Nacht für Nacht rasen die Krankenwagen durch die Straßen von São Paulo. In ihnen jagt der Abschaum der Stadt seinem letzten Ziel entgegen: dem Leichenschauhaus. Dort schiebt Stênio (Daniel de Oliveira) die Nachtschicht als Assistenz-Pathologe, und im Gegensatz zu seinem tristen Leben bei Tage, gestaltet sich zumindest sein nächtlicher Job als einigermaßen abwechslungsreich. Denn Stênio kann mit den Toten sprechen! Hooligans, Gangster, Mörder – sie alle landen irgendwann auf seinem Tisch. Und während er ihre Kadaver aufschneidet und auseinandernimmt, vertrauen sie ihm ihre Geschichten und letzten Wünsche an. Als Stênio eines Nachts jedoch ein Geheimnis aufschnappt, das ihn persönlich betrifft, macht er den tödlichen Fehler, das Vertrauen der Toten zu missbrauchen. Die wollen fortan nur eins: Rache! Und haben zudem alle Zeit der Ewigkeit diese zu schmieden...
Mit den Toten zu reden und sich mit dem Paranormalen zu beschäftigen, ist in Filmen nicht gerade eine neuartige Idee. "The Nightshifter" führt sein Publikum jedoch in die brasilianische Landschaft, wo sich das Publikum mit derer einzigartigen Gesellschaft und ihren Toten konfrontiert sieht. Die Eröffnungsszene weist auf wirkungsvolle Art und Weise, untermalt von Polizeifunk, auf die gesellschaftlichen Problemen in einer Stadt, die von Gewalt und Verbrechen geprägt ist, hin. Dieses Intro fühlt sich ein Stück weit tiefgreifend an, da es recht geschickt zum Haupthandlungsort des Geschehens in "The Nightshifter", die Leichenhalle von São Paulo, in der Stênio arbeitet, überleitet. Der Regisseurs Dennison Ramalho adaptierte für seinen Film eine Kurzgeschichte und hebt in "The Nightshifter" einige brasilianische gesellschaftliche Probleme aus seinen patriarchalischen Traditionen hervor, darunter männliche Arroganz, sowie Gewalt und Verbrechen in der Großstadt São Paulo. "The Nightshifter" überzeugt vor allem mit seinem beeindruckenden Sounddesign, welches eine stimmige Atmosphäre schafft und einige Akzente mit mehreren knalligen Schreck-Momenten setzt. Die absichtlichen lauten und gruseligen Geräusche - manchmal aber auch Klischeeklangeffekte wie Türen, die aufgerissen oder zugeschlagen werden, bis hin zu geheimnisvollen Klopfen - sind zeitlich gut abgestimmt und verschmelzen gut miteinander, um Wirkung beim Publikum zu erzeugen. Lediglich ein geringer Teil der Effekte wird zu banal für JumpScares eingesetzt, was den Film, kurz gesagt, ein wenig vorhersehbar macht.
Abgesehen von diesen kleinen Mankos ist dieser brasilianische Horrorfilm ein kleines Indie-Juwel. "The Nightshifter" versteht es, seine ihm schon durch die Thematik innewohnende Spannung auf charmante Weise zu eskalieren. Optisch gibt es ebenfalls einige gute Momente. In der ersten Hälfte stützt sich der Film stark auf teilweise sehr ekelige Arbeit im Leichenschauhaus, während er in der zweiten Hälfte eher auf die Schaffung einer gruseligen Atmosphäre abzielt, in der es nach und nach auch etwas blutiger wird. Dominiert wird dies von Nah- und Overhead-Aufnahmen und so gut dies auch sein mag, so ist die Wahl zur intensiven Verwendung von CGI zum Animieren der Toten, eher schlecht geraten - schlicht, weil es etwa plump wirkt. Stört man sich daran nicht oder nur wenig, lässt "The Nightshifter" seiner Geschichte Lauf. Eines führt zum unausweichlichen Anderen. Die Entscheidungen des Hauptcharakters Stênio beginnen locker und ungezwungen, er führt simple Gespräche mit den Toten bis es eben zum Twist kommt, der fortan genutzt wird, um mit dem Wissen um dieses Geheimnis auf die nahenden Konsequenzen zu reagieren. Das Beste daran ist, dass sich diese schrecklichen Konsequenzen auch noch entwickeln, wenn immer mehr und mehr ans Tageslicht kommt und letztlich zu einem intensiven Schlussakt aufsteigt. Die Wirksamkeit des Finales beruht ein Stück weit auf der Aufmerksamkeit des Zuschauers, bietet jedoch einige großartige Leistungen von Bianca Comparato als Lara, Fabiula Nascimento als Odete sowie Daniel de Oliveira als Stenio.
Vom sehr guten Sound-Design über die Kinematographie bis hin zur allgemeinen Inszenierung, auch wenn es in der Zwischenzeit einige leichte Probleme beim Tempo gab, bietet dieser Debütfilm des Regisseurs Ramalho wirklich gute, knackige, gruselige Momente. Trotz kleiner Patzer, Filmfehler und Irrtümer hier und da ist "The Nightshifter" dennoch ein würdiger Vertreter seines Genres.
6,5/10
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