Freitag, 28. Oktober 2016

Stephen King's It - Stephen King's Es (1990)

http://www.imdb.com/title/tt0099864/

In Derry, Maine, geht es nicht mit rechten Dingen zu. Das mag an dem Indianerfriedhof liegen, auf dem der kleine Ort teilweise gebaut ist, vielleicht hängt es auch einfach mit der Paranoia der Einwohner zusammen. Aber alle Gerüchte verwandeln sich schlagartig in grausame Gewissheit, als der junge Georgie Denbrough tot aufgefunden wird. Ein Arm wurde ihm abgerissen. Nicht nur zerstört die Tragödie das Leben der Familie Denbrough und traumatisiert Georgies Bruder Bill (Jonathan Brandis), es löst auch eine Furcht aus, die sich über ganz Derry ausbreitet. Immer mehr Kinder verschwinden, grausam verstümmelte Körper sind das Einzige, was den Hinterbliebenen bleibt. Mitten in dieser Zeit des Grauens bildet sich eine ungewöhnliche Clique aus sieben Kindern: Bill, der asthmatische Eddie (Adam Faraizl), Großmaul Richie (Seth Green), der dicke Ben (Brandon Crane), die hübsche Beverly (Emily Perkins), der zynische Stan (Ben Heller) und Mike (Marlon Taylor), der wegen seiner dunklen Haut oft diskriminiert wird. Sie alle haben etwas gemeinsam: Unabhängig voneinander haben sie verstörende Dinge erlebt oder wurden von grausigen Kreaturen verfolgt. Trotz ihrer schockierenden Erlebnisse scheinen ihre Eltern die Grauen nicht wahrzunehmen. Und ihre Geschichten haben einen gemeinsamen Nenner: einen diabolischen Clown mit orangeroten Haaren und Luftballons, der sich als Pennywise (Tim Curry) vorstellt. Aus Angst gibt der "Club der Verlierer" dem Monster einen neuen Namen und taufen die übernatürliche Bedrohung "Es". Nicht nur schweißt die gemeinsame Angst vor "Es" und die Entschlossenheit, dem Horror ein Ende zu setzen, die sieben Freunde zusammen, sie müssen sich gleichzeitig noch gegen den etwas älteren Henry Bowers (Jarred Blancard) und seine Schläger wehren.

"Es" ist einer der Romane von Stephen King, der wohl zu seinen besten Werken gehört. Aber nicht nur aufgrund des Horrors, der einen während des Lesens völlig unvermeidlich in Angstzustände versetzt, sondern auch die herzerwärmende Geschichte um den "Club der sieben glücklichen Verlierer". Dieses Epos an eine bedingungslose, kompromisslose Freundschaft, die wohl nur wenige kennenlernen dürfen. 7 Freunde, 7 Außenseiter, 7 Kinder, die sich allem entgegenstellen, das den Ort ihrer Kindheit, zu zerstören droht. Sie stellen sich den eigenen Ängsten, stellen sich der Interesselosigkeit, der Apathie und Hoffnungslosigkeit ihrer Umgebung entgegen, um nicht von dem Grauen aus der Tiefe, irgendwann einer nach dem anderen aufgefressen zu werden. Das Böse in Derry, der grausame Clown, die äonenalte Spinne im Netz. Das sind all die Dinge, die ein Ort wie Derry, der sinnbildlich für alle menschlichen Ansiedlungen steht, tief in seinem Inneren, im Untergrund verbirgt. Und immer mal wieder, alle 30 Jahre, einmal in jeder Generation, bricht der Damm, läuft das Fass aus Neid, Gier und Hass über und es kommt zu einer Serie an Untaten.

Eins vorweg noch: "Es" zu verfilmen, ist verdammt schwierig. Der Film ist mit 187 Minuten immer noch viel zu kurz, um dem über 1500 Seiten starken Werk gerecht zu werden. Trotzdem ist Tommy Lee Wallace ein anständiger Film gelungen, der besonders viel Wert auf die hervorragende Charakterzeichnung des Buches legt. Und bei allem, was weggelassen wurde (werden musste), hat der Film aber eines geschafft: die Stimmung des Buches zu übertragen. All die Atmosphäre, das Unbehagen, Zeitgefühl der Geschichte, aber auch der Subtext des Buches finden sich im Film wieder. Man muss betonen, dass bei dem, was die Geschichte eigentlich hergibt, diese Tatsache ein Trost ist, aber letztlich bleibt der Film nur eine deutlich entschärfte Kurzzusammenfassung, das Buch in allen Belangen die Superlative zum Film. Die grobe Handlung des Buches wurde übernommen; dementsprechend dreht sich der Film um die sieben Charaktere, die sich mit dem Schrecken des Kinder fressenden Monsters Es konfrontiert sehen, dem sie sich zwar stellen, aber nicht überwinden können, sodass er sie Jahre später einholt, um sie, inzwischen erwachsen, erneut herauszufordern. Der Film springt dankenswerterweise zwischen den beiden Zeitebenen - Kindheit und Gegenwart - hin und her, denn auf diese Weise zeigt der Film zum Einen wunderbar, wie prägend die Kindheit eines jeden Menschen ist und zum Anderen, und das ist die Hauptaussage der Geschichte, wie wichtig es ist, sich den Problemen, die das Leben bereithält, zu stellen und zu bewältigen.

Jeder der sieben Hauptcharaktere sieht sich konfrontiert mit Schicksalen des Lebens. Neben vielen körperlichen Makeln, die für sich bereits die Kindheit schwierig machen können (z.B. Dickleibigkeit, Stottern, Asthma) und der Tyrannei von Obrigkeiten, die anhand der Figur des Schul-Rowdys Henry Bowers dargestellt wird, stehen noch größere Schrecken im Mittelpunkt der Geschichte. Da ist der Verlust eines Familienmitglieds und die Angst vor dem Zusammenbrechen der Familie (Bill). Der Tod des Bruders brennt ein so tiefes Loch in das Sicherungsnetz des Lebens, das die Familie darstellt, dass es droht, zu reißen: Bill muss befürchten, auch zu sterben, indem er seinen Platz in der Familie verliert. Denn der Verlustschmerz schwächt seine Eltern letztlich so sehr, dass ihnen die Kraft fehlt, für ihn überhaupt noch Mutter und Vater zu sein. In Bens Geschichte manifestiert sich das Schicksal der körperlichen Unzulänglichkeit und vor allem, ohne Vaterfigur zu sein, an der man sich orienterien und an der man selbst wachsen kann. Beverlys Schicksal, Armut und (deutlich gravierender) autoritäre und gewaltsame Erziehung, und Eddies, Überfürsorglichkeit, stellen krasse Gegensätze dar, doch ist auch den beiden gemeinsam, dass sie die Kindheit auf eine harte Probe stellen.

In "Es" manifestieren sich diese Identitätsängste; "Es" ist die Metapher für diese Schrecken der Kindheit. Die Kinder können Es nicht gänzlich besiegen und so holt die Vergangenheit sie wieder ein oder anders: man kann seinem Schicksal nicht entkommen. Das sieht man wunderbar an Beverly, die mit einem Mann zusammen ist, der vom Habitus ganz ihr Vater ist. Und auch Ben ist seinen Problemen nicht entkommen, denn selbst großer Erfolg vermag seine Selbstzweifel nicht zu zerstreuen und so bleibt stets die Gefahr, an ihnen zu scheitern (Was gewissermaßen mit der Tatsache, dass Ben einsam ist und in oberflächlichen Affären und Alkohol Zuflucht sucht, schon geschehen ist). Überhaupt sind - bis auf Mike - alle sehr erfolgreich, doch ändert das nichts daran, nicht wirklich im Leben angekommen zu sein. Das zeigt sich insbesondere in einer Szene in der Gegenwart, als ihnen allen gemeinsam bewusst wird, dass sie zwar berufliche Siegertypen sind, privat allerdings mehr oder weniger gescheitert sind. Entweder haben sie gar keine Familie und sind entsprechend unzufrieden (siehe Ben, aber auch Eddie: zwar hat der eine Familie, die aber ist noch immer seine beherrschende Mutter) oder aber es mag mit Nachwuchs nicht klappen. Das hört sich zunächst nicht wirklich gescheitert an, aber Stans Werdegang belehrt uns eines Besseren: Er will sich ein durch und durch bürgerliches Leben aufbauen, doch sind ihm die dazu gehörenden Kinder nicht vergönnt. Es ist egal, welchen Lebensweg sich die Figuren aussuchen, sie kommen nicht wirklich ans Ziel. Dieses Dilemma wird ihnen nach und nach bewusst, als sie sich aufgrund einer Nachricht von Es (Es hinterlässt an einem seiner Tatorte ein Foto von Bills Bruder) wieder zusammenfinden. Ihre nicht bewältigte Vergangenheit bremst sie aus. Sie finden heraus, dass es nur einen Weg gibt, aus diesem Loch herauszukommen, nämlich sich den Schrecken der Vergangenheit und damit sich selbst zu stellen. Um diesen Subtext transportieren zu können und nicht zu ersticken, bedurfte es einer Erzählweise, die trotz des Fantastischen, das Es verkörpert, ruhig bleibt. Und das ist dem Film gelungen. Seine besten Momente hat er, wenn der Film seine Figuren über Es (und also metaphorisch gesehen über sich selbst) reflektieren lässt. Denn dann ist der Film "ganz Buch".

Aber auch an der Oberfläche der Geschichte hat man mit dem Film einen Gewinn. Zwar beugt man sich gerade zum Ende hin allzu sehr filmischer Konventionen und gibt dem Film damit ein Stück Beliebigkeit, aber letztlich hat man auch astreinen Horror mit Blut, Schrecken und Angst (für die Angst sorgt Tim Curry mit der wunderbar schauderhaften Darstellung des "Es" in Form des Clowns Pennywise). Der Film nutzt zudem die beste Form der Angsterzeugung: Unbehagen durch den Bruch mit der Norm. Die Klimax ist natürlich Pennywise. Der Clown - im Grunde der Inbegriff der Freude - als tötendes Monster, das mit leuchtenden Augen und Rasiermessern als Zähnen aus dem Gully heraus nach einem greift.

8/10

Bei zavvi.com erschien der Film auch im Steelbook. Soweit, so noch nicht ungewöhnlich, denn auch in Deutschland ist ein Steelbook mit demselben Motiv, exklusiv im MediaMarkt erschienen. Was aber das zavvi-Steel auszeichnet, ist der Innendruck. Den hat das MediaMarkt-Steelbook aus unerfindlichen Gründen nämlich nicht.

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