Münsterberg 1924, der Kannibale Karl Denke wird verhaftet. Nach mind. 30 Morden wird der letzte Mordversuch an Vincent Oliver ihm zum Verhängnis. In seiner Zelle beginnt er sich das bevorstehende Verhör auszumalen, dabei erzählen Rückblenden von Denkes Taten. Der Film rekonstruiert die Gedankenwelt seines Protagonisten, seine Motivation und Psyche in einer unkonventionellen Erzählweise.
"Karl Denke: Der Kannibale von nebenan" ist ein bemerkenswert stiller, aber verstörend intensiver Beitrag zum deutschen True-Crime-Kino, der sich einem der rätselhaftesten Serienmörder der deutschen Geschichte widmet. Unter der Regie von Heintje Peter entsteht ein Film, der sich der Sensationslust konsequent verweigert und stattdessen einen psychologisch dichten, atmosphärisch kammerspielartigen Zugang zur Figur des Karl Denke wählt. Die Geschichte spielt fast ausschließlich im Verhörzimmer eines kleinen Polizeireviers, in dem Denke - brillant gespielt von Rolf Bach - seinem Gegenüber, dem ruhigen, aber zunehmend fassungslosen Ermittler Kommissar Grabner, verkörpert von Michael Ransburg, Rede und Antwort stehen soll.
Diese Beschränkung auf Raum und Zeit gibt dem Film eine fast theatrale Strenge, erlaubt aber zugleich eine enorme Verdichtung der psychologischen Dynamik. Die Gespräche zwischen Täter und Ermittler entfalten sich langsam, aber unnachgiebig, dabei nie effekthascherisch oder moralisierend. Vielmehr liegt der Schrecken in der Banalität: Denke wirkt wie ein stiller, verschrobener Mann, höflich, beinahe freundlich – und gerade diese Normalität macht die Abgründe seiner Taten umso erschreckender. Der Film zeichnet sein Psychogramm mit leisen Tönen, durch Blicke, Pausen und die schwer erträgliche Stille, die sich zwischen den Dialogzeilen aufbaut. Die Kameraarbeit ist zurückhaltend, aber präzise: statische Einstellungen, leichtes Flackern des Lichts, subtile Details wie ein tropfender Wasserhahn oder das langsame Beschlagen eines Fensters erzeugen eine zunehmende Klaustrophobie, ohne dass der Film jemals auf Horror-Elemente im klassischen Sinn zurückgreift.
Auch die Ausstattung überzeugt - alles wirkt detailgetreu, aber nie museal. Der Film wurde teilweise im oberen Vogtland gedreht, was durch die geerdete, leicht verwitterte Kulisse eine zusätzliche Authentizität erhält. Besonders beeindruckend ist die Leistung von Rolf Bach, der es schafft, Denke weder zum Monster noch zum bloßen Opfer seiner Zeit zu stilisieren. Seine Darstellung lässt Raum für Irritation, Zweifel und auch für Verstörung – genau das, was ein Film über eine solche Figur leisten muss. "Karl Denke: Der Kannibale von nebenan" ist ein stilles, aber nachhaltiges Werk, das sich dem Grauen mit Respekt und psychologischer Tiefe nähert. Kein Film für einen unterhaltsamen Abend - aber einer, der lange nachwirkt. Wer sich für die dunklen Seiten der menschlichen Natur interessiert und den Mut hat, sich mit ihr in aller Nüchternheit auseinanderzusetzen, findet hier ein bemerkenswert konsequent erzähltes Kammerspiel - eindringlich, unbequem und erschütternd real.
6/10
Inhaltsangabe: amazon Video
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