Donnerstag, 5. Juni 2025

The Accountant 2 (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt7068946/

Christian Wolff (Ben Affleck) kann selbst die komplexesten Rätsel entschlüsseln. Als einer seiner ehemaligen Weggefährten um die Ecke gebracht wird, scheint es genau darauf anzukommen. Denn bei dessen Leiche wird eine mysteriöse Botschaft gefunden: „Findet den Accountant.“ Wolff erkennt sofort, dass er nicht tatenlos bleiben kann. Unterstützung sucht er von jemandem, der genauso entschlossen wie gefährlich ist: seinem lange entfremdeten Bruder Braxton (Jon Bernthal). Doch die beiden sind nicht die Einzigen, die an der Wahrheit hinter der komischen Botschaft interessiert sind. Gemeinsam mit Marybeth Medina (Cynthia Addai-Robinson), stellvertretende Direktorin des US-Finanzministeriums, stoßen sie auf eine tödliche Verschwörung. Ein mächtiges Netzwerk von skrupellosen Auftragsmördern setzt daraufhin alles daran, ihre dunklen Machenschaften vor dem Trio im Verborgenen zu halten – und dafür ist ihnen jedes Mittel recht.

"The Accountant 2" ist weit mehr als nur eine Fortsetzung eines erfolgreichen Actionthrillers - es ist ein sorgfältig durchdachter Film, der seine Charaktere vertieft, sein narratives Universum erweitert und dabei ein bemerkenswertes Gleichgewicht zwischen Hochspannung, psychologischer Feinzeichnung und lakonischem Humor wahrt. Regisseur Gavin O'Connor, der bereits beim ersten Teil Regie führte, beweist erneut ein Gespür für erzählerische Präzision und inszenatorische Kontrolle. Er setzt nicht nur auf die Erfolgsformel des ersten Teils, sondern entwickelt sie gezielt weiter - emotional, strukturell und ästhetisch.

Ben Affleck liefert eine seiner nuanciertesten Performances der letzten Jahre. Sein Christian Wolff ist und bleibt ein faszinierender Protagonist. Er ist ein Mann mit autistischer Struktur, analytischem Genie und tief sitzenden moralischen Konflikten. Im Gegensatz zum ersten Teil bekommt seine Figur nun mehr Raum zur inneren Entwicklung. Affleck meistert es meisterhaft, die Spannung zwischen kontrollierter Emotionslosigkeit und innerem Aufruhr sichtbar zu machen. Besonders in jenen stillen Momenten, in denen Blicke und Körpersprache mehr erzählen als Worte. Der Film überzeugt vor allem durch die starke brüderliche Dynamik zwischen Christian und Braxton "Brax" Wolff, gespielt von Jon Bernthal. Die Beziehung zwischen den beiden wird im Film nicht nur vertieft, sondern ist das emotionale Rückgrat der Handlung. Die Chemie zwischen Affleck und Bernthal ist absolut glaubwürdig - mal brüderlich rau, mal humorvoll, mal von jahrzehntelang unterdrücktem Schmerz durchzogen.

Eine Szene, die für viele zum heimlichen Kultmoment geworden ist, zeigt Brax, wie er Christian dazu überredet, an einem Line-Dance in einer Bar teilzunehmen. Was in weniger fähigen Händen zu einem albernen Gimmick hätte verkommen können, wird hier zu einer feinfühligen Charakterszene: Es ist ein Moment der Loslösung, der symbolischen Öffnung und der Brüderlichkeit. Der Film beweist zudem Mut, zwischen den harten Actionszenen Raum für Menschlichkeit und leise Komik zu lassen. Die Action ist dynamisch, hervorragend choreografiert und niemals effekthascherisch. O'Connor setzt auf Klarheit und Authentizität - Schießereien und Nahkämpfe wirken brutal, aber nie übertrieben. Es ist besonders bemerkenswert, dass die Gewalt stets eine narrative Funktion erfüllt. Sie entsteht aus inneren Konflikten und Situationen und nicht aus einem Selbstzweck heraus. "The Accountant 2" hebt sich dadurch deutlich von gängigen Genreproduktionen ab. Die Kameraarbeit von Seamus McGarvey verleiht der Inszenierung zudem eine visuelle Dichte, die zwischen klinischer Kälte und intimer Nähe changiert.

Was den Film darüber hinaus auszeichnet, ist seine tonal ausgewogene Mischung: O'Connor verwebt Spannung, Drama und schwarzen Humor so meisterhaft, dass der Film zu keinem Zeitpunkt zynisch oder inkohärent wirkt. Vielmehr ist es ein "emotionaler Actionfilm" - ein Begriff, der im Mainstream-Kino selten eingelöst wird. Die Dialoge sind pointiert, oft trocken und liefern Witz, aber auch tiefere Einblicke in die Charaktere. Der Film meistert die Herausforderung, das Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Kontrollverlust, zwischen Autonomie und menschlicher Verbindung zu beleuchten. Besonders in Bezug auf Christians Autismus wird hier keine Romantisierung oder Klischeehaftigkeit gezeigt, sondern ein nuancierter und realistischer Blick auf die Materie geworfen. Der Film vermittelt eindrucksvoll, wie sich neurodiverse Identität mit komplexer Charakterentwicklung verbinden lässt, ohne dass daraus ein therapeutisierender Subtext entsteht.

"The Accountant 2" ist unterm Strich eine gelungene Fortsetzung und ein Film, der seine eigene Daseinsberechtigung überzeugend unter Beweis stellt. Er verbindet Actionkino mit Charakterdrama, legt den Fokus auf zwischenmenschliche Prozesse statt auf bloße Kinetik und schafft es, seine Hauptfiguren mit Würde, Tiefe und Menschlichkeit zu erzählen. Wer den ersten Teil mochte, bekommt hier deutlich mehr als nur eine Wiederholung. Alle, die intelligente, emotional vielschichtige Genrefilme schätzen, erleben mit "The Accountant 2" eine cineastische Überraschung von nachhaltiger Wirkung.

7/10

Quellen
Inhaltsangabe: Warner Bros.
Poster/ArtworkWarner Bros.

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