Samstag, 9. April 2022

[KINO FFFnights] Luzifer (2021)

https://www.imdb.com/title/tt8174628/

Johannes (Franz Rogowski) ist ein erwachsener Mann mit dem Verstand eines Kindes, der mit seiner strenggläubigen Mutter Maria und einem Adler in einer abgeschiedenen Almhütte lebt. Der Alltag in deren kleinen, abgeschotteten Welt wird von Ritualen und Gebeten bestimmt. Nachdem eines Tages ihr gepachteter Grund touristisch erschlossen werden soll, beginnt eine Kette von unheilvollen Ereignissen ihren Lauf zu nehmen. Unklar ist für Johannes, wer hinter diesen steckt. Ist es die Mutter, der Erbe oder gar der Teufel? Ein Exorzismus, der den Glauben von Johannes auf die Probe stellt, soll Antwort geben...

"Wer ist der Teufel?" - das fragt "Luzifer" immer und immer wieder. Sind es die Menschen? Die Natur? Der Fortschritt? Peter Brunner jedenfalls scheint mit seinem neuesten Spielfilm daran erinnern zu wollen, dass unsere Gesellschaft uns zwar zu einem an Zynismus grenzenden Pragmatismus führt, dass aber die beunruhigende und revolutionäre Mystik der Natur uns in den wilden, unberührten, vor-zivilisierten Zustand zurückführen kann. Es steht jedem frei, diese Kraft der Verderbnis und der Erlösung so zu interpretieren, wie er es für richtig hält; wichtig ist, sich ihr zu stellen, ihr ein Gesicht zu geben, um sie von dem Etikett zu befreien, das sie als rein negativ einstuft. Johannes' Mutter hat sich ihr persönliches Paradies aufgebaut, das sie mit aller Kraft gegen eine böse Macht verteidigt, die für den Kapitalismus steht: Männer ohne Skrupel, die den Berg in ein weiteres Skigebiet verwandeln wollen.

"Luzifer" wird nicht zur Renaissance des Folk-Horror-Genres ("Midsommar", "The VVitch" u.ä.) gehören, schon weil er den Begriff der Gemeinschaft fast von vornherein verdrängt; selbst die Helfer der Hauptfiguren können nur manchmal einen Blick auf das normale Leben bieten (vor allem in der erotischen Szene von Johannes, in der sich seine eigene mütterliche Erfahrung spiegelt). Die alpine Kulisse (begleitet von der geheimnisvollen Musik von Tim Hacker) hilft dem Film zu atmen und den Eindruck eines äußeren Plateaus zu vermitteln, in dem ständig ein Kampf vermutet wird - obwohl er nie ganz realisiert wird. Was in "Luzifer" beängstigend ist, spielt sich innerhalb der vier Wände der Hütte ab. Die Natur wird (ähnlich wie in "Gaia") zu einer Art Gottheit, die in der Lage ist, die Seelen der ahnungslosen Sünder zu läutern, die Opfer einer brutalen Gesellschaft sind, die sie zu Marionetten gemacht und sie ihres freien Willens beraubt hat. Natur, Religion und Kultur scheinen in einem ständigen Kampf ums Überleben aufeinander zu prallen. Brunner wechselt unter Peter Flinckenbergs brillanter Kameraführung mühelos von einer kraftvollen Einstellung zur nächsten, lediglich ein verlangsamtes Tempo lässt den Film im zweiten Akt manchmal in der Luft hängen. Gleichzeitig ist in "Luzifer" das Gefühl der Verlassenheit eines Kindes, das von Anfang an nicht so behandelt werden sollte, noch deutlich spürbar; der dritte Akt ist nur die natürliche Folge davon.

Die Schauspieler, eine bunte Mischung aus Profis und Laien, verleihen dem Film eine zusätzliche Portion Realismus und Poesie. Besonders berührend ist Susanne Jensen als Pastorin und Missbrauchsüberlebende, die sich dank der komplexen und intensiven Rolle von Johannes' Mutter mutig ihrer Vergangenheit stellt. "Luzifer" ist ein extremer und anspruchsvoller (und manchmal sogar unerträglicher) Film, der den Zuschauer auffordert, sich seiner unsagbaren Zerbrechlichkeit zu stellen. Mit einigen schockierenden Szenen (die aber zum Thema passen) schafft "Luzifer" eine Welt geballter Energie, die man nicht besuchen möchte - und doch fühlt man sich irgendwie gezwungen, es zu tun.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Wikipedia

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