Mittwoch, 1. Mai 2024

Mars Express (2023)

https://www.imdb.com/title/tt26915336/

Im Jahr 2200 werden die eigenwillige Privatdetektivin Aline Ruby (Stimm eim Original: Léa Drucker) und ihr Androidenpartner Carlos Rivera (Daniel Njo Lobé) von einem reichen Geschäftsmann angeheuert, um auf der Erde eine berühmte Hackerin zu fassen. Zurück auf dem Mars führt sie ein neuer Fall in die Eingeweide der Mars-Hauptstadt Noctis, wo sie nach der verschwundenen Kybernetik-Studentin Jun Chow (Geneviève Doang) suchen. Noctis ist ihre Stadt, eine libertäre Utopie, die durch Fortschritte in der Robotik ermöglicht wurde und das Sinnbild einer Zukunft ist, die nach den Sternen greift. Im Laufe ihrer Ermittlungen werden sie mit den dunkelsten Geheimnissen ihrer Stadt konfrontiert: korrupte Institutionen, Schmuggel, Gehirnfarmen und die Machenschaften der mächtigen Konzerne. Doch auch Killer aus dem Cyberspace haben es auf Jun Chow abgesehen. Aline und Carlos begeben sich auf einen verzweifelten Wettlauf, um die junge Frau zu retten, die, ohne es zu wissen, ein Geheimnis hütet, das das prekäre Gleichgewicht, auf dem ihre Zivilisation beruht, bedrohen könnte.

Ein ganz normales Studentenwohnheim, ein ganz normaler Morgen. Eine junge Frau streichelt ihr Haustier. Plötzlich klingelt es an der Tür. Sie öffnet die Tür, ohne zu wissen, dass dahinter ihr Verderben lauert. Von der ersten Minute an packt einen "Mars Express" mit seiner rohen und brutalen Gewalt. In der düsteren futuristischen Welt, die Regisseur Jérémie Périn und Autor Laurent Sarfati erschaffen haben, scheint Hoffnung eine Seltenheit zu sein, die durch den Zynismus von Robotern und Menschen gleichermaßen ersetzt wurde. Doch als Fan von Hard-Science-Fiction und Neo-Noir ist man definitiv schon vor dem Ende der Einleitung im siebten Himmel.

Der Zuschauer folgt Aline Ruby (Léa Drucker), einer Privatdetektivin im Chinatown-Stil, die vom versuchten Mord an Jun Chow besessen ist, der eigentlich das Ziel des Attentäters war, der den armen Studenten früher im Film getötet hat, und entdeckt eine düstere Zukunft, in der Androiden die letzte Spezies sind, die von der Menschheit versklavt wird. Von der Gesellschaft gemieden und wie Freaks behandelt, sind sie gezwungen, sich um alle menschlichen Bedürfnisse und Wünsche zu kümmern, selbst und - natürlich - um die dunkleren. Was an "Mars Express" gefällt hat, ist, dass der Zuschauer, nicht unähnlich "Ghost In The Shell", welchen Périn als einen der Haupteinflüsse dieses Films nennt, diese Welt nicht nur aus Alines Sicht entdecken, sondern auch durch die Holo-Augen des Androiden Carlos Rivera. Alines langjähriger Kollege Rivera starb fünf Jahre vor den Ereignissen des Films bei einem traumatischen Söldnerfeldzug, und sein ganzes Sein ist nun in einen rostigen und veralteten Cyborg-Körper hochgeladen. Der herzzerreißende Handlungsbogen dieser Figur, die verzweifelt versucht, mit seiner Frau und Tochter wieder zusammenzukommen, die nach seinem Tod inzwischen weitergezogen sind, führt zu vielen kraftvollen Momenten. Wird Rivera am Ende mit ihrer Familie wieder vereint? Was wird mit Jun Chow inmitten der großen Verschwörung geschehen, die der Film langsam aber sicher andeutet? Und welche Verbindung besteht zwischen Rivera, Ruby und dem exzentrischen Milliardär Chris Roy Jacker (Mathieu Amalric), dem einflussreichsten Mann auf dem Mars? 

Keine Frage, "Mars Express" macht es einem manchmal schwer, vollständig folgen zu können. Aber es ist diese Dichte an Charakteren, Handlung und Weltdesign, die einen die ca. 80 Minuten lang auf seinem Sitz hält, die sich wie ein langsamer und tiefer Sprung vom Rand eines unerforschten Abgrunds anfühlen. Ein Ort, an dem Geheimnisse enthüllt werden und die Charaktere danach streben, die ultimative Antwort zu finden, den Sinn ihres Lebens. Diese einzigartige Atmosphäre wird nicht nur durch ein dichtes Szenario und komplexe Dialoge erreicht, sondern auch durch die faszinierende Filmmusik der französischen Komponisten Fred Avril und Philippe Monthaye. Durch die Mischung elektronischer Musik und typischer Science-Fiction-Atmosphäre erwecken sie dieses technokratische Universum zum Leben, in dem die Menschheit sowohl Herr als auch Sklave ihrer eigenen Entwürfe ist. Und während man von Planetensystemen zu neuen Grenzen reist, füllen die wunderbar ausgewogenen Klangschichten den Raum. Die großartigen Planetenlandschaften, die "Mars Express" bietet, haben etwas von "Interstellar". Anders als bei diesem Film braucht man aber auch etwas Zeit, um sich mit den Charakteren zu identifizieren. Rivera und Ruby sind ein düsteres Duo, aber man ist nicht ganz überzeugt, bis der Film wirklich begann, sich mit ihren Hintergründen zu befassen, insbesondere mit Carlos, der definitiv die interessanteste Figur im Film ist. Und die Tatsache, dass er der Android ist, sagt viel über die zynische Sichtweise aus, die "Mars Express" von Anfang bis Ende antreibt. Während Menschen vielleicht die meiste Zeit im Kino verbringen, wird überdeutlich, dass die Charaktere in "Mars Express", sei es Aline, Jun oder sogar der Milliardär Jacker, in dieser Realität völlig den Halt verloren haben. Ihre von urzeitlichem Überlebenswillen, Fatalismus, Wahnsinn oder sogar purer Verzweiflung getriebenen Handlungen verleihen "Mars Express" einen radikalen, erwachsenen Ton und eine düstere Botschaft. In Périns Universum ist der Mars definitiv das neue Chinatown. Und wie man sich denken kann, ist dies definitiv keine familienfreundliche Buddy-Cop-Komödie. Action-Fans werden in den wundersamen Kampfsequenzen, die zwar selten sind, denen es aber sicher nicht an Intensität mangelt, jedoch einige Leckerbissen finden. Der geneigte Cineast kann zudem leicht die Hommage erkennen, die "Mars Express" beispielsweise Verhoevens satirischem Stil erweist. Und das ist nur einer von vielen Einflüssen, die man beim Stöbern in diesem hinreißenden Film entdecken kann.

Es ist unglaublich schwierig ist, über den Film zu sprechen, ohne zu viel zu verraten. Der Film ist dicht, der Rhythmus ist ungleichmäßig, einigen Charakteren fehlt es vielleicht ein wenig an Tiefe und nicht alle Einstellungen treffen punktgenau. Doch je mehr man darüber nachdenkt, desto mehr entdeckt man Details und Feinheiten und dieses "Ach ja, da war ja noch..." und man kommt nicht umhin, sich nach den wunderschönen Landschaften zu sehnen und noch tiefer in das Herz der betörenden Dunkelheit einzutauchen. Und diesem Gefühl wird man wahrscheinlich mehr als einmal erliegen.

8/10

Quellen
Inhaltsangabe: Capelight
Poster/Artwork
Capelight

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