut. Sie ist geschickt darin, vielschichtige Unaufrichtigkeit zu zeigen; er ist spezialisiert auf süffisantes, aufgesetztes Machotum und feuert ein schrecklich komisches Zungengewackel in die Kamera. Hier werden ihre Auftritte durch den aufdringlichen Pop-Soundtrack unter Druck gesetzt. In einer wirklich rührenden Szene singt Bea einen peppigen Top-40-Hit, um Bens Nerven zu beruhigen. Aber sie bringt nur ein paar ruhige A-cappella-Takte zustande, bevor Gluck das Original mit ohrenbetäubender Lautstärke aufdreht und es am Ende noch einmal laut schmettert, während hinter den Kulissen ein wildes Karaoke gespielt wird. Man fragt sich, ob er mehr Zeit auf den Abspann verwendet hat als auf den eigentlichen Film. Letztlich ist "Wo die Lüge hinfällt" ganz nett, aber kein großer Kracher. Eben eine RomCom.

6/10

Quellen
Inhaltsangabe: Netflix
Poster/ArtworkNetflix

Montag, 26. August 2024

더 문 - Deo Mun - The Moon (2023)

https://www.imdb.com/title/tt27688034/

2029: Südkorea ist mit seinem Raumfahrtprogramm so weit fortgeschritten, dass es die zweite Nation in der Geschichte werden kann, die einen Menschen auf den Mond bringt. Die Rakete ist unterwegs und alles läuft nach Plan. Fast 400.000 Kilometer von der Erde und mehr als 30.000 Kilometer von ihrem Trabanten entfernt, kommt es dann allerdings zur Katastrophe: Ein unerwarteter Sonnenwind verursacht einen Unfall, der zwei der drei Astronauten tötet und ihr Gefährt schwer beschädigt. Nur noch der jüngste der Crew, Seon-Woo Hwang (Kyung-Soo Do), ist am Leben und muss irgendwie versuchen, dass dies so bleibt, bis Hilfe kommt. Allerdings wird der Sauerstoff langsam knapp, die Temperatur an Bord sinkt rapide und die Funkverbindung zur Basis ist sehr wacklig. Unten auf der Erde versucht Flugleiter Jae-Guk Kim (Kyung-Gu Sol) derweil alles, um seinen Schützling zu retten. Er fleht sogar die NASA an, einzugreifen. Doch die lehnt eiskalt ab...

Kurz vor Beginn der zum Scheitern verurteilten Reise ins All, die "The Moon" darstellt, ein zäher Science-Fiction-Film des Drehbuchautors und Regisseurs Kim Yong-hwa, wird in einem Dialog auf der Erde in einer Operationsstation bemerkt, dass "die Wahrscheinlichkeit von aufeinanderfolgenden massiven Fehlschlägen sehr gering ist". Natürlich macht dies sofort klar, dass etwas katastrophal schiefgehen wird, und könnte genauso gut von einem Augenzwinkern an das Publikum begleitet werden. Was damit wahrscheinlich nicht angedeutet werden sollte, war die Kaskade von Fehlschlägen, die der Film selbst darstellt. Obwohl er nicht ohne gelegentliche Spannungsmomente ist, durchläuft er alle bekannten Takte dieser Art von Geschichte auf eine Weise, die eher ermüdend als spannend ist. Während andere ähnliche Filme es geschafft haben, inmitten von Katastrophenspektakeln Aufrichtigkeit zu zeigen und neue Höhen zu erreichen, kommt dieser Film nie richtig in Gang, auch wenn er immer weiter in die Weiten des Weltraums vordringt.

Die Geschichte versetzt den Zuschauer in die nicht allzu ferne Zukunft des Dezembers 2029. Nach einer früheren Katastrophe hat Südkorea nun eine bemannte Mission zum Mond gestartet, die, wie man erfährt, für das Land wertvoll und Teil eines neuen Wettrennens im Weltraum ist. Als eine Sonneneruption die Kommunikation unterbricht, ist dies nur der Anfang einer Reihe eskalierender Krisen, die die Mission ereilen werden. Dies führt zu Opfern und lässt den nun einsamen Astronauten Sun-woo (Do Kyung-soo) ganz auf sich allein gestellt zurück. Jung und mehr als ein wenig überfordert muss er sich auf die Hilfe des Teams da unten verlassen. An vorderster Front steht dabei Dr. Kim (Sol Kyung-gu), der diese Karriere unter nicht gerade guten Umständen aufgegeben hat. Vielleicht auch, damit er in Ruhe im Wald CGI-Wildschweine jagen konnte, denn so wird er vorgestellt. Erst später erfährt man, dass die beiden eine gemeinsame Vergangenheit haben, die diese ohnehin schon triste Erfahrung noch komplizierter und letztlich noch schlimmer machen wird.

Während ein Film wie "Gravity" von Alfonso Cuarón mit atemberaubenden Bildern aufwartete, in denen er dem Zuschauer nie eine Verschnaufpause ließ, ist dieser Film ständig auf dem Laufenden, was auf der Erde passiert. Ab einem bestimmten Punkt scheint der Film weniger an der Überlebensgeschichte interessiert zu sein, die sich oben abspielt, es sei denn, es gibt eine Möglichkeit, sie auf ein nur mittelmäßiges Drama zu reduzieren. In dieser Hinsicht fühlt er sich eher wie Ridley Scotts "Der Marsianer" an. Obwohl dieser Film keineswegs perfekt ist, wirkt er weitaus sicherer und fesselnder als dieser. Obwohl es anfangs ein bewundernswertes Bekenntnis zu einem geerdeteren Sinn für Realismus mit den verschiedenen Kommunikationen und der Problemlösung gibt, die stattfinden müssen, tritt dieser Film letztendlich hinter einer schmerzhaft süßlichen Erzählung zurück. Die genauen Einzelheiten davon würden wahrscheinlich einen Spoiler darstellen, auch wenn sie ziemlich früh enthüllt werden und sich anfühlen, als wären sie aus einer Reihe anderer Geschichten recycelt worden. Es wird ziemlich schwer, damit zu leben, nicht weil es bekannt ist, sondern wegen der plumpen Art, wie es umgesetzt wird. Immer wieder wird die Musik so aufgebauscht, dass Rückblenden zu sehen sind, die sich eher künstlich als natürlich emotional anfühlen. Es gibt keinen Moment, in dem man sich eingebunden fühlt, weil der Film auf oft ungeschickte Weise übertreibt.

Wenn viele der visuellen Effekte dann eher wie ein schlechtes Videospiel aussehen als wie eine echte Darstellung der Gefahren der Raumfahrt, reißt einen das noch mehr aus dem Erlebnis. Einige der besten Science-Fiction-Filme, selbst die mit geringerem Budget, können dies umgehen, indem sie sich auf die kleinen Details konzentrieren und in engeren Räumen arbeiten. Das Erlebnis, Filme wie Prospect oder Moon anzusehen, ist zwar weitaus zurückhaltender, fühlt sich aber aufgrund der Einbindung in die Filme wirklich lebendig an. Sie fühlen sich wie lebendige, atmende Welten an, was bei diesem Film nicht der Fall ist. Sogar als wir auf dem Mond landen, wo es tatsächliche Momente der Ehrfurcht gibt, schneidet der Film immer wieder zurück zu den weit weniger interessanten Geschehnissen auf der Erde. Wir werden nie von der Geschichte mitgerissen, und jede Eskalation landet mit einem dumpfen Knall. Es unterbricht die kleine Immersion, die es für uns geschaffen hatte, indem es eine Nachrichtensendung nach der anderen und ein Meeting nach dem anderen sah, was das erzwungene Drama nur noch verstärkte. Es ist nie abenteuerlich genug, um spannend zu sein, noch ist es gut genug geschrieben, um als fesselndes Drama zu funktionieren. Es könnte hier ein brauchbarer 90-Minuten-Film sein, in dem wir uns vollständiger in die Weltraumschuhe von Sun-woo hineinversetzen. Stattdessen bekommen wir einen, der über zwei Stunden läuft und in dem sich das meiste, was passiert, nebensächlich und ziellos anfühlt. Am Ende begräbt alles den einsamen Astronauten immer wieder unter einem Übermaß an nebensächlichen Entwicklungen, die nie so dynamisch sind, wie ihm einfach beim Überlebensversuch zuzusehen.

Das Erlebnis ist von einer betäubenden Wiederholbarkeit geprägt, die es immer wieder davon abhält, wirklich spannend zu sein, und dazu bringt, einfach ziellos weiterzutaumeln. Mit jeder Katastrophe verfällt es in ein Muster, in dem es halbherzig den Anschein erweckt, als sei alle Hoffnung verloren, während alle besorgt von unten zuschauen. In diesen Momenten wird viel geschrien, damit wir nicht übersehen können, wie ernst es ist, aber es fühlt sich seltsamerweise leer an, obwohl so viel los ist. Es ist zu sehr von Konventionen geprägt, ohne viel von einer eigenen Vision zu bieten. Dadurch wirkt es am Ende sinnlos und, noch schlimmer, banal. Egal, wie viel es auf Sie einprasselt, einschließlich einiger lächerlicher Enthüllungen gegen Ende, nichts bleibt lange genug in Kontakt, um einen wirklichen Eindruck zu hinterlassen, da es einfach wieder zur Tagesordnung übergeht. Für einen Film über eine angeblich historische und erschütternde Reise zum Mond schafft er es nie, neues Terrain zu betreten.

5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Capelight
Poster/Artwork: CJ Entertainment/Vlad Studio

Sonntag, 25. August 2024

Civil War (2024)

https://www.imdb.com/title/tt17279496/

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind mittlerweile alles, nur schon längst nicht mehr vereinigt. Das Land ist tief gespalten und es tobt ein blutiger Bürgerkrieg. Demokratie und Verfassung scheinen längst vergangene Träume zu sein, während in Washington D.C. der Präsident (Nick Offerman) seine mittlerweile dritte Amtszeit im Weißen Haus angetreten hat. Als oberster Befehlshaber der Streitkräfte, die ihm auf seiner Seite noch verbleiben, führt er Krieg gegen Texas und Kalifornien und überzieht aufständische US-Amerikaner mit brutalen Luftangriffen. Trotz aller militärischer Bemühungen des Präsidenten sind die beiden Staaten nicht kleinzukriegen - ganz im Gegenteil. Je näher der Unabhängigkeitstag rückt, desto näher rücken die kalifornischen und texanischen Truppen an Washington heran. Damit dabei nicht auch noch die Wahrheit im Krieg fällt, machen ein paar Journalisten (u. a. Kirsten Dunst) weiterhin gewissenhaft ihren Job und erstatten unter größter Lebensgefahr Bericht aus den Krisenherden. Als klar wird, dass auch die Hauptstadt innerhalb der nächsten Tage fallen könnte, bricht das Team auf, um noch ein finales Interview mit dem Präsidenten zu führen.

Die USA der nahen Zukunft haben ihre Wut gegen sich selbst gerichtet; ein neuer Bürgerkrieg wütet. Während Leuchtspurgeschosse über den Himmel peitschen und die Vororte unter dichten, dunklen Rauchschwaden schwelen, rückt eine separatistische Rebellenfraktion, die als Westfront bekannt ist, immer näher an Washington DC heran. Unterdessen probiert der Präsident (Nick Offerman), der sich im Weißen Haus verbarrikadiert hat, die Betonung seiner Worte, während er für seine jüngste Fernsehansprache probt. Er verspricht, dass die Niederlage der Rebellen unmittelbar bevorsteht, und fügt hinzu: "Einige nennen es bereits den größten Sieg in der Geschichte der Menschheit." Ein Hauch Trumpscher Rhetorik ist hier zu spüren, aber dies ist der einzige Hinweis auf die reale US-Politik in dem beißenden dystopischen Kriegsfilm des britischen Drehbuchautors und Regisseurs Alex Garland. Ungeachtet des Schauplatzes betrachtet man Civil War vielleicht am besten nicht als offensichtlichen Kommentar zum heutigen Amerika, sondern als Film über Konflikte.

Genauer gesagt geht es um Konflikte, wie sie Kriegsberichterstatter beobachten - Menschen, die genug davon auf der ganzen Welt gesehen haben, um zu wissen, dass das Schlachtfeld ein gemeinsames Terrain ist; dass überall, wo es Unmut, Waffen und Menschen gibt, die bereit sind, sie aufeinander zu richten, dieselben Gräueltaten geschehen. Die Frontfotografin Lee Smith (Kirsten Dunst) weiß das nur zu gut. Das Letzte, was sie sieht, wenn sie nachts die Augen schließt, ist eine Filmsequenz der Schrecken, die sich im Laufe ihrer jahrzehntelangen Karriere vor der Linse ihrer Kamera abgespielt haben. Sie macht das schon lange genug, um zu wissen, dass der tägliche direkte Augenkontakt mit dem Tod einen bestimmten Teil der Seele verkümmern lässt. Es ist ein Job, der eine eingebaute moralische Grauzone mit sich bringt. Es ist nicht die Aufgabe der Kriegsfotografin, erklärt sie der unter Kriegsneuling Jessie (Cailee Spaeny), sich mit ethischen Fragen auseinanderzusetzen. Es ist ihre Aufgabe, aufzuzeichnen, damit andere Menschen diese Fragen stellen können. Trotzdem kann Lee nicht anders, als von einem existentiellen Dilemma heimgesucht zu werden, das ihre gesamte berufliche Zielstrebigkeit untergräbt: Wenn die Warnungen, die in den Fotos, die sie im Laufe der Jahre gemacht hat, fest verankert sind, von ihrem Heimatland so leicht ignoriert werden können, welchen Sinn hatte es dann, sie zu machen?

Aber die Verlockung einer großen Story kann die Zweifel beruhigen. Und es gibt kaum größere Geschichten als die, die Lee und ihr Schriftstellerkollege Joel (Wagner Moura) als nächstes verfolgen. Sie begeben sich auf eine umständliche und gefährliche Reise quer durchs Land nach DC, um den Präsidenten zu fotografieren und zu interviewen. Zumindest ist das die Hoffnung. In der Praxis ist es eine tollkühne Mission: Journalisten werden in der Hauptstadt als feindliche Kämpfer angesehen und laufen Gefahr, auf Sicht erschossen zu werden. Aber das hält zwei andere Journalisten, den erfahrenen New York Times-Reporter Sammy (Stephen McKinley Henderson) und die aufstrebende Fotografin Jessie, nicht davon ab, um eine Mitfahrgelegenheit zu betteln.

Zusammen ergeben die vier ein zusammengesetztes Porträt des Kriegskorrespondenten als Archetyp. Lee ist gefühllos und kühl professionell, jede Sanftheit in ihrer Persönlichkeit ist längst verschwunden; der spannungssuchende Joel ist in seiner Herangehensweise eher kampflustig. Obwohl sie alt und nicht mehr in Form ist, kann Sammy den Gedanken ans Aufhören nicht ertragen. Jessie ist entsetzt und verängstigt, hat sich aber noch nie so lebendig gefühlt. Längerer Kampfeinsatz, so suggeriert der Film, schreibt sich quasi in die DNA eines Menschen ein. Anders als andere Filme über den Kriegsjournalismus erinnert "Civil War" an Kathryn Bigelows "Tödliches Kommando: The Hurt Locker". Diese Leute sind durch die Schrecken, die sie miterleben, so außer Form, dass sie abseits der Front nur schwer funktionieren können. Und in gewisser Weise kann man den Nervenkitzel verstehen. Die Kampfsequenzen werden mit voller Wildheit hingerichtet; der geschickte Schnitt vermittelt die grimmige Genugtuung, einen Moment fotografischer Wahrheit inmitten des Blutbads einzufangen. Besonders wirkungsvoll ist der eindringliche Einsatz von Ton: die dichte und samtige Stille nach einer Explosion; der unpassende, flötende Vogelgesang, der eine Szene monströser Unmenschlichkeit ankündigt (eine Sequenz, die von dem beeindruckenden Jesse Plemons dominiert wird). Da Garlands Film jeden politischen Kontext aus dem Kampf herauslöst, bleibt er trotz seines visuellen Flairs weit hinter ideenreicheren Filmen wie Alfonso Cuaróns "Children Of Men" zurück. Er fängt jedoch auf erschreckende Weise die schreckliche, sich selbst aufrechterhaltende Dynamik des Krieges ein. Ein Krieg, der in diesem Fall den Punkt erreicht hat, an dem die Menschen nicht mehr wissen, wofür sie kämpfen, sondern nur noch, dass sie kämpfen.

7,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Leonine
Poster/Artwork: A24/DNA Films

Freitag, 23. August 2024

[SERIE] Perfekt verpasst

https://www.imdb.com/title/tt26773988/

Maria (Anke Engelke) und Ralf (Bastian Pastewka) sind beide in ihren eigenen Leben gefangen, aber gemeinsam könnten sie das absolute Dream-Team sein - wenn sie sich nur endlich treffen würden. Stattdessen ziehen die beiden Singles Tag für Tag durch die gleiche Stadt, ohne sich jemals zu begegnen. Während Maria von Hektik und innerer Unruhe getrieben ist und ständig versucht das Richtige zu tun, stolpert Ralf von einem Chaos ins andere und scheint gar nicht zu bemerken, dass er sich bis zur Selbstaufgabe fügt. Sein Familienleben hat er in den Sand gesetzt und auch sonst, scheint nichts so recht klappen zu wollen. Marias Energie würde Ralph sicher einen Schub in die richtige Richtung geben und Ralphs Einfühlungsvermögen, würde der schonungslos ehrlichen Maria vielleicht einen angemessenen Dämpfer verpassen. Aber wer weiß, vielleicht meint es das Schicksal doch noch gut mit ihnen...

https://www.imdb.com/title/tt27424346/
1. Käsetyp 4
Nach seiner Scheidung sucht Sportladen-Inhaber Ralf nach einem neuen Sinn im Leben – und nach einer neuen Liebe. Aber gibt es in Marburg überhaupt jemanden, den er nicht kennt? Buchhändlerin Maria trifft auf eine alte Rivalin – sowohl ihre Affäre Max als auch ihr Vater warten nur darauf, dass sie die Beherrschung verliert. Es kommt zur Eskalation – und zu einer überraschenden Begegnung. - 7,5/10

https://www.imdb.com/title/tt27424347/
2. Strike
Nach dem Streit mit Johanna Augustin beschließt Maria selbst ein Buch zu schreiben – leichter gesagt als getan. Und dann meldet sich auch noch ihre ehemals beste Freundin Nikki. Maria geht ihren Problemen aus dem Weg und lädt sich bei Sophie und deren Freundinnen zum Bowling ein. Ralf verbringt den Abend mit seinen Töchtern Lily und Lotta, um zu retten, was von seiner Familie noch übrig ist. - 7,5/10

https://www.imdb.com/title/tt27424349/
3. Senden und Empfangen
Maria versucht eine unliebsame Wahrheit über Max zu verarbeiten. Ihr Vater überrascht sie zusätzlich mit einem unerwarteten Geständnis. Da hilft auch der ungewollte, psychologischen Rat von Hundetrainer Hakan nichts. Und auch Ralf hat mit einer schlechten Nachricht zu kämpfen, die sein komplettes Leben verändert – er versammelt die ganze Familie zu einem großen Abendessen... - 8/10

https://www.imdb.com/title/tt27424348/
4. Katzenpflaster
Ralf will ein neuer Mensch werden. Nikki zwingt Maria zu einem Versöhnungstag. Alle landen gleichzeitg im Wellness-Zentrum "Holistic Healing Hatzfeld": Während sich Ralf und sein Freund Jochen dort einem dramatischen Feuerlauf stellen, versucht Maria einer ernsthaften Unterhaltung mit Nikki aus dem Weg zu gehen. Ob sich Maria und Ralf hier nun endlich begegnen? - 8/10

https://www.imdb.com/title/tt27424350/
5. Impulskontrolle
Ralf legt sich auf die Lauer: Wer ist die mysteriöse Frau, die immer auf sein Auto schreibt? Nach einem Missverständnis hat er plötzlich einen Hund und ein Date mit einer Unbekannten, das eine völlig ungeahnte Wendung nimmt. Auch Maria hat ein Date – und lässt sich zu einer Tat hinreißen, die den Tag in einer Katastrophe enden lässt. - 8/10

https://www.imdb.com/title/tt27424352/
6. Ave Maria
Die Hochzeit von Max und Nikki steht auf der Kippe, doch Maria will sie retten – und endlich einen Schlusstrich ziehen und sich auf ihre Karriere als Autorin konzentrieren. Ralf muss sich um die Beerdigung von Schopenhauer kümmern – bis ihm klar wird, dass er die Hochzeit verhindern muss. - 7,5/10

https://www.imdb.com/title/tt27424351/
7. Anita und Steve
Maria flüchtet nach dem Eklat auf der Hochzeit nach Köln, um mit dem Verlag über ihre Buchidee zu sprechen. Nach einem vielversprechenden Start läuft das Gespräch allerdings völlig aus dem Ruder. Nur wenige Straßen weiter verabschiedet Ralf seine Tochter Lily in ihr zukünftiges Studentinnenleben. Ein schicksalhafter Zufall? - 8/10

https://www.imdb.com/title/tt27424353/
8. Marburg is for Lovers
Maria und Ralf versuchen zu verstehen, was in Köln passiert ist. Derweil bereitet sich Marburg auf das Stadtfest und auf ein großes Comeback vor: Das legendäre Chaospendels ist zurück! Das Fahrgeschäft, auf dem sich Maria und Ralf vor Jahren beinahe begegnet wären. Das fulminante Finale? - 8/10

Quellen
Inhaltsangabe: amazon Video
Poster/Artwork: amazon Video

Donnerstag, 22. August 2024

The Greatest Showman - Greatest Showman (2017)

https://www.imdb.com/title/tt1485796/

Als P.T. Barnum (Hugh Jackman) seine Arbeit verliert, treiben ihn und seine Frau Charity (Michelle Williams) Existenzsorgen um. Doch dann hat der zweifache Vater Barnum eine Geschäftsidee: Er gründet ein Kuriositätenkabinett, für das er unter anderem eine bärtige Frau und einen kleinwüchsigen Mann anheuert. Doch er will seinen zahlenden Gästen nicht nur Kurioses bieten, sondern auch eine atemberaubende Show mit Akrobaten wie der Trapezkünstlerin Anne Wheeler (Zendaya) und spektakulären Tänzern. Gleichzeitig sehnt Barnum sich nach dem Respekt der feinen Gesellschaft, die hochnäsig auf seinen Zirkus herabsieht. Er tut sich daher mit dem seriösen Theatermacher Phillip Carlyle (Zac Efron) zusammen und als er bei einer königlichen Audienz der schwedischen Opernsängerin Jenny Lind (Rebecca Ferguson) begegnet, wittert er die Chance darauf, endlich auch in der High Society und in der Kunstszene ernstgenommen zu werden. Er geht mit Jenny auf Amerika-Tournee...  

"The Greatest Showman" basiert sehr lose auf dem Leben des legendären Showmans und unverbesserlichen Publikumslieblings, Politiker, Unternehmers und Zirkuspioniers Phineas T. Barnum, des Mannes, der im 19. Jahrhundert möglicherweise die Unterhaltung erfand, wie man sie heute kennt. Hugh Jackman ist in diesem fröhlichen Musical am nahbarsten, dass er genau in der Mitte der Straße steht, als ob ihn ein unglaublich ausgeklügeltes wissenschaftliches Gerät dorthin gebracht hätte und der Film schafft es damit, gleichzeitig kitschig und süßlich zu sein. Ein anderer Filmtyp könnte versuchen, Parallelen zwischen dem frechen Impresario Barnum - der verzweifelt falsche oder jedenfalls unzuverlässige Nachrichten über die Fidschi-Meerjungfrau, die älteste Frau der Welt oder bärtige Damen verbreitete - und einer anderen fragwürdigen amerikanischen Berühmtheit der Gegenwart zu ziehen. Aber dies ist ein Barnum, hinter dem das Publikum stehen könnte. Er ist ein Unternehmer, ein Träumer, ein Familienmensch, ein Idealist, ein Außenseiter, ein protomoderner Evangelist für Vielfalt (er hat Zirkusauftritte in allen Formen und Größen) und er ist jemand, für den die Vorlage für das konventionelle weiße Körperbild nicht das A und O ist.


Barnums Karriere wird interessanterweise als etwas dargestellt, das zeigt, wie sich das Showbusiness von den Rändern in den Mainstream bewegte: von einem verrückten Zirkuszelt zu etwas im Zentrum des amerikanischen Lebens. Hier ist das lärmende und fröhlich verrufene Varieté, mit dem Barnum sein Vermögen gemacht hat: die makabren Wachsfiguren historischer Persönlichkeiten und exotischer ausgestopfter Tiere, das Kabinett seltsamer Kuriositäten, die menschlichen Freaks, deren Hintergründe und anatomische Leistungen er vielleicht ein klein wenig übertrieben hat. Und erst dann sieht man die Live-Action-Zirkusnummern, die er als nächstes versuchte. Barnum ist anspruchslos und stolz darauf. Aber hier wird gezeigt, dass er die intellektuelle Ebene respektiert. Barnums junge Tochter strebt danach, eine große Balletttänzerin zu werden. Doch der wahre Bösewicht des Stücks ist die kulturelle Note, die dazwischen liegt: Mittelmaß. Barnum wird gezeigt, wie er seinen Ruf aufs Spiel setzt, indem er die "schwedische Singdrossel" Jenny Lind, gespielt von Rebecca Ferguson, promotet, die ihre anspruchslosen Balladen trällert, irgendwo zwischen dem ungesunden Schund, mit dem Barnum sein Vermögen gemacht hat, und der gehobenen Kost, die Barnum bewunderte. Phineas setzt viel von seinem eigenen Geld aufs Spiel, indem er eine Tournee für Jenny promotet. Vielleicht hat er auch sein häusliches Glück aufs Spiel gesetzt, indem er möglicherweise seine Frau und Kinder betrog, indem er eine Affäre mit ihr hatte, obwohl dieser Film es unklar lässt, ob er tatsächlich Ehebruch begangen hat.


Hugh Jackman ist der frischgesichtige, aber arme junge Mann, der nach einem Weg sucht, sein Vermögen zu machen. Michelle Williams spielt Charity, seine Frau und Jugendliebe, die ihr Schicksal mit ihm teilte: aus Liebe zu heiraten und zwei Töchter mit ihm zu haben. Nachdem Barnum die Möglichkeit entdeckt hat, ein Vermögen zu machen, indem er sozusagen den Geschmack des amerikanischen Publikums unterschätzt, erkennt er, dass er jemanden braucht, der ihm Zugang zu der gehobeneren Kundschaft verschafft. Also geht er eine Partnerschaft mit einem jungen Mann ein, den dieser Film als eine unerfahrene, wohlhabende Person darstellt, die im seriösen Theater einige Erfolge erzielt hat: ein gewisser Philip Carlyle, gespielt von Zac Efron. Er ist eine fiktive Person, nicht zu verwechseln mit dem realen James Anthony Bailey, der tatsächlich am Ende von Barnums Karriere mit ihm in Verbindung stand.

Dieser Carlyle ist jemand, dessen Zweck es ist zu zeigen, wie sich der Film mit den Randgruppen und Entrechteten identifiziert: Efrons Figur verliebt sich in die schöne afroamerikanische Trapezkünstlerin Anne Wheeler (Zendaya) - zum Entsetzen seiner bigotten und wohlhabenden Eltern. "The Greatest Showman" ist ein Film, der in gewisser Weise an Baz Luhrmanns "Moulin Rouge" aus dem Jahr 2001 erinnert: eine feierliche und euphorische Unterhaltung, die sich nicht übermäßig um dramatische oder psychologische Konsistenz bemüht. Es geht um die Stimmung, das Gefühl, den allgemeinen Zuckerrausch der Euphorie. Ich kann mir vorstellen, dass die frühe Karriere des großen Theatermagiers Orson Welles genauso behandelt wird. Und Hugh Jackman ist absolut die richtige Besetzung für diese Figur - zumindest so, wie er hier dargestellt wird. Eine weniger träumerische Dramatisierung könnte die Rolle Paul Giamatti oder Toby Jones geben. Auf jeden Fall verleiht Jackman dem Film das nötige muskulöse Gewicht. Er hat das Talent für Musicals und den nötigen filmischen Pfiff, um ihn zu verkaufen; er ist ansprechend gutaussehend und seine Gesangsstimme ist leicht, angenehm, aber dennoch stark und kompetent. Es ist kein Film, der ausgetretene Pfade bricht oder Grenzen austestet. Doch Jackmans Charme reißt einen einfach so mit.

7,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Twentieth Century Fox
Poster/Artwork: Twentieth Century Fox/TSG Entertainment/Bona Film Group

Mittwoch, 21. August 2024

Feed Me (2023)

https://www.imdb.com/title/tt16196010/

Als seine Frau Olivia (Samantha Loxley) plötzlich stirbt, fühlt sich Jed Freeman (Christopher Mulvin), als wäre ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Von Schuldgefühlen gequält, stürzt er in eine tiefe Depression und beginnt schwer zu trinken. In einer Bar lernt er den offenbar reichlich exzentrischen Lionel Flack (Neal Ward) kennen. Die beiden kommen ins Gespräch und Lionel gibt sich ganz unverhohlen als Kannibale zu erkennen. Mit einer kuriosen Mischung aus Charme und Wahnsinn überzeugt der Mann Jed davon, dass er nur dann wahren Seelenfrieden finden könne, wenn er selbst sein Leben lassen würde. Am besten würde dies funktionieren, wenn er auf die möglichst schrecklichste Art und Weise in den Tod geht. Nämlich, indem er sich von Lionel langsam, aber sicher aufessen lassen würde...

Oberflächlich betrachtet sieht "Feed Me" von Richard Oakes und Adam Leader wie eine Splatter/Kannibalen-Komödie aus, voller Blut, Gedärm und dem Geschmack von Menschenfleisch. Und das ist es auch. Aber es ist irgendwie und auf eine seltsame, voyeuristische Art und Weise noch viel mehr. Es ist ein durchaus differenzierter (wenngleich wenig ausgearbeiteter) Blick auf die Auswirkungen von psychischen Störungen und Kindesmissbrauch und man könnte ihn einfach als Ekelfilm mit einer widerwärtigen Hauptprämisse abtun. Aber er versucht immerhin, etwas über Erziehung versus Natur zu sagen. Er versucht, etwas über Körperdysmorphie, Essstörungen und die Auswirkungen, die sie auf die psychische Gesundheit und Beziehungen haben, zu sagen. Es soll etwas über die bleibenden Auswirkungen des Lebens in einer missbräuchlichen Umgebung als Kind aussagen. Das Ziel besteht darin, die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der psychischen Gesundheit zu lenken und darauf, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt, und diese Geschichte vermittelt diese Botschaft - man muss sich nach dem Ansehen jedoch möglicherweise etwas Zeit nehmen, um dies zu verarbeiten.

Doch dem Film fehlt es in jeglicher Hinsicht an Charakterentwicklung. Die Schauspieler legen sich zwar mit dem Drehbuch voll ins Zeug, insbesondere Ward und zur Besetzung gehört auch der Schauspieler und Komiker Anto Sharp, letztlich reicht es aber nicht ganz. "Feed Me" ist auch lustig - auch wenn es das eigentlich nicht sein sollte. Nun sollte man aber bei all dem die Kirche im Dorf lassen: "Feed Me" ist ein Low-Budget-Streifen und das Haus ist ein Set, aber es verleiht der Geschichte wirklich eine bedrohliche, klaustrophobische Wirkung. "Feed Me" ist absolut dumm, lächerlich, lustig, ergreifend, regt zum Nachdenken an, traurig und eklig, mit einem großartigen Soundtrack. Aber er hinterlässt immerhin einen bleibenden Eindruck.

5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Splendid
Poster/Artwork: Splendid

Dienstag, 20. August 2024

All Of Us Strangers (2023)

https://www.imdb.com/title/tt21192142/

Adam (Andrew Scott) hat eines Nachts in seinem fast leeren Londoner Hochhaus eine zufällige Begegnung mit seinem mysteriösen Nachbarn Harry (Paul Mescal), die seinen Alltagsrhythmus durchbricht. Sie kommen sich schnell näher und der sonst so introvertierte Adam vertraut sich dem einfühlsamen Harry schnell an. Er erzählt ihm von seiner Kindheit und von seinen Plänen für ein Buch, das er über sein Leben schreiben will. Dazu begibt er sich auf eine schwierige Reise in die Vergangenheit. Er fährt zu seinem Elternhaus, wo alles so zu sein scheint, wie er es zurückgelassen hat. Auch seine längst verstorbenen Eltern (Claire Foy und Jamie Bell) scheinen keinen Tag gealtert zu sein. Hat seine lange Einsamkeit und Trauer dazu geführt, dass er jetzt die Kontrolle über die Realität verliert? Denn wie sollte es sonst möglich sein, plötzlich seinen verstorbenen Eltern gegenüberzustehen?

Ein halbes Lächeln huscht über Andrew Scotts Gesicht, ein unwillkürliches Zucken, mit zusammengepressten Lippen und dunklen Augen, in denen unvergossene Tränen glitzern. Technisch gesehen ist es ein Lächeln, aber es kommt einem so vor, als hätte man niemals jemanden gesehen, der trauriger aussah. Dieser Schauspieler hat die seltene Gabe, mit einem einzigen Blick die oberste Schicht einer Figur abzutragen und den Zuschauer in Jahrzehnte kaleidoskopischen Schmerzes und Verlusts hineinzuziehen. Es ist eine Gabe, die selten besser eingesetzt wurde als in Andrew Haighs wunderschönem, erschütterndem und zutiefst persönlichem fünften Spielfilm "All Of Us Strangers".

Scott spielt Adam, einen Drehbuchautor, der mit einem Drehbuch ringt, das aus seiner Vergangenheit stammt. Es läuft nicht so gut. Der erste Blick fällt auf sein Gesicht, das sich in den Fenstern seiner Wohnung spiegelt, während er lustlos in die Londoner Abenddämmerung blickt, einen weiten Himmel, der mit Wolken bedeckt ist, die so tief und dunkelblau sind wie die Trauer selbst. Adam taucht ein in die Musik seiner Kindheit - Pop-Klassiker der 80er von den Pet Shop Boys und Frankie Goes to Hollywood - und durchsucht eine Kiste mit Familienschätzen, die eine Verbindung zur fernen Vergangenheit herstellen. Aber er scheint vom Rest der Welt abgekoppelt - etwas, das seine hallende, angenehm unpersönliche Wohnung in einem fast leeren Hochhaus in Ballard nur noch unterstreicht. Dann passieren zwei Sachen. Zwischen Adam und seinem Nachbarn Harry (Paul Mescal), einem der wenigen anderen Bewohner des Gebäudes, beginnt eine zaghafte Beziehung aufzublühen. Und während eines Recherchebesuchs in seinem Elternhaus im Vorort Dorking begegnet Adam seinen verstorbenen Eltern (gespielt von Claire Foy und Jamie Bell), unverändert, nicht gealtert und noch immer genauso lebend wie kurz vor ihrem Tod vor 30 Jahren, als Adam ein Kind war. Und während Scott als unser emotionaler Anker fungiert und die übernatürlichen Elemente der Geschichte erdet, ist es erwähnenswert, dass die gesamte Besetzung durchweg tadellos ist.

Während die Verbindung zwischen Adam und Harry sich in die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft hinein festigt (Szenen, in denen sie einander bei der Entdeckung ihrer Körper beobachten, wurden von Kameramann Jamie Ramsay mit einer taktilen, zärtlichen Linse gedreht), wird Adam immer wieder in die Vergangenheit zurückgezogen, zu dem ungelösten Trauma seiner Kindheit. Die Zeit heilt tatsächlich nicht alle Wunden. Stattdessen kann sie sie tiefer und lähmender machen. Aber wenn Adam den Moment, in dem seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, nicht umschreiben kann, kann er sie dank einer metaphysischen Eigenart als erwachsenen schwulen Mann kennenlernen und nicht als das verletzte und gemobbte Kind, an das sie sich erinnern. "Sie sagen, es ist ein sehr einsames Leben", sagt seine Mutter mit geschürzten Lippen, während sie ihre Vision von der Zukunft ihres Sohnes neu kalibriert, nachdem er sich ihr gegenüber geoutet hat. "Das sagt man eigentlich nicht mehr", faucht Adam, während er spricht, und ihm wird klar, dass Einsamkeit bisher die einzige Konstante in seinem Leben war.

Das exquisite, feinfühlige Drehbuch adaptierte Haigh aus "Strangers" (1987), einem Roman des japanischen Schriftstellers Taichi Yamada - der zweite Film, der auf dem Buch basierte; der erste war "The Discarnates" von Nobuhiko Obayashi aus dem Jahr 1988. Haigh hat der Geschichte seine eigene Note verliehen. Die Verwendung seines tatsächlichen Elternhauses als Schauplatz für die Szenen zwischen Adam und seinen Eltern unterstreicht offenbar die emotionale Verbindung zwischen dem Regisseur und dem Material. Beim Ansehen fällt einem am stärksten die erschütternde emotionale Wirkung des Films auf, und bald beginnt man, die makellose Kunstfertigkeit des Films voll zu würdigen. Die Art und Weise, wie die Filmmusik von Emilie Levienaise-Farrouch mit dem komplexen Einsatz von Ton harmoniert und ihn ergänzt; die Kunstfertigkeit von Jonathan Alberts‘ flüssigem Schnitt, der den Zuschauer mit den leichtesten Berührungen zwischen parallelen Zeitlinien und einer Stadtlandschaft führt, in der es von koexistierenden Momenten aus Adams Leben wimmelt. Es ist eine bemerkenswerte Leistung - ein rohes und kraftvolles Stück Erzählkunst, das einen am Herzen packt und nicht mehr loslässt.

9/10

Quellen:
Inhaltsangabe
: Disney+ / Fox Searchlight
Poster/ArtworkFox Searchlight

Spieleabend (2024)

https://www.imdb.com/title/tt28301898/

Jan (Dennis Mojen) und Pia (Janina Uhse) sind erst seit wenigen Wochen zusammen und schwer verliebt. Nun möchte sie ihn jedoch endlich ihren besten Freunden Oliver (Axel Stein), Karo (Anna Maria Mühe), Sheila (Taneshia Abt) und Kurt (Max Bretschneider) vorstellen, mit denen sie regelmäßig einen Spieleabend veranstaltet. Das lockere Kennenlernen in einer Villa im noblen Berliner Stadtteil Grunewald entwickelt sich jedoch bald recht chaotisch, was noch schlimmer wird, als plötzlich Pias Ex-Freund Mathias (Stephan Luca) auftaucht. Der fordert Jan nämlich zu einem spielerischen Wettstreit auf, der mit einem nackt ausgetragenen Tischtennismatch beginnt und in einem absoluten Fiasko endet, was das Glück der Frischverliebten auf eine harte Probe stellt.

Eine leichte, seichte, deutsche Gesellschaftskomödie mit sympathischer Besetzung: "Spieleabend", der neue Film von Marco Petry behauptet nie, mehr zu sein als das, was er ist und wartet mit einigen (wenigen) witzigen Szenen und Begebenheiten auf, macht alles in allem nicht viel falsch, bleibt aber oberflächlich und nicht lange im Gedächtnis. Hier ist Stein des Anstoßes eine junge Liebe, die sich in Jan (Dennis Mojen), ein einfach, freundlicher, unbeschwerter junger Mann aus der Arbeiterklasse, der mit seinem besten Kumpel einen Fahrradladen in Neukölln betreibt, und auf der anderen Seite die sympathische und weltoffene Pia (Janina Uhse), die zwar nicht aus einer anderen Welt kommt, aber sich doch ihren besser situierten Freunden aus Grunewald verpflichtet fühlt, wo man über Literatur und Opern debattiert und anspielungsreich miteinander parliert. Es fühlt sich beinahe nach Montagues vs. Capulets an, doch es reicht aus, dass es für Pia ein großer Schritt ist, Jan zu dem regelmäßigen Spieleabend mitzunehmen, zu dem ihre eingefleischte Gemeinde regelmäßig zusammenkommt. Man ahnt, dass ein Hindernisparcours auf Jan zukommen wird, so wunderbar handfest und sympathisch hemdsärmelig und charmant gespielt von Dennis Mojen, der sich zunehmend im falschen Film fühlt und bei der Fülle von Mikroaggressionen, mit denen er sich konfrontiert sieht, nie so recht weiß, wie er reagieren soll, ohne seiner Geliebten, ein souveräner Auftritt von Janina Uhse, vor den Kopf zu stoßen. Ein gut gelaunter Klassenkampf: ein ideales Szenario also, den Helden von einem Fettnäpfchen ins nächste zu jagen: Der natürlich in Beruf und Leben erfolgreiche Ex-Freund von Pia taucht auf, durch ein versehentlich geöffnetes Fenster kann ein seltener Kakadu entkommen, die eine oder andere Enthüllung lässt die vermeintlich heile Welt ins Wanken geraten. Mit Axel Stein und Anna Maria Mühe, die eine Ehekrise durchleben. Taneshia Abt als Verlassene, die nicht realisieren will, dass die Trennung von ihrer Lebensgefährtin endgültig ist, Edin Hasanović, der selbst mühelos jeden Film tragen kann, aber auch in der Rolle des Sidekicks auf Vogeljagd in des Nachbars Garten eine Bank ist. Das ist alles nicht ganz schlecht, aber eben auch kein besonders neuartiger Brüller.

5,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Netflix
Poster/ArtworkNetflix

Sonntag, 18. August 2024

[SERIE] Those About To Die, Season 01

https://www.imdb.com/title/tt10569934/

Im Rom des Jahres 79 n. Chr. hat sich der alternde römische Kaiser Vespasian (Anthony Hopkins) den Thron einst durch seinen Sieg nach einem blutigen, zehn Jahre andauernden Bürgerkrieg hart erkämpft. Doch nun versuchen die Patrizier, ihn mit allen Mitteln durch einen Nachfolger aus ihren eigenen Reihen zu ersetzen. Die römische Bevölkerung kann nur durch zwei Dinge in Schach gehalten werden: kostenloses Essen und spektakuläre Unterhaltung in Form von Wagenrennen und Gladiatorenkämpfen. Im Kolosseum versammeln sich einige der einflussreichsten Personen aus dem gesamten Römischen Reich. Ein Ort, der zur explosiven Schnittstelle wird, an der Sport, Politik und Dynastien aufeinanderprallen und Machtkämpfe ebenso spektakulär und grausam ausgefochten werden wie die Spiele, die dort stattfinden.

https://www.imdb.com/title/tt21400864/
1.1 Rise Or Die (Rise Or Die)
79 n. Chr. - Als die römischen Bürger in ihrer Not nach Lebensmitteln randalieren, fasst Domitian, der jüngste Sohn des Kaisers, einen Plan. Tenax, der Herr der Wettunterwelt, will sich einen Preis sichern, um seine Zukunft zu verändern. Die Brüder Corsi kommen zum Pferdeverkauf nach Rom. In Afrika werden Kwame und seine Schwestern entführt. Ihre Mutter Cala macht sich bereit, sie zurückzuholen. - 7/10

https://www.imdb.com/title/tt28306310/
1.2 Vertraue Niemandem (Trust None)
Tenax und Domitian gründen ihre eigene, Goldene Factio und rekrutieren den bekannten Wagenlenker Scorpus. Die Patrizier Antonia und Marsus versuchen sie zu beseitigen, während Cala Tenax ihre Hilfe im Tausch für die Sicherheit ihrer Töchter anbietet. Kaiser Vespasian muss sich entscheiden, welcher seiner Söhne sein Nachfolger werden soll - Titus, der Soldat, oder Domitian, der Politiker. - 7/10

https://www.imdb.com/title/tt25135540/
1.3 Todespforte (Death's Door)
Die Gladiatoren Kwame und Viggo freunden sich trotz ihrer schicksalhaften Zukunft an. Tenax und Domitians Goldene Factio bieten bei ihrem ersten Wagenrennen eine aufsehenerregende Vorstellung. Die judäische Königin Berenice versucht, Titus von den verräterischen Plänen seines Bruders, den Thron selbst zu besteigen, zu überzeugen. Vespasian wählt seinen Erben. - 7,5/10

https://www.imdb.com/title/tt25135542/
1.4 Eine Narrenwette (Fool's Bet)
Um die Patrizier zu beschwichtigen, löst Titus die Goldene Factio auf, während Scorpus, der Tenax' Plan misstraut, sich der Weißen Factio anschließt. Domitian inszeniert ein grausames Spektakel, um seine Macht zu demonstrieren. Tenax trifft auf Ursus, einen bedrohlichen Mann aus seiner Vergangenheit, der alles gefährdet. - 7/10

https://www.imdb.com/title/tt28306311/
1.5 Verrat (Betrayal)
Um sein Ansehen zu retten und seine Autorität zu festigen, verbannt Titus Berenice öffentlich und heiratet seine Cousine, eine Römerin. Tenax' dunkle Vergangenheit wird aufgedeckt, und seine verzweifelte Jagd nach Ursus fordert Todesopfer. Kwame bereitet sich auf seinen Kampf gegen Flamma vor - ein sicheres Todesurteil. - 7/10

https://www.imdb.com/title/tt28306322/
1.6 Blutsverwandschaft (Blood Relation)
Nach dem Ausbruch des Vesuv zieht ein dunkler Tag über Rom auf. Titus bestraft Marsus und die an einem geplanten Putsch beteiligten Patrizier. Domitian überredet Titus, die Goldene Factio wieder einzusetzen. Tenax wird bei einem Kampf mit Ursus lebensgefährlich verwundet. - 7/10

https://www.imdb.com/title/tt28306323/
1.7 Totenbett (Death's Bed)
Tenax offenbart Cala seine Vergangenheit, während sie seine Wunden versorgt. Scorpus wird immer eifersüchtiger, als die älteren Corsi-Brüder, Andria und Fonsoa, Rennen um Rennen für die Goldene Factio gewinnen. Kwame muss erneut gegen Flamma antreten. Tenax und Cala müssen gemeinsam einen brutalen Angriff von Ursus abwehren. - 7/10

https://www.imdb.com/title/tt28306324/
1.8. Alles auf Sieg (All Or Nothing)
Nach einem verheerenden Unfall auf der Rennbahn beschuldigt Elia Corsi Scorpus, die Tragödie verursacht zu haben. Antonia gestattet Elia, der Blauen Factio beizutreten, um sich zu rächen. - 7/10

https://www.imdb.com/title/tt28306325/
1.9. Die Würfel sind gefallen (The Die Is Cast)
Elia tritt in einem Kopf-an-Kopf-Rennen gegen Scorpus an, während Tenax eine brutale, öffentliche Hinrichtung für die schamlosen Patrizier inszeniert. Cala findet Beweise für Domitians verräterischen Pläne und hintergeht Tenax, um Jula zu retten, während Berenice und Antonia versuchen, die Beweise rechtzeitig Titus zu präsentieren. - 7,5/10

https://www.imdb.com/title/tt28307126/
1.10 Lasst die Spiele beginnen (Let The Games Begin)
Werden Kwame und Viggo bis zum Tod kämpfen, um Jula zu retten? Wird Tenax Cala verschonen? Kann Domitian Titus rechtzeitig davon abhalten, die Wahrheit herauszufinden? - 7/10

Quellen:
Inhaltsangabe: amazon Video
Poster/Artwork: amazon Video

Nineteen Eighty-Four - 1984 (1984)

https://www.imdb.com/title/tt0087803/

Nach einem verheerenden Atomkrieg ist die Welt des Jahres 1984 dreigeteilt. Das Reich Ozeanien befindet sich ständig im Krieg mit Ostasien oder Eurasien und wird von der totalitären "Partei" beherrscht, die unter Führung des omnipräsenten "Großen Bruders" jede Bewegung ihrer Untertanen verfolgt. Gefühle sind verboten, intensive zwischenmenschliche Kontakte strengstens untersagt. Winston Smith (John Hurt) ist Teil dieser tristen, farblosen Welt. Als Mitglied der Äußeren Partei ist er ein treuer Gefolgsmann des "Großen Bruders" und arbeitet für das Ministerium für Wahrheit, wo Zeitungsartikel und Informationen nach den Wünschen der Partei "korrigiert" und umgeschrieben werden. Eines Tages beginnt er jedoch am System zu zweifeln: Winston beginnt ein Tagebuch zu schreiben und findet in der Parteigenossin Julia (Suzanna Hamilton) eine Gleichgesinnte. Obwohl sie sich bemühen, ihre Affäre geheim zu halten, bleibt der Regelverstoß der Gedankenpolizei nicht lange verborgen...

George Orwell machte keinen Hehl daraus, dass sein Roman "1984" nicht wirklich von der Zukunft handelte, sondern von der Zeit, in der er ihn schrieb, nämlich den trostlosen Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als England in Armut und Hunger schwankte. In einem Roman, in dem Leidenschaft als Verbrechen dargestellt wird, wird die größte Leidenschaft nicht für Sex, sondern für geschmuggelte Erdbeermarmelade, Kaffee und Schokolade ausgedrückt. Als Orwell 1948 seinen Roman schrieb, befürchtete er, dass Hitlerismus, Stalinismus, Zentralismus und Konformität die Welt in ein totalitäres Gefangenenlager verwandeln würden. Wenn man sich auf der ganzen Welt umschaut, kann man kaum sagen, dass er sich völlig geirrt hatte.

Michael Radfords Film von Orwells Vision gelingt es gut, die Grenze zwischen der "Zukunftswelt" von 1984 und der düsteren Nachkriegswelt, in der Orwell schrieb, zu ziehen. Das Jahr 1984 des Films ist wie ein Jahr, das man durch eine Zeitschleife erreicht hat, eine alternative Realität, die aus alten Radioröhren und zertrümmerten Büromöbeln konstruiert zu sein scheint. In diesem Film gibt es keine einzige Requisite, die man nicht auch auf einem Schrottplatz kaufen könnte, und doch ist das visuelle Ergebnis unheimlich: Orwells Held Winston Smith lebt in einer Welt der grimmigen und erdrückenden Unmenschlichkeit, der zerbombten Fabriken, der von Ungeziefer befallenen Schlafzimmer und der Bürger, die verzweifelt nach den einfachsten Freuden suchen. Der Film beginnt damit, dass Smith die Geschichte neu schreibt: Seine Aufgabe ist es, veraltete Regierungsdokumente so zu ändern, dass sie die aktuelle Realität widerspiegeln. Er streicht methodisch alte Schlagzeilen aus, vernichtet die Fotos neu geschaffener "Unpersonen" und nimmt an Massenkundgebungen teil, bei denen sich die Anbetung des Großen Bruders mit betäubenden Berichten über den endlosen Weltkrieg abwechselt, der immer noch irgendwo im Gange ist und in den irgendjemand verwickelt ist. In Smiths Welt tritt ein Mädchen, Julia, die ihm einen Brief von betäubender Kraft zusteckt. Der Brief lautet: "Ich liebe dich." Smith und Julia werden Revolutionäre, indem sie Liebe machen, durch die Landschaft spazieren und Erdbeermarmelade essen. Dann wird Smith in das Büro von O'Brien gerufen, einem hohen Funktionär der "inneren Partei", der ebenfalls ein Revolutionär zu sein scheint, und übergibt ihm die verbotenen Schriften eines Staatsfeindes.

Diese Geschichte ist natürlich wohlbekannt. "1984" ist wohl einer der meistgelesenen Romane unserer Zeit. Bemerkenswert an dem Film ist, wie sehr er seiner Buchvorlage treu bleibt: der Film sieht aus, fühlt sich an und schmeckt und riecht fast wie Orwells düstere und wütende Vision. John Hurt ist mit seinem dürren Körper und seinem faltigen und müden Gesicht der perfekte Winston Smith und Richard Burton, der in diesem Film so alt und müde aussieht, dass es kein Wunder ist, dass er kurz nach der Fertigstellung starb, ist der immens zynische O'Brien, der sich den Menschen nur dann nahe fühlt, wenn er sie foltert. Suzanna Hamilton ist Julia, eine wilde kleine Kriegswaise, deren Rebellion im Wesentlichen von ihrem Hunger inspiriert ist. Radfords Stil im Film ist ein interessantes Experiment. Wie Chaplin in "Moderne Zeiten" verwendet er Dialogpassagen, die nicht verstanden werden sollen - unsinnige Wörter und Sätze, die verstümmelt über Big Brothers primitives Fernsehen übertragen werden und denen man dennoch nicht mehr oder weniger aufmerksam zuhört als den Botschaften, die etwas aussagen. Die Verfilmung von Orwells Roman aus dem Jahr 1954 machte daraus eine warnende, vereinfachte Science-Fiction-Geschichte. Diese Version dringt viel tiefer in das Herz der Finsternis des Romans ein. Sehr faszinierend.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Umbrella-Rosenblum Films Production/Virgin
Poster/ArtworkCapelight

Freitag, 16. August 2024

Men - Men: Was dich sucht, wird dich finden (2022)

https://www.imdb.com/title/tt13841850/

Nachdem sie ein persönliches Drama erlebt hat, beschließt Harper (Jessie Buckley), sich eine Auszeit zu nehmen. Sie mietet sich ein luxuriöses Cottage auf dem Land und hofft, in der Beschaulichkeit des englischen Dörfchens und der umliegenden Wälder Ruhe zu finden. Doch bald kommt es zu sonderbaren Begegnungen mit den Dorfbewohnern. Über ihren schrulligen Vermieter Geoffrey (Rory Kinnear) kann Harper zunächst noch lachen. Aber als sie bei einem Waldspaziergang auf einen nackten Mann trifft, der sie zu verfolgen scheint, und später dann auch noch vom örtlichen Vikar in ein äußerst unangenehmes Gespräch verwickelt wird, beginnt sie sich zu fragen, ob mit dem Ort etwas nicht stimmt. Die Situation wird zunehmend bedrohlicher und der Ausflug ins vermeintliche Paradies entwickelt sich für Harper zu einem absoluten Alptraum, in den sich die Erinnerungen an ihre persönliche Tragödie mischen und aus dem es kein Entkommen zu geben scheint...

"Men" ist ein Phänomen. Und er hat seine Momente, die ihn zu den besten Thrillern zählen lassen könnten. Der Zuschauer schwankt zwischen purerem Entsetzen, Verständnislosigkeit und ersticktem Lachen. Wie auch immer die Reaktion auf die neueste, sorgfältig gemachte Gedankenverwirrung des Drehbuchautors und Regisseurs Alex Garland sein mag, Gleichgültigkeit wird es nicht sein. Dies ist eine gefühlsbetonte Erfahrung und sie unterstreicht Garlands einzigartiges Können als Künstler unauslöschlicher Bilder und fesselnder Stimmungen. Wie in seinen vorherigen Filmen "Ex Machina" und "Auslöschung" erzeugt er bereits früh im Film ein Gefühl des Unbehagens, beinahe Angst und hält den Zuschauer für einen Großteil des Films unerbittlich darin gefangen. Das methodische Tempo, die unheimliche Kinematographie, das verblüffende Sounddesign und die lebendigen visuellen Effekte wirken alle in Synergie, um eine fast gnadenlose Spannung zu erzeugen. Aber dann erreicht "Men" seinen wilden, kraftvollen Höhepunkt - und an der Stelle bricht alles letztendlich auseinander.

"Men" ist am eindrucksvollsten als eindringliche Erkundung der Trauer, während es einen mühsamen Weg zur Heilung beschreitet. Die englische Landschaft, in der die Heldin nach einem schrecklichen Verlust Zuflucht sucht, wirkt friedlich und einladend. Die üppigen Wälder sind ruhig und kühl, wie so oft in Garlands Filmen - bis sie es nicht mehr sind. Das herrschaftliche Herrenhaus, das sie gemietet hat, bietet weit mehr Platz, als sie braucht - bis sie sich nirgendwo mehr verstecken kann. Jessie Buckley navigiert durch die vielen Gefahren, die ihre Figur Harper erwarten, mit einem Unbehagen, das schließlich zu Angst wird. Ihre Gefühle sind alle an der Oberfläche und sie zieht den Zuschauer mit sich, während sie um ihre geistige Gesundheit und ihre Sicherheit kämpft. Ihre Darstellung ist von einer Ehrlichkeit und Unmittelbarkeit geprägt, die einen fesseln, auch wenn "Men" zunehmend unkonzentriert wird. Harper ist in dieses idyllische Dorf geflohen, nachdem sie eine schwere Tragödie erlebt hat, die wir zu Beginn des Films in faszinierender Zeitlupe unter orangefarbenem, stürmischem Himmel miterleben. Aber obwohl sie vier Stunden von ihrem Zuhause in London entfernt gefahren ist, dauert es nicht lange, bis sie merkt, dass sie sich in den Mittelpunkt eines anderen Traumas begeben hat. Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Ort, mit diesen Leuten, die alle zufällig Männer sind. Ein bestimmter Mann, um genau zu sein, in verschiedenen Formen. Er ist der Hausmeister, der Pfarrer, der Barkeeper, der Polizist und in seinen verstörendsten Form ein nackte Stalker und der mürrische Teenager. (Die CGI-Gesichtsgestaltung dieses Jungen scheint absichtlich unvollkommen zu sein, um ihn noch abstoßender als den Rest zu machen.) Er ist Rory Kinnear, ein langjähriger Charakterdarsteller, der seine beeindruckende Vielseitigkeit in einer breiten Palette von Rollen unter Beweis stellt. Durch Haar- und Make-up-Effekte kann er jede neue Rolle ganz individuell annehmen, behält aber immer eine unverkennbar bedrohliche Ausstrahlung. Denn egal, wer dieser Typ ist, er enttäuscht sie immer wieder - oder schlimmer. Ob es eine Abfuhr oder eine sexistische Beleidigung, eine passiv-aggressive Bemerkung oder ein offen aggressiver Angriff ist, er kommt einfach immer wieder, und jede Inkarnation ist gefährlicher als die vorherige. Wie Harper mit dem Ansturm umgeht, wird zu ihrer persönlichen Hölle - und zu der des Zuschauers.

In "Men" überschreitet Garland erneut eine Grenze, an der klar wird, dass wir die Realität völlig verlassen haben. Eine Zeit lang ist es möglich, dass Harper einfach nur paranoid ist, wie in einer ruhigen, kraftvollen Szene, in der sie ihre Stimme spielerisch durch einen leeren Tunnel hallt, nur um festzustellen, dass dieser vielleicht doch nicht leer ist. Doch mit der Zeit befinden wir uns in einer Zone voll ausgeprägter Halluzinationen, und zwar auf blendende Weise. "Men" summt und steigert sich zu einer Raserei auf eine Weise, die an Darren Aronofskys "Mother!" erinnert. In Zusammenarbeit mit seinem üblichen Kameramann Rob Hardy und den Komponisten Geoff Barrow und Ben Salisbury sowie dem Editor Jake Roberts schafft Garland eine Symphonie kontrollierten Chaos. Und doch sind die Themen, die Garland untersucht, etwas verschwommener, obwohl die technische Exzellenz des Films außer Frage steht. Was will er über die Prüfungen sagen, die Frauen im Patriarchat ertragen müssen? Er führt früh und oft biblische Bilder ein: Harper pflückt buchstäblich einen Apfel von einem Baum im Garten und beißt hinein, als sie im Herrenhaus ankommt. Will er damit andeuten, dass sich in über 2.000 Jahren der Beziehungen zwischen Mann und Frau nichts geändert hat? Später fügt er noch einige rituelle heidnische Bilder ein, um uns klarzumachen, dass man zumindest einen altmodischen britischen Folk-Horror der 70er Jahre sieht. Und wie hängt das alles mit dem schockierenden, drastischen und geradezu bizarren Schluss des Films zusammen? Hätte man diese Ideen schärfer in den Fokus gerückt, hätten sie viel mehr Kraft gehabt. Stattdessen mäandern und wuchern sie, bleiben faszinierend, aber quälend unerreichbar. Dennoch ist dies der Stoff, aus dem Albträume sind, und Garland zeigt Ihnen hier Dinge, die man nie wieder vergessen wird - aber man kann herrlich bei einem Getränke darüber mit einem Freund sprechen. 

7,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Koch Films
Poster/ArtworkDNA Films

Donnerstag, 15. August 2024

Control (2022)

https://www.imdb.com/title/tt14036276/

Die junge Mutter Eileen (Sara Mitich) erwacht mit lückenhaften Erinnerungen in einem kleinen Raum, den sie nicht verlassen kann. Eine rätselhafte Stimme stellt hier schon bald eine Reihe von merkwürdigen Aufgaben, die nach und nach schwieriger werden. Meistert sie diese nicht, wird ihre kleine Tochter Eve (Evie Loiselle) getötet. Die Herausforderungen bringen Eileen schon bald an ihre Grenzen. Doch scheinen damit allmählich auch erstaunliche Kräfte in ihr zu erwachen...

"Bewegen Sie den Stift!" Der Bleistift liegt auf einem Tisch auf der anderen Seite des Raums. Eileen (Sara Mitich) sitzt auf dem Stuhl, auf dem sie gerade wieder zu Bewusstsein gekommen ist, nachdem sie einen Traum hatte, in dem sie mit ihrer Tochter an einem Sandstrand war. Sie ist völlig desorientiert. Als sie sich umsieht, kann sie erkennen, dass der Raum seltsam bedeckte Wände hat, keine Fenster und keine Tür. Die Stimme kommt aus einem Lautsprecher an der Decke. An der Wand hinter dem Tisch hängt ein Bildschirm, auf dem kleine Quadrate langsam ihre Farbe ändern. Sie kann sich nicht erinnern, wie sie hierhergekommen ist. Der Bleistift ist das Letzte, woran sie denkt. "Wenn Sie die Aufgabe nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit erledigen", sagt die Stimme im gleichen leichten monotonen Tonfall einer computergenerierten Stimme, "wird Ihre Tochter sterben." Was geht hier vor? Es ist offensichtlich, dass niemand seine Tochter wirklich wegen eines Bleistifts umbringen und dabei sein größtes Verhandlungsargument wegwerfen würde, aber es ist für Eltern schwierig, unter einem solchen Druck logisch zu denken, ganz zu schweigen davon, wenn sie bereits Angst und Verwirrung verspüren. Als sie natürlich nachgibt, aufsteht und den Bleistift bewegt, stellt sich heraus, dass dies nur die erste einer langen Reihe von Aufgaben ist und die anderen viel schwieriger sein werden.

Die Schwierigkeit bei dieser Art von Aufbau besteht darin, einen Weg zu finden, der verhindert, dass das Publikum so frustriert wird wie die Hauptfigur, aber dennoch einen ausreichend festen Griff behält. Es gibt zwei Möglichkeiten, dies zu tun: durch das Hinzufügen weiterer Handlungsebenen oder durch die Entwicklung der Geschichte auf thematischer Ebene. "Control" ist bei ersterem nicht erfolgreicher als gerade noch durchschnittlich, da der Film nicht in der Lage ist, den Gang zu wechseln und seiner eigenen Falle zu entkommen, sondern sich stattdessen auf allzu vorhersehbare Wendungen verlässt. In letzterem Bereich hat der Film jedoch mehr zu bieten und erleichtert dies durch die Einführung einer zweiten Figur. Roger (George Tchortov) behauptet, Eileens Ehemann zu sein, und ihre Erinnerungsfragmente scheinen dies zu bestätigen, aber die Beziehungen zwischen ihnen sind nicht gerade familiär. Wenn es einen Grund für Eileens Situation gibt, dann scheint es damit zu tun zu haben, dass sie darin trainiert wird, latente übersinnliche Kräfte zu entwickeln. Regisseur James Mark hat jedoch klar erkannt, dass es langweilig werden kann, jemandem dabei zuzusehen, wie er solche Fähigkeiten ausübt, insbesondere wenn keine festgelegten Grenzen festgelegt sind. Diese Geschichte ist sorgfältig strukturiert, sodass sie den Zuschauern auch Rätsel zum Lösen bietet, während Eileen und Roger versuchen, alternative Herangehensweisen an Aufgaben zu finden, die unmöglich erscheinen. Währenddessen streiten und beschuldigen sie sich gegenseitig, und es ist verstörend zu sehen, wie leicht diese Wortwechsel sie überfordern, bis zu dem Punkt, an dem ihre Tochter fast vergessen ist. Es gibt hier einige kluge Ideen, die dazu beitragen, den Film interessant zu halten, auch wenn sie ihr Potenzial ungefähr nach 30 Minuten links liegen lassen und sich auf nur allzu banale und altbackene Dinge konzentrieren. Anfangs ganz interessant, gegen Ende sehr vorhersehbar und daher langweilig.

4/10

Quellen
Inhaltsangabe: amazon Video
Poster/ArtworkHigh Star Entertainment/Kemodo Entertainment

Mittwoch, 14. August 2024

[KINO] Alien: Romulus (2024)

https://www.imdb.com/title/tt18412256/

Eine Gruppe junger Abenteurerinnen und Abenteurer, die das Weltall nach allem durchsuchen, was man mitnehmen und vielleicht zu Geld machen kann, glaubt, den Jackpot getroffen zu haben. Rain (Cailee Spaeny), Andy (David Jonsson), Tyler (Archie Renaux), Kay (Isabela Merced), Bjorn (Spike Fearn) und Navarro (Aileen Wu) sind auf eine scheinbar völlig verlassene Station im All gestoßen, die offenbar reich an wertvollen Schätzen ist. Doch sie ahnen nicht, was sich dort wirklich herumtreibt und dafür verantwortlich ist, dass keine Menschenseele hier mehr am Leben ist. Schon sehr bald werden sie Bekanntschaft mit der gefährlichsten und furchteinflößendsten Kreatur machen, die es im ganzen Universum gibt...

Es ist so sehr, sehr lange her, seit wir die Chance hatten, einen wirklich großartigen Alien-Film zu erleben, so lange, dass man leicht vergisst, wie er sich eigentlich anfühlt. Das schleichende Gefühl der Angst, der eklige Body-Horror, die Angst vor dem Unbekannten. Von allen Horrorerlebnissen übertrifft doch eigentlich nichts die Vorstellung, mit etwas Unbekanntem im Weltraum festzusitzen, das in einem eindringt und den Körper des Wirts als Brutkasten für seinen Nachwuchs nutzt, der dann auch noch mit einer tödlichen Explosion aus Fleisch und Blut aus dem Wirtskörper herausbricht. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, stellt das Exterminieren dieser großen Viecher auch noch vor eine Herausforderung, denn das Säure-artige Blut frisst sich durch alles, was mit ihm in Berührung kommt. Leider haben eine Reihe schlechter Fortsetzungen und überambitionierter Spin-offs von Ridley Scotts Originalfilm "Alien" von 1979 und seiner bombastischen Fortsetzung "Aliens" von 1986 von James Cameron haben das Franchise im Laufe der Zeit zu einem weiteren Science-Fiction-Verlierer degradiert.

Auftritt des uruguayischen Filmemachers Fede Alvarez, der dank seines wirkungsvollen "Evil Dead"-Remakes von 2013 und des schaurigen und spannenden "Don't Breathe" von 2016 bereits seit geraumer Zeit als aufstrebender Horrorfilm-Spezialist gilt. Ohne zu viel zu verraten, ist klar, dass dieser Film nicht weiter von den bedeutungsvollen, prätentiösen Prequel-Filmen "Prometheus" und "Alien: Covenant" entfernt sein könnte, mit ihrer gemeinsamen Entschlossenheit, langsam alle finsteren Details des "Alien"-Universums zu entdecken. "Alien: Romulus" spielt etwa zwei Jahrzehnte nach "Alien", also etwa 40 Jahre vor "Aliens". Alvarez schwärmte auf einer Pressekonferenz davon, Mitglieder des ursprünglichen Stan Winston-Teams zurückzubringen, das an "Alien" und "Aliens" gearbeitet hatte, sprach über den Einsatz von Animatronik und Miniaturen, um ein Gefühl von altmodischem Realismus zu erzeugen, und gab zu, dass er keine Angst hatte, sich selbst die Hände schmutzig zu machen. "Alien: Romulus" fühlt sich auch nicht wie ein Möchtegern-Blockbuster mit großem Budget an, der in ein paar Jahren in die Bedeutungslosigkeit abdriften wird. In dieser Welt des endlosen Franchise-Aufbaus - man sollte im Hinterkopf behalten, dass in Kürze Noah Hawleys "Alien"-Fernsehserie in die heimischen Wohnzimmer gestreamt werden kann - könnte es am Ende doch erfrischend sein, einen Alien-Film zu finden, der in seiner eigenen Entschlossenheit schwelgt. Und genau das macht "Alien: Romulus".

Von oben bis unten zeigt "Alien: Romulus" ein beispielhaftes Produktionsdesign, das zwar auf das anspielt, was in den in der Zukunft spielenden "Aliens" kommen wird, aber viel mehr den totemähnlichen Texturen von Ridley Scotts Originalfilm verdankt. Der industrielle Futurismus von Michael Seymours Originalsets wird in der defekten Renaissance-Station, die in die Segmente "Romulus" und "Remus" aufgeteilt ist, wunderbar nachgeahmt, die durch rote Warnlichter und Schwarztöne von H.R. Gigers Xenomorphologie gefärbt ist, während sie sich so bedrohlich wie eh und je in diese Ästhetik einfügen und teilweise bedrohlich an Videospiele wie "Doom" oder "Dead Space" erinnern. "Alien: Romulus" stellt auch die unbestreitbar stimmigste Mischung aus computergenerierten und praktischen Techniken des Franchises dar, die eingesetzt werden, um seine Schauplätze, Kreaturen und Verletzungseffekte zum Leben zu erwecken. Es heißt, dass die beste Computergrafik die ist, die man nicht bemerkt, und das Team hat hier eine weitgehend nahtlose Mischung all dieser Elemente erreicht. Die Ironie dabei ist, dass ich mir sofort selbst widersprechen muss: Es gibt ein paar Stellen, wo die CGI deutlich unangemessen wirken - eine wirklich schauderhaftes Wiedersehen mit einer alten Figur, deren CGI aber wirklich nicht gut ist und man sich fragen darf, warum das in der Post-Produktion nicht auffiel und ein dritter Akt, in dem man sehr deutlich merkt, wenn Álvarez zu Nahaufnahmen von Xenomorph-Köpfen schneidet, die in Stücke gesprengt werden. Aber diese Momente oder die Stellen, an denen man sieht, wie eine Miniatur verwendet wird, erinnern ebenso sehr an die ersten beiden Filme der Reihe wie jeder ikonische One-Liner oder jede nachgestellte Einstellung.

Álvarez lässt "Alien: Romulus" im ersten Akt atmen und nimmt sich Zeit, die zentrale Beziehung zwischen Rain (Cailee Spaeny) und dem Androiden Andy (Daniel Jonsson) zu etablieren, die als Geschwister in Schuldknechtschaft auf Weyland-Yutanis Jackson’s Star-Kolonie leben. Rain und Andy wollen unbedingt der ewig sonnenlosen Düsternis der Kolonie entkommen - die Álvarez als metallene Höllenlandschaft darstellt - und treffen sich wieder mit ihren alten Plünderer-Kumpels, der Besatzung der Corbelan IV. Rains einfallsreiche Natur und ihr Beschützerinstinkt gegenüber ihrem synthetischen Bruder ziehen das Publikum schnell auf ihre Seite, und als Darstellerin leistet Spaeny großartige Arbeit, indem sie Rain glaubhaft in den Horror eines jungen Erwachsenen einbettet, der seinen ersten Ausflug in die große, furchteinflößende Welt unternimmt und feststellt, dass sie schlimmer ist, als er es sich hätte vorstellen können. Rain ist stark lösungsorientiert, was ihr im Verlauf des Films viele Heldenmomente beschert, aber das Drehbuch von Álvarez und Co-Autor Rodo Sayagues lässt ihr nicht viel Raum, sich im Laufe des Films zu ändern oder zumindest hervorzuheben, was sie überhaupt so widerstandsfähig macht. Jonsson muss in seiner Darstellung die schwierigste Gratwanderung bewältigen, indem er ständig kindliches Zögern mit kalter Effizienz ausbalanciert und zusammenträgt, welche Informationen er anbieten und welchen seiner grundlegenden Anweisungen er folgen soll. Aber Jonsson trifft den Kern von Andy gut, sobald dieser Konflikt zentral für die Handlung wird. Die damit einhergehenden unvorhersehbaren Veränderungen in Andys Persönlichkeit dienen nicht nur dazu, die Spannung zu steigern, sondern auch als Spiegel, in dem sich die menschlichen Charaktere selbst sehen.

Was die Crew der Corbelan betrifft - die Geschwister Tyler (Archie Renaux) und Kay (Isabela Merced) sowie Bjorn (Spike Fearn) und Navarro (Aileen Wu) -, verwenden Álvarez und Sayagues Archetypen, die Fans sofort vertraut sein werden. Während zahlreiche Filme des Franchise mit Slasher-Konventionen flirten, verpflichtet sich "Alien: Romulus" stärker als je zuvor zur typischen Struktur des Subgenres. Durch diese Struktur kann das Publikum der Handlung gelegentlich vorauseilen, doch Álvarez lässt genügend Überraschungen aufkommen und führt den Zuschauer in die Irre, um das auszugleichen. Álvarez etabliert das Ensemble sparsam, insbesondere während Corbelans Reise in die Renaissance, wo Schnitte zu jeder Figur zeigen, wie sie in Stresssituationen reagiert, und diese Archetypen verstärken. Kay bekommt das persönlichste Material, verbringt einen Großteil des Films getrennt von der Hauptgruppe und versucht, auf zunehmend schreckliche Weise aufzuholen. Während diese Schnitte als eigene kleine Alien-Story gut funktionieren, sollte beachtet werden, dass sie, wenn sie im zweiten Akt auftauchen, den Fokus ein wenig zersplittern und zu "Alien: Romulus"' einzigen echten Tempoproblemen führen. Das heißt jedoch nicht, dass die Art und Weise, wie diese Zeit verbracht wird, keinen Nutzen hat: Kays Plan ist komplizierter als der ihrer Freunde, was nicht nur die Tür seiner unverschämtester Themenarbeit öffnet (deren Natur hier nicht gespoilert wird), sondern auch für späte Wendungen, die den kühnen und unerträglich angespannten Showdown des Films einleiten.

"Alien: Romulus" scheut sich selten davor, seine Vorgänger zu feiern, meist im Guten, aber in einem bedeutenden Fall definitiv im Schlechten. Álvarez versteht genau, wie und wann er die ikonischsten Bilder von Alien einsetzen muss. Obwohl die anfängliche Erkundung der verlassenen Renaissance durch die Plünderer eine ruhige, angespannte Angelegenheit ist, kann man unter der Oberfläche spüren, wie Álvarez‘ Hand den Raum einrichtet wie ein Kind, das einem mit einem Mal alle seine Spielzeuge vorführt, bevor es sich entscheidet, welches es zuerst mit einem teilen möchte. Kanalsysteme, Luftschleusen, Elektroschockstäbe, Bewegungssensoren, ein toter Kunststoff, vielleicht hier und da die eine oder andere Änderung von Flammen- zu Gefrierschleuder. Aber Álvarez verbringt nicht zu viel Zeit damit, diese leblosen Objekte zu fetischisieren; sie sind rein funktional und haben daher nicht das Gefühl, dass sie die Grenze zum Fanservice um des Fanservices willen überschreiten.

"Alien: Romulus" findet sogar Zeit, um Elemente des hervorragenden Spiels "Alien: Isolation" einzubauen. Ob es nun die Registrierungspunkte sind, die Álvarez einsetzt oder die Leuchtraketen, die zu cleveren praktischen und defensiven Zwecken eingesetzt werden, ein Ethos, das den ganzen Film vorantreibt und seine schockierendsten erzählerischen Wendungen freisetzt. Natürlich bringt "Alien: Romulus" auch seine eigenen neuen Spielzeuge und Tricks mit, von denen der bedeutendste die Schwerelosigkeit ist. Es ist verblüffend, wenn man bedenkt, dass das Franchise die Schwerelosigkeit in der Vergangenheit nicht wirklich stärker genutzt hat, und sie wird hier gut eingesetzt, nicht nur um einige Begegnungen mit Xenomorphs aufzupeppen, sondern auch wiederholt als tickendes Hindernis, das die Plünderer aufgrund des nicht funktionierenden Schwerkraftantriebs der Renaissance umgehen müssen. Und doch kann "Alien: Romulus", wie es Weyland-Yutani bekannt ist, einige Ideen nicht aufgeben, die auf den ersten Blick ein unschönes Ende zu nehmen scheinen. "Alien: Romulus" beschwört die genetische Spielkarte herauf, die in diesen Filmen immer Unheil bedeutet, und ist eine schlanke, gemeine, chimäre Schönheit. Fede Álvarez beweist, dass sein "Evil Dead"-Remake kein Zufall war: Der Regisseur greift nahtlos die erzählerischen und ästhetischen Eckpfeiler der Reihe auf und führt sie zu atemberaubenden Enden. "Alien: Romulus" biegt tempomäßig gelegentlich in eine Sackgasse ab - und leider ist seine kühnste Brücke in die Vergangenheit der Reihe extrem wackelig - aber diese Fehltritte sind verzeihlich, wenn man bedenkt, wie selbstbewusst und umsichtig Álvarez sie an anderer Stelle handhabt. Unterstützt von einem talentierten Ensemble junger Schauspieler und einem Produktionsdesign in Referenzqualität, bringt "Alien: Romulus"' Back-to-Basics-Ansatz zum Blockbuster-Horror alles, was die Fans an der klanglich fließenden Reihe lieben. Nun muss man sich für "Alien" und "Aliens" am Stück mehr Zeit nehmen, denn "Alien: Romulus" passt perfekt dazwischen..

8/10

Quellen:
Inhaltsangabe: Twentieth Century Studios
Poster/ArtworkTwentieth Century Fox/Disney