Sonntag, 22. Dezember 2019

Bajo la Rosa - Under The Rose (2017)

https://www.imdb.com/title/tt6130310/

Sara (Patricia Olmedo), die Tochter von Oliver (Pedro Casablanc) und Julia (Elisabet Gelabert), geht morgens in die Schule, kehrt aber abends nicht wieder. Tage vergehen, ohne dass die Eltern etwas hören. Hysterisch vor Angst und wütenden über die eigene Ohnmacht und die Tatenlosigkeit der Behörden, sind die Eltern und Saras Bruder Alex (Zack Gómez) der völligen Verzweiflung nahe. Bis eines Morgens ein Brief in einem schwarzen Umschlag eingeworfen wird: Jemand behauptet, Sara in seiner Gewalt zu haben. Nicht nur das, er möchte noch am selben Tag abends vorbei kommen und sich mit ihnen unterhalten. Bei Verständigung der Polizei wird es schwere Konsequenzen geben. Unsicher und nicht willens, das Leben ihrer Tochter aufs Spiel zu setzen, warten die drei auf den Unbekannten. Seine Forderung wird ihr Leben für immer verändern ...

"Bajo la Rosa"/"Under The Rose" ist ein mit hoher Intensität vorgetragener Home-Invasion-Thriller ohne vorgehaltene Waffen oder lautes Getöse, das hat der namenlose Antagonist (Ramiro Blas) überhaupt nicht nötig. Sein Druckmittel ist das Leben eines kleinen Mädchens, was von einem Telefonanruf zu einer bestimmen Uhrzeit abhängig ist. Und nur dann mit positivem Ausgang in Aussicht gestellt wird, wenn einer der drei Familienangehörigen seine schlimmste Tat gesteht und dafür Buße tut. Wieso, weshalb, warum, das bleibt bis zum Schluss spekulativ. Aber schon früh stellt sich das Gefühl ein, dass bei "Bajo la Rosa" weniges zwingend so ist, wie es zunächst vermittelt wird. Das der Kidnapper und offenkundig extrem sadistisch veranlagte "Gast" sein perfides Wahrheit-und-Pflicht-Spiel nicht ohne triftigen Grund in der extremen Form vorantreibt; vermutlich nicht nur ein perverses Bedürfnis zu stillen versucht und damit gleichzeitig mehr Geständnisse entlockt als ursprünglich verlangt.

Wie bei einem Pokerspiel wird nach dem Ausloten der Stringenz des Gegenübers und der darauf folgenden Feststellung, dass gar nichts anbieten unmöglich zum Erfolg führen kann versucht, durch das Beichten des kleinsten, eventuell anvisierten Übels den Kopf mit möglichst geringem Schamfaktor aus der Schlinge zu ziehen. Aber selbst für die gar nicht angepeilten Gewissensreinigungen hat der mysteriöse, mit donnergrollender Stimme trotz seiner Ruhe enorm bedrohlich auftretende Spielleiter eine spontane Bestrafung in petto, die zwingend zu erfüllen ist. Stück für Stück bröckelt das Bild der Oberschichten-Bilderbuchfamilie mehr; wird der Zusammenhalt und das gegenseitig Vertrauen auf die ganz harte Probe gestellt; kommen Sünden ans Licht, die selbst unter diesen extremen Bedingungen nicht sofort auf den Tisch geknallt werden. Wenn es darum geht, das Leben der eigenen Tochter/Schwester eventuell nur dadurch retten zu können. Zu schwer wird die Last sein, die so was verursachen kann.

Regisseur Josué Ramos ist sich der beklemmenden, verstörenden und grausamen Qualität seiner Geschichte sehr wohl bewusst und realistisch genug, um sich nicht unnötig mit künstlichen Verstärkern aufplustern zu müssen. Musik kommt beispielsweise äußerst selten und wenn nur in sehr ausgewählten Momenten zum Einsatz, dafür klebt die Kamera konstant sehr dicht, realitätsnah an den Darstellern, engt das Ganze noch mehr ein als es ohnehin schon bis an die Schmerzgrenze geschieht. Sonst verlässt er sich auf die entwürdigende, hemmungslose und hundsgemeine Schonungslosigkeit, die der geschickt aufgebaute wie ausgelebte Plot von Minute zu Minute nur noch mehr intensiviert. Hervorragend gespielt und mit schockierenden Qualitäten beim scheibchenweisen Zerlegen einer vorgegaukelten Idylle bleibt "Bajo la Rosa" auch nach dem Abspann noch haften und kann trotz einer kritisch betrachtet leicht konstruiert wirkenden Geschichte und einiger Logiklöcher vollständig überzeugen, da das Handeln der Figuren nicht nur heftig, sondern unter diesen Bedingungen immerhin annehmbar glaubhaft erscheint. "Bajo la Rosa" ist unterm Strich ein zermürbender, letztlich sogar moralisch äußerst ambivalenter Thriller mit hoher Gewaltbereitschaft, die sich aber eher auf psychischer Ebene auslebt. Die direkt transportierten Bilder werden weniger verstören als die Grausamkeiten, die sich dahinter verbergen. Enorm fesselnd, dieser Geheimtipp aus Spanien, den sich Genre-Freunde nicht entgehen lassen sollten.

7/10

Von INDEED FILM / ILLUSIONS UNLIMITED erschien der Film ungeschnitten im limitierten und nummerierten Mediabook.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen