http://www.imdb.com/title/tt3335606/
Die australische Fotojournalistin Clare (Teresa Palmer) macht als
Backpackerin Urlaub in Berlin, wo sie den netten Englischlehrer Andi
(Max Riemelt) kennenlernt. Zwischen den beiden sprühen die Funken und
sie verabreden sich zu einem gemeinsamen Sightseeing-Trip durch die
Stadt, der in einem heißen Flirt mündet und schließlich im Bett endet.
Doch nach der romantischen Nacht gibt es für Clare ein unerfreuliches
Erwachen: Andi liegt nicht neben ihr. Zunächst denkt die junge Frau, ihr
Liebhaber von letzter Nacht habe sich aus dem Staub gemacht, ohne sich
zu verabschieden, doch schnell wird ihr klar, dass die Wahrheit noch
viel unangenehmer ist: Andi hat sie in seiner Wohnung eingesperrt und
hat nicht vor, sie jemals wieder gehen zu lassen. Für Clare ist dies der
Beginn eines nervenzerreißenden Horrortrips...
Auch wenn es der Titel nicht gleich vermuten lässt, so ist der Film "Berlin Syndrome" kein deutsches Werk. Die Australierin Cate Shortland inszenierte diesen packenden Thriller, der viel mehr ist als so manch anderer seiner Genrevertreter. Und das, obwohl es anfangs gar nicht danach klingt. Es klingt eher nach dem üblichen "Rape 'n Revenge"-Gedöns, vielleicht nicht ganz so hart, aber im Grundtenor in etwa dort angesiedelt. Und auch nicht so richtig, denn worauf sich Hauptdarstellerin Clare (sehr überzeugend gespielt von Terese Palmer) hier einlässt ist kein Vergewaltigungsszenario. Eher ein (in beiderseitigem Einverständnis) stattfindender One-Night-Stand, der bei dem freundlichen, aber doch sehr undurchsichtigen Andi (ebenfalls grandios-böse: Max Riemelt), einen Schalter umlegt und (offensichtlich erneut) eine dunkle Lust in ihm weckt, die für seine Abendbekanntschaft keinen guten Verlauf nimmt. Ja, (und hier erlaube ich mir von der Seite des FantasyFilmFests zu zitieren) "Berlin Syndrome" nutzt sein allen Genrefans vertrautes
Captive-Woman-Szenario für eine mitleidlose Exkursion in die dunklen
Tiefen unserer Psyche. Wenn sich hier Gewalt entlädt, dann nur kurz, knapp und effektiv. Und immer spannend.
"Berlin Syndrome" entführt den Zuschauer in tristen Bildern in ein Berlin, das man so noch nicht kennt. Alte, verfallene Häuserfronten, tiefe Hinterhofschluchten und graue Fassaden, die schon beim ersten Ablick ein mulmiges Gefühl aufkommen lassen. "Berlin Syndrome" nimmt den Zuschauer zusammen mit der Protagonistin in ebenjene Tristess mit, in der die einzigen Farben, die im Verlauf des Films nach und nach zu verblassen scheinen, von der Inneneinrichtung der karg eingerichteten Wohnung herrühren. Zur Sinnesverstärkung kommt noch Bryony Marks'
experimenteller Soundtrack, der über weite Strecken die Hoffnungslosigkeit perfekt transportiert und die von Kameramann Germain McMicking eingefangenen Bilder wirkungsvoll unterstreicht. Nicht immer aber verhält sich die Protagonistin nachvollziehbar und logisch und so wird "Berlin Syndrome" auch in gewisser Weise zu einer "Stockholm Syndrom"-Studie, die versucht zu erklären wie die menschliche Psyche funktioniert. Das wird im Mittelteil etwas anstrengend und an dieser Stelle hätte dem Film eine Straffung nur gut getan, denn mit knapp 116 Minuten ist er deutlich zu lang. Jedoch fängt er im weiteren Verlauf den Zuschauer wieder ein und gibt dem Opfer einen Lichtblick, der auf den ersten Blick gar nicht so geplant zu sein schien, hier aber für Puls und aufgerissene Augen beim Publikum sorgt. Nicht nur damit ist "Berlin Syndrome" ein sehr guter Film. Er unterhält trotz einiger Längen im Mittelteil, sorgt mit einer bestimmten Szene am Ende für ein kollektives Stirnklatschen und vermittelt insgesamt das nötige mulmige Gefühl, welches bei anderen Genrevertretern an dieser Stelle schon längst zur Splatterorgie verkommen wäre. Aber so: unerwartet toll.
7,5/10
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen