Samstag, 9. April 2022

[KINO FFFnights] She Will (2021)

https://www.imdb.com/title/tt9340916/

Der Film erzählt die Geschichte von Veronica Ghent (Alice Krige), die nach einer doppelten Mastektomie (die Entfernung der ganzen Brust) mit ihrer jungen Krankenschwester Desi (Kota Eberhardt) zu einem Heilungsaufenthalt in das ländliche Schottland fährt. Sie erfährt, dass der nachgelagerte Prozess einer solchen Operation Fragen über ihre eigene Existenz aufwirft, was dazu führt, dass sie beginnt, vergangene Traumata zu hinterfragen und zu verarbeiten. Die beiden Frauen entwickeln währenddessen eine unerwartete Verbindung, während mysteriöse Kräfte Veronica die Macht geben, in ihren Träumen Rache zu üben...

Die schlimmsten Narben sind eben nicht die, die man sich durch einen Sturz von einem Baum, eine Schusseligkeit oder eben wie hier durch eine Operation in Form einer Mastektomie holt, sondern die, die tief in der Psyche des Einzelnen verwurzelt sind, vergaben und im Grunde längst vergessen. Diese Narben werden zum überraschend nachhallenden Dilemma im Herzen von Charlotte Colberts spirituellem Horror-Drama-Debüt "She Will". "She Will" mag nicht besonders furchterregend sein, aber als eine hervorragend gestaltete, thematisch reiche Fabel verabreicht sie eine starke Dosis #MeToo-Rache, während sie einen unterschwelligen bösen Sinn für Humor gekonnt ausspielt. 

Alice Krige spielt den alternden Filmstar Veronica Ghent, die von der jungen Krankenschwester Desi (Kota Eberhardt) betreut wird. Zunächst fokussiert sich die Sympathie des Zuschauers auch auf Desi, die geduldig mit den Augen unbemerkt von ihr rollt, wenn sie auf die quengelige, gebieterische Eiseskälte der älteren Frau reagiert. Veronica, die bereits in jungen Jahren berühmt wurde, als sie die Hauptrolle in einem Film des berühmten Autors Eric Hathbourne (ein perfekt besetzter, aber mit sehr wenig Screentime ausgestatteter Malcolm McDowell) spielte, hat sich zur Erholung von Ihrer OP in einem abgelegenen schottischen Kurort eingemietet. Doch als die beiden dort ankommen, stellen sie fest, dass sie zwar ein "rustikales" kleines Häuschen in einiger Entfernung vom Haupthaus im Wald für sich allein haben, aber nicht die einzigen Gäste sind. Angeführt wird die Truppe selbstverbessernder Bewohner von Tirador (Rupert Everett), einem neureichen Guru, der Yogakurse und therapeutische Zeichensitzungen mit Holzkohle aus den dort angesiedelten Kohleminen anbietet. Er behauptet zudem, dass die Holzkohle aufgrund ihrer hohen Konzentration an menschlichen Aschepartikeln besonders kreativ ist: Der Zufluchtsort befindet sich auch noch auf dem Gelände einer historischen, oder eher folkloristischen, Hexenverbrennungsstätte vor einigen Jahrhunderten, deren geisterhafte Erinnerungen nach und nach in Veronicas Träume einzudringen beginnen. Doch anstatt sich von den aufblitzenden Bildern junger Frauen in eisernen Fesseln, die zu behelfsmäßigen Scheiterhaufen gebracht werden, terrorisieren zu lassen, schöpft Veronica aus ihnen eine unheimliche Kraft und schon bald zeigt sich die tiefe Melancholie, die sich hinter ihrer glatten Fassade verbirgt.

Ein Teil dieser Traurigkeit ist die Paranoia über den Alterungsprozess im Allgemeinen und ein Teil über ihre Brustentfernung, die sie als Symbol für den Verlust der Weiblichkeit ansieht - dies sind sehr glaubwürdige Ängste, besonders für eine Schauspielerin, die früher für ihre Schönheit gefeiert wurde. "Androgynie", seufzt sie bitter und vergleicht ihr eigenes Spiegelbild mit dem der sorglos schönen Desi, "so attraktiv in der Jugend und so abstoßend im Alter". In der Zwischenzeit wird landesweit nach einem neuen Gesicht gesucht, welches ihre Rolle in der Neuverfilmung des Films spielen soll, der sie berühmt gemacht hat - ein Film, bei dem Hathbourne natürlich erneut selbst Regie führt. 

Und damit ist die Prämisse erfüllt: Weibliche Genies verblühen, verwelken und werden ersetzt; ihre missbrauchenden, ausbeuterischen männlichen Gegenparts gewinnen mit zunehmendem Alter einfach mehr Bewunderung, Respekt und Macht. Colbert und Co-Autorin Kitty Percy haben viel - vielleicht ein wenig zu viel - in ihr Drehbuch gepackt, so dass sich gelegentlich eine verirrte Dialogzeile etwas klobig anfühlt. Die genaue Natur der alten schottischen Hexenverbrennung, die dem Ort seine übernatürliche Kraft verleiht, wird nie klar umrissen. Aber selbst die am wenigsten überzeugenden, am meisten konstruierten Wendungen, werden von den Darstellern und dem fabelhaft sicheren Handwerk getragen. Jamie Ramsays Cinematografie ist optisch ansprechend, passend düster, feucht und unheimlich, mit satten karminroten Akzenten, und wenn es eine leichte Überbeanspruchung von Drohnenaufnahmen gibt, die unheimlich über die dunklen Landschaften driften (ein Element, das kurz davor steht, ein Klischee des "gehobenen Horrors" zu werden), geben diese Pausen tatsächlich einen Moment, in dem Clint Mansells angemessen gestörte Musik die Führung übernimmt. Die Musik wiederum fügt sich nahtlos in eine unheimlich präzise Geräuschkulisse ein, in der winzige Geräusche wie der Flügelschlag von Vögeln, das ölige Auftragen von Mascara auf die Wimpern oder eine nächtliche Brise voller Geflüster noch verstärkt werden. Zu sparsamen 95 Minuten montiert entwickelt sich "She Will" entlang einer atmosphärischen, dissoziativen Ausrichtung und folgt keiner traditionellen Erzähllogik.

Heutzutage wird der Begriff "Hexenjagd" häufig von gekränkten Männern verwendet und/oder ihre Unschuld an sexistischen Vergehen beteuern, so dass man "She Will" als schlaue Rückgewinnung der Terminologie und der Mythologie der Hexerei für die traumatisierten weiblichen Überlebenden männlicher Täter sehen kann. Aber was vielleicht am speziellsten ist - und für die bösen Männer, die in einem Umfeld des Wettbewerbs und des generationenübergreifenden Unverständnisses zwischen Frauen gedeihen, am köstlichsten beunruhigend - ist das zutiefst befriedigende und bewegende Porträt weiblicher Solidarität, das es zeichnet. Veronica gewinnt ihren Seelenfrieden nicht nur durch ihre mystische Verbindung zu den Rache ausübenden jugendlichen Ich von einst, sondern auch durch ihre aufkeimende Bindung zu Desi, und es deutet darauf hin, dass, solange verschiedene Frauengenerationen einfach nur unterschiedliche Ausprägungen desselben frauenfeindlichen Schwachsinns zu spüren bekommen, das Gegengift für dieses Gift vielleicht in den anderen gefunden werden kann. Für ein Debüt als abendfüllender Spielfilm wirklich ganz okay, jetzt nur nicht die Spur verlieren.

6/10

Quellen
Inhaltsangabe: FantasyFilmFest

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