Die 12-jährige Tinja (Siiri Solalinna) versucht verzweifelt, ihrer
Mutter (Sophia Heikkilä) zu gefallen, einer Frau, die davon besessen
ist, das Bild einer perfekten Familie zu präsentieren. Eines Nachts
findet Tinja ein seltsames Ei, das sie mit nach Hause nimmt. Als aus dem Ei eine kleine Kreatur schlüpft, nennt sie das Wesen Alli. Es nimmt, als Tinja es pflegt und umsorgt, die Gestalt von ihr und ihren unterdrückten Gefühlen an...
Dass Mutterschaft eine gruselige Angelegenheit sein kann, wussten bereits viele Filmemacher vor der finnischen Regisseurin Hanna Bergholm. Von "Rosemary's Baby" bis hin zu "The Babadook" und "Hereditary" zeigen diese bestimmte Art von Horrorfilmen dem Zuschauer viele Dinge, die ihn beängstigen können. Und in diesem ungewöhnlich sonnigem Genre-Ausflug "Hatching" ist das Gezeigte nicht minder beunruhigend: Die Angst lauert unter den schützenden Flügeln der Mutter und wartet darauf, in der erstickenden, fachmännisch kalibrierten Atmosphäre eines finnischen Bilderbuch-Vororts zu zerbrechen und erwachsen zu werden. Aber "Hatching" ist kein blutgetränkter Horror und tatsächlich ist es schwer, Bergholms Regiedebüt zu definieren, diesen verruchten Streifzug durch jugendliche Ängste, der zugegebenermaßen wenig echten Schrecken bietet, dafür aber voller köstlicher Schauer und Schauder ist, weil Bergholm auch geschickt mit Bodyhorror-Elementen spielt.
In der von Ilja Rautsi geschriebenen Geschichte geht es um Tinja (die sensationelle Newcomerin Siiri Solalinna), eine einsame Turnerin mit puppenhaften Kulleraugen, die alles tun würde, um ihre überhebliche, namenlose Mutter (Sophia Heikkilä, auf subtile Weise furchterregend) zu beeindrucken, sei es, dass sie sich um des Sports willen unterernährt oder einen Salto am Reck übt, bis ihre Hände mit Blasen übersät sind. Und wer kann es Tinja verübeln, nachdem man ihre Mutter kennengelernt hat? Hinter einer Fassade aus falschem Lächeln und erzwungener Freundlichkeit setzt sie ihre Tochter passiv-aggressiv für ein bevorstehendes Turnturnier unter Druck und postet fleißig Videos in ihrem beliebten Blog "Lovely Everyday Life". Schnell wird klar, dass es der bildbesessenen Vorstadtbewohnerin nicht um ein authentisches Leben geht, sondern darum, eine idyllische, Instagram-taugliche Existenz zu schaffen, um die andere sie beneiden.
Inmitten des schelmischen Chaos, das sich daraus ergibt, verdienen Bergholm und Rautsi Anerkennung dafür, dass sie Tinjas Mutter nicht im Stich gelassen haben, sondern ihr eine eigene Geschichte mit einer heimlichen außerehelichen Affäre geben - gesehen durch die Augen ihrer Tochter. Zwar vertiefen die Filmemacher diese Geschichte nicht genug, aber sie ist dennoch interessant und lässt vermuten, dass hinter Tinjas unglücklicher Mutter und ihren unausgesprochenen Wünschen mehr steckt, als es den Anschein hat. Ist es möglich, dass sie tatsächlich zum ersten Mal die Liebe gefunden hat, wie sie behauptet? Es fühlt sich ziemlich radikal an, dieser aufdringlichen Elternfigur Nuancen und Dimensionen zuzugestehen, jenseits ihrer fein säuberlich geformten Wellen und ihres stacheligen Benehmens. Wenn Bergholms hässliches Märchen sein aus den Angeln gehobenes Finale erreicht, hat man das Gefühl, dass Tinja nicht die Einzige ist, die aus ihrem lieblosen Schneckenhaus herauskommt oder sich der mütterlichen Bestie in ihrem Inneren stellt, bis es kein Zurück mehr gibt.
7,5/10
Inhaltsangabe: Wild Bunch
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