https://www.imdb.com/de/title/tt26743210/Drachen und Wikinger, das ist eine Kombination, die seit Äonen von Jahren nicht gerade durch Freundschaft geprägt ist. Es scheint, als ob sie sich einfach nicht ausstehen können. Deshalb bekämpfen sie sich gegenseitig. Darauf werden die Wikinger von klein auf vorbereitet. Wer sich als nicht hart genug erweist, wird jedoch schnell zum Außenseiter – so auch Hicks (Mason Thames). Der auf ihm lastende Erwartungsdruck ist als Sohn des Wikingerhäuptlings Haudrauf (Gerard Butler) immens. Als Hicks eines Tages an einen der sagenumwobenen Nachtschatten-Drachen, Ohnezahn, gerät, bricht für Hicks im allerbesten Sinne eine Welt zusammen. Denn entgegen der zahlreichen Wikingererzählungen trachtet ihm Ohnezahn gar nicht nach dem Leben. Zwischen den beiden entsteht eine unerwartete Freundschaft. Doch wie soll Hicks das seinem Vater und den anderen Stammesmitgliedern nur erklären? Immerhin glauben die seit Generationen daran, dass die Drachen auf nichts Gutes aus sind...
Es gibt Filme, die uns beim ersten Sehen verzaubern - nicht wegen ihrer Effekte oder ihres Tempos, sondern wegen einer Aufrichtigkeit, die man heute nur noch selten im Kino findet. "Drachenzähmen leicht gemacht", die Realverfilmung des gleichnamigen Animationsfilms von 2010, ist so ein Film. Er ist kein bloßes Remake. Er ist ein Erinnern - an das, was wir im Kino manchmal vermissen: eine aufrichtige Geschichte, ein Herzschlag hinter den Bildern und den Mut, Gefühle nicht zu verstecken.
Wenn ein Studio einen geliebten Animationsfilm in ein Live-Action-Gewand überführt, ist Skepsis mehr als angebracht. Was geht verloren, wenn das Fantastische real wird? Was bleibt, wenn die Magie sich nicht mehr in handgezeichneten Gesten, sondern in physischer Welt manifestiert? In diesem Fall: überraschend viel. Regisseur Dean DeBlois, der bereits für die
Originaltrilogie verantwortlich zeichnete, gelingt ein Kunststück: Er findet nicht nur die richtigen Bilder für eine Welt, die einst vollständig animiert war - er findet ihren Ton, ihre Tiefe und ihren Atem wieder. Die Geschichte bleibt vollkommen erhalten: Hicks, ein junger Wikinger, lebt auf der Insel Berk, wo Drachen als Feinde gelten und Mut sich im Kampf beweist. Doch Hicks ist kein Krieger. Er ist ein Suchender - nach Zugehörigkeit, nach Verständnis, nach einer Wahrheit jenseits der Vorurteile seines Stammes. Als er den verletzten Nachtschatten-Drachen findet und statt ihn zu töten, ihn heilt, beginnt eine leise, berührende Annäherung zweier Wesen, die sich fremd sein müssten - und doch dasselbe suchen.
Der vielleicht größte Triumph dieser Adaption liegt darin, dass sie nicht versucht, lauter oder spektakulärer zu sein als ihr animiertes Vorbild. Sie wird stiller. Und gerade in dieser Stille entsteht eine Nähe, die man kaum erwartet. Newcomer Mason Thames als Hicks spielt nicht den Helden, sondern den Jungen, der sich erst zu einem machen muss - mit Unsicherheit in der Stimme, Zögern in der Bewegung, aber einem wachen Blick, der neugierig bleibt, wo andere bereits zu hassen gelernt haben. Die Entscheidung, den Drachen Ohnezahn per Performance-Capture darzustellen, ist mehr als ein technischer Kniff. Es verleiht ihm eine physische Präsenz, ohne ihn je seiner Ausdruckskraft zu berauben. Er bleibt ein stummes Wesen voller Persönlichkeit - nicht durch Sprache, sondern durch Bewegung, Mimik, Körpersprache. Er lebt.

Visuell ist der Film erdig, manchmal rau, nie glattgebügelt. Die Insel Berk wirkt weniger wie ein Fantasieort, sondern wie ein echter, karger Fleck Erde, an dem das Leben hart, aber nicht herzlos ist. Die Farbpalette ist gedeckter, das Licht oft nordisch kühl. Es ist keine Fantasywelt im üblichen Sinne - sondern eine, die an die Ränder der wirklichen Welt grenzt. Und dennoch blitzt darin immer wieder ein Staunen auf, das an Spielberg erinnert: etwa wenn Hicks und Ohnezahn zum ersten Mal gemeinsam durch die Lüfte gleiten. Es ist kein reines Spektakel. Es ist eine Art Befreiung. Eine Art Flug nach innen. Was mich am stärksten berührt hat - und was diesen Film zu mehr als einer Neuauflage macht - ist sein aufrichtiger Glaube an Entwicklung. Niemand in diesem Film ist fertig. Nicht Hicks, nicht sein Vater, nicht Astrid, nicht die Dorfgemeinschaft. Alle befinden sich in Bewegung. Nicht immer vorwärts, oft seitwärts, manchmal zurück. Aber in Bewegung. Der Wandel kommt nicht durch Krach, sondern durch Begegnung. Eine Wahrheit, die das Kino allzu oft vergisst.
Natürlich ist nicht alles perfekt. Einige Nebenfiguren bleiben blasser als in der animierten Vorlage, und man spürt hin und wieder die dramaturgische Enge einer Geschichte, die versucht, sowohl Vorlage zu ehren als auch neue Wege zu gehen. Doch das sind kleine Brüche im Eis, unter dem ein Fluss von ehrlicher Emotion fließt.
Am Ende ist "Drachenzähmen leicht gemacht" kein Film, der den Zuschauer anschreit, wie besonders er ist. Er flüstert. Und gerade deshalb hört man ihm zu. Er erinnert uns daran, dass Mut nicht laut sein muss. Dass Freundschaft nicht erklärt werden kann, sondern erlebt werden muss. Und dass es manchmal genügt, sich hinzusetzen, einem Wesen in die Augen zu blicken - und zu erkennen, dass wir im Grunde alle das Gleiche wollen: verstanden zu werden. Ich glaube, jeder, der den
Animationsfilm mochte, wird auch diesen Film mögen. Nicht wegen seiner Technik oder seiner Vorlage. Sondern wegen seines Herzens. Und wegen der stillen, klaren Wahrheit, die er erzählt: Dass das Zähmen eines Drachen vielleicht nichts anderes ist als das Zähmen unserer eigenen Angst.
8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Dreamworks Animation / Universal Pictures
Poster/Artwork: Dreamworks Animation / Universal Pictures
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