Donnerstag, 7. April 2022

[KINO FFFnights] X (2021)

https://www.imdb.com/title/tt13560574/

Ein Filmteam, eine bunt zusammengewürfelte Bande von Pornofilmemachern, darunter der ehrgeizige Regisseur RJ (Owen Campbell) und seine schüchterne Freundin und Tontechnikerin Lorraine (Jenna Ortega), erreicht ein abgelegenes Bauernhaus im tiefsten Texas, um einen Erwachsenenfilm zu drehen. Ihre Gastgeber, ein isoliertes, älteres Ehepaar, legt besonders großen Wert darauf, dass es ihren Gästen gut. Als jedoch die Nacht hereinbricht, wird das schon leicht aufdringliche Verhalten des Paaren plötzlich zusehends gewalttätig...

Dass Ti Wests "X" eine Liebeserklärung an den Prozess des Filmemachens ist, steht außer Frage. Allein die Meta-Kommentare der Protagonisten, die einen Porno drehen wollen, aber in einem selbstreferentiellen Horrorfilm landen, steht nicht ganz zufällig offensichtlich für die vielen, oftmals dokumentierten Verschiebungen, die sich während eines Drehs nun mal zwangsläufig ergeben. "X" drückt die Protagonisten (und den Zuschauer) natürlich mit der Nase rein, doch damit entpuppt sich der Film als eine Art cleveres Experiment, welches aber eher wie ein abendfüllender Scherz für Horrorfans und Filmemacher wirkt, als dass er eine eigene Perspektive bietet. West zaubert mit der Expertise eines Genre-Enthusiasten einen fiesen Spaß aus dem Hut, bietet darüber hinaus aber nicht viel mehr.

Das braucht es aber auch nicht. "X" ist ein teilweise ekliger, aber sexy Spaß, der in erster Linie unterhalten soll. Die Zutaten für diesen Fleischwolf kommt in Form von Möchtegern-Pornoproduzent Wayne (Martin Henderson), seiner Freundin Maxine (Mia Goth), Burlesque-Tänzerin Bobby-Lynne (Brittany Snow) und Bobby-Lynnes Freund/Co-Star Jackson (Scott "Kid Cudi" Mescudi), zusätzlich zu RJ und Lorraine. Wir schreiben das Jahr 1979, und Wayne hat die Crew auf einer Farm außerhalb von Houston untergebracht, um den Film "The Farmer's Daughters" zu drehen, von dem er erwartet, dass er ein Hit auf dem dato aufstrebenden Heimkinovideomarkt sein wird. Wayne wählt als Drehort eine klapprige, alte Hütte, die Howard (Stephen Ure) gehört, einem alten Kauz, der Wayne und seine Crew ganz unverhohlen nicht mag. Howards kranke Frau Pearl (deren Besetzung an dieser Stelle nicht offenbart werden soll) beneidet die Gruppe um ihre Jugend, Schönheit  und Männlichkeit und fühlt sich besonders zu der entschlossenen, aber unsicheren Maxine hingezogen. Jeder, der die "The Texas Chainsaw Massacre"-Vibes wahrnimmt oder RJ und Lorraines "Psycho"-Diskussion etwa zur Mitte des Films zur Kenntnis nimmt, kann sehen, worauf das hinausläuft - die Zahl der Toten nimmt im Laufe des Abends beachtlich zu. 

Ti West erfreut sich sichtlich an der Atmosphäre seines Schauplatzes und an den historischen Merkmalen der reißerischen Kulissen, in denen er spielt. Sein Wissen und sein Humor zeigen sich in Haarstyling und Make-up, in der schweißtreibenden Hitze des texanischen Küstenortes und in Jacksons babyblauem Freizeitanzug und seinem perfekten Afro. Wenn sich der Schwerpunkt auf den puren Horror verlagert, ändert sich auch die Begeisterung und Hingabe von "X". Statt der Figuren, die dem Film bis dato Leben eingehaucht haben, ist es nun der Regisseur selbst, der Begeisterung  für sein Werk ausstrahlt, während "X" seine Protaginsten genüsslich einen nach dem anderen dezimiert. Es gibt Andeutungen auf Themen der Kommerzialisierung von Jugend und Schönheit. Doch Howard und Pearl fühlen sich wie verpasste Gelegenheiten an, da sie ein wenig in Genre-Stereotypen gepresst werden und die kulturellen Unterströmungen ignorieren, die dazu beigetragen haben, dass die Familie Sawyer aus "The Texas Chainsaw Massacre" und Norman Bates aus "Psycho" so ikonisch wurden.

Bei "X" geht es darum, sich zu amüsieren und die harte Arbeit, das Engagement und die Befriedigung des unabhängigen Filmemachens zu genießen, unabhängig vom Genre. Diese klare Freude ist bewundernswert, aber Wests Ode an den technischen und künstlerischen Einfallsreichtum unterschätzt den Kontext, der für den Erfolg der Filme, auf die er sich so liebevoll bezieht, eine wichtige Rolle spielte. "X" macht eine Menge Spaß, fühlt sich aber auch wie eine Kleinigkeit an, aus der man viel mehr hätte machen können.

7,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Capelight

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