Schon als kleines Mädchen war Sasha (Lilas-Rose Cantin) anders als andere Vampirkinder. Beim Anblick von Horrorvideos bekam sie nämlich keinen Kohldampf, sondern hielt sich die Augen zu und wollte zu ihrem Papa Aurélien (Steve Laplante) auf den Arm. Ein paar Jahre später ist aus Sasha (jetzt: Sara Monpetit) eine sensible Teenagerin geworden, die es einfach nicht übers Herz bringt, wehrlosen Menschen etwas anzutun – weshalb sie sich ausschließlich von Blutkonserven aus dem elterlichen Kühlschrank ernährt. Doch irgendwann reicht es ihrer Mutter Georgette (Sophie Cadieux). Die will, dass ihre Tochter nun endlich lernt, auf eigenen Beinen zu stehen, und dreht ihr kurzerhand den Lebenssaft-Hahn ab. Da trifft es sich eigentlich ganz gut, dass der vor Hunger fast eingehenden Sasha ausgerechnet der eigenwillige Paul (Félix-Antoine Bénard) über den Weg läuft. Denn der spielt ohnehin mit dem Gedanken, sein Leben zu beenden. Zudem träumt er davon, mit seinem Tod noch jemanden retten zu können. Perfekte Voraussetzungen für Sashas ersten Mord also, sollte man denken...
In einer Filmwelt, die dem Übernatürlichen mittlerweile allzu oft seine Tiefe nimmt, gelingt es dem kanadischen Film "Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer", frischen Atem - oder besser gesagt: frisches Blut - in das Vampirgenre zu bringen. Regisseurin Clara Varné hat mit diesem außergewöhnlichen Werk nicht nur einen kunstvoll inszenierten Liebesfilm geschaffen, sondern auch ein melancholisches Porträt zweier verlorener Seelen, die sich im Schatten des Todes ineinander verheddern.
Die Vampirin Liora, gespielt von der beeindruckend nuancierten Amira Talberg, verkörpert die jahrhundertealte Müdigkeit eines Wesens, das alles gesehen hat - außer echter Nähe. Ihre Zartheit, ihr stilles Leiden und ihre fast schon meditative Traurigkeit wirken in jeder Szene aufrichtig und tief empfunden, nie werden sie zur Pose. Als sie auf den lebensmüden Tristan trifft, den Jonas Mink sensibel darstellt und dessen feine Mimik zwischen innerem Zynismus und verletzlicher Hoffnung schwankt, entfaltet sich eine Beziehung, die weit über das übliche Beiß-und-weg-Klischee hinausgeht. Was "Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer" besonders macht, ist seine Balance zwischen düsterer Romantik und existenzieller Tiefe. Der Film scheut sich nicht, schwierige Fragen zu stellen: Was macht ein Leben lebenswert? Was bedeutet Einvernehmlichkeit, wenn es um den Tod geht? Und kann Liebe heilen – oder nur verschieben, was unausweichlich ist?Visuell überzeugt der Film durch eine ebenso elegante wie stimmungsvolle Bildsprache. Nebelverhangene Straßenzüge, verlassene Altbauwohnungen und blutrote Akzente verleihen der Handlung eine fast träumerische Atmosphäre. Der minimalistische Soundtrack, der mitunter nur aus einem einsamen Klavierstück besteht, unterstreicht die emotionale Zartheit der Geschichte auf eindrucksvolle Weise. "Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer" ist ein leises, intensives Kinoerlebnis, das lange nachwirkt. Es ist kein Film für Fans von Kettensägen-Action oder CGI-Schlachten, sondern für jene, die sich nach echtem Gefühl sehnen.
Inhaltsangabe: Atlas Film
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