Freitag, 6. September 2019

[KINO] It: Chapter Two - Es: Kapitel 2 (2019)

https://www.imdb.com/title/tt7349950/

27 Jahre sind vergangen, seit sich mehrere Kinder in der Kleinstadt Derry einem Monster in den Weg stellten und es scheinbar besiegten. Als Derry erneut von einer Mordserie heimgesucht wird, dämmert dem als Bibliothekar arbeitenden Mike Hanlon (Isaiah Mustafa), dass ES zurück ist und er beschließt, seine einstigen Freunde vom Club der Verlierer anzurufen. Sie alle haben Derry längst den Rücken gekehrt und erinnern sich nicht einmal mehr daran, was damals passiert ist. Doch als Bill Denbrough (James McAvoy), Beverly Marsh (Jessica Chastain), Ben Hanscom (Jay Ryan), Richie Tozier (Bill Hader), Eddie Kaspbrak (James Ransone) und Stanley Uris (Andy Bean) den Anruf von Mike erhalten und von ihm an ein altes Versprechen erinnert werden, wissen sie, dass sie aus irgendeinem Grund zurück nach Derry müssen. Bevor sie jedoch erneut den Kampf mit dem meist in Form des sadistischen Clowns Pennywise (Bill Skarsgård) auftretenden ES aufnehmen können, müssen sie sich erst einmal daran erinnern, was in ihrer Vergangenheit passiert ist…

Eine Verfilmung von Stephen Kings möglicherweise berühmtestem Roman "Es", der (gemeinsam mit seiner Miniserienadaption von 1990) massenhafte Coulrophobie in einer ganzen Generation von Kindern und Jugendlichen auslöste, konnte nie ein leichtes Unterfangen werden. Mit über 1000 Seiten, mehreren Hauptfiguren, einer komplexen Mythologie und zwei ineinander verwobenen Zeitsträngen, die 27 Jahre auseinanderliegen, ist er eine Herausforderung an jeden Drehbuchautor. Es geschah daher nicht ohne Grund, dass die erste Adaption ein TV-Zweiteiler wurde. Auch der ursprüngliche Regisseur und Autor der Kinofassung, Cary Joji Fukunaga, entschied sich für eine Aufteilung in zwei Filme. Fukunaga ging nach unüberbrückbaren kreativen Differenzen mit Warner Bros., seine Idee wurde jedoch beibehalten und vom Regisseur Andy Muschietti und Autor Gary Dauberman umgesetzt. Die natürliche Aufteilung bot sich durch die zwei Timelines im Roman an. Während der erste Film einzig und alleine den Kindern bei ihrem Kampf gegen Pennywise folgte, konzentriert sich "Es: Kapitel 2" auf die erwachsenen Verlierer 27 Jahre später. Dabei nähert sich der zweite Film der Erzählstruktur des Romans mehr an, indem er die gegenwärtige Handlung mit den Flashbacks verbindet.


Insofern ist "Es: Kapitel 2" einerseits keine klassische Fortsetzung, sondern vielmehr eine organische Fortführung und der Abschluss einer sehr ambitionierten Adaption eines Monumentalwerks der Horrorliteratur. Andererseits folgt der Film aber auch dem typischen Sequel-Motto Hollywoods: größer, länger, blutiger. Schaut man sich viele Horrorklassiker an, dann merkt man, dass sich gerade in dem Genre der Ansatz "weniger ist mehr" bewährt hat. Andy Muschietti hält offenbar nicht viel davon. Bei ihm heißt es: "Viel mehr ist mehr." Und das ist leider gar nicht gut, denn hier geht viel an Substanz und Subtilität verloren.

Nach dem durchschlagenden Kassenerfolg des ersten Films erhielt Muschietti ein deutlich größeres Budget für das zweite Kapitel und das lässt er die Zuschauer nie vergessen, indem er ein Tsunami an groß angelegten Monster- und Horroreffekten auf der Leinwand entfesselt. Seine Vorliebe dafür, das Grauen in all seiner ekelerregenden Schaurigkeit explizit zu zeigen, merkte man bereits seinem Debüt "Mama" und dem ersten "Es" an, doch in "Es: Kapitel 2" darf er sich wirklich nach Herzenslust austoben. Er flutet die Leinwand buchstäblichen mit Blut, lässt Pennywise alle möglichen, zum Teil überdimensionalen Formen annehmen (auch der berühmt-berüchtigten Spinne wird Tribut gezollt) und schafft einige bemerkenswerte Szenen, allen voran in einem Spiegelkabinett auf dem Jahrmarkt des Horrors. Dass dabei ein CGI-Overkill aufkommt scheint ihn wenig zu stören. Die Gruselmomente sind zwar böser und zuweilen auch deutlich härter als im ersten Teil, doch nach einer Weile wirkt die Effekthascherei auch ein wenig redundant und ermüdend, und man sehnt sich nach wirklichem Grusel und dichterer Atmosphäre, die unter die Haut geht. Diese lässt der Film leider zugunsten der teuersten Geisterbahn der Filmgeschichte vermissen. Wo in "Es" noch richtige Schockmomente auftraten, die das ganze Kino aufschrecken ließen (Beverly im Bad), kann man hier jeden einzelnen Gruselmoment vorhersehen. Damit entfaltet "Es: Kapitel 2" beiweitem nicht die Kraft, die sein Vorgänger noch so wunderbar inne hatte. Auf eine gewisse Weise ist der Film gerade in dieser Hinsicht aber einzigartig, denn er beantwortet die Frage, wie ein Horrorfilm aussehen würde, wenn die Macher ein riesengroßes Budget und kaum Einschränkungen auferlegt bekommen. Man stelle sich einen "Nightmare On Elm Street"-Film und dessen Regisseur vor, welcher ein Blockbuster-Budget für die Umsetzung von Freddys Albtraumszenarien hatte. Denn an Wes Cravens Traum-Killer erinnern die Auswüchse des Pennywise-Horrors am meisten, da auch der Clown konfrontiert seine Opfer mit ihren größten Ängsten und Unsicherheiten, und ernährt sich von deren Angst, bevor er sie umbringt.

Die Zweiteilung der Verfilmung war wahrscheinlich der einzig sinnvolle Weg einer Umsetzung für die Leinwand, bringt aber auch einen Nachteil für den zweiten Film mit sich. Die Coming-of-Age-Geschichte der Kinder ist inhärent interessanter und für viele Zuschauer nachempfindbarer als die Geschichte der Erwachsenen. Das war schon in der Romanvorlage und der TV-Adaption der Fall. Filme wie "Die Goonies" und "Stand By Me", oder auch die von ihnen aber auch von Stephen Kings inspirierte Netflix-Serie "Stranger Things" erfreuen sich anhaltender Beliebtheit und eines Kultstatus, weil die Zuschauer sich dadurch in die eigene Kindheit zurückversetzt fühlen, eine Zeit unkomplizierter Freundschaften, Abenteuer und Herausforderungen des echten Lebens, die man gemeinsam bewältigte und an denen man wuchs. Seit jeher finden diese Geschichten großen Anklang. "Es: Kapitel 2" bringt zwar die jungen Darsteller des Vorgängerfilms in clever eingebundenen Flashbacks zurück, sie spielen jedoch eine deutlich untergeordnete Rolle. War der erste Film nur vordergründig Horror, funktionierte jedoch noch besser als Coming-Of-Age-Drama, beschäftigt sich das zweite Kapitel mit Traumabewältigung und -aufarbeitung, tendiert aber dabei noch mehr zum echten Genrekino. Das wird sicherlich die Zuschauer freuen, denen "Es" zu zahm war. Der neue Film ist in jeder Hinsicht erwachsener, fieser und teilweise auch härter, lässt jedoch die verträumte Magie von Teil 1 jedoch schmerzlich vermissen. Dafür sind zwei Cameos (eine von Stephen King persönlich und von Brandon Crane, der im originalen TV-Film den jungen Ben Hanscom spielte), umso schöner anzusehen.

Immerhin sind die Hauptrollen der erwachsenen Verlierer extrem passend besetzt. Bei jedem der Darsteller kauft man sofort ab, dass sie die erwachsene Version ihres jeweiligen Charakters sind. Das wird erst recht durch die Rückblenden verdeutlicht, die jede Figur einzeln erlebt. James McAvoyund Jessica Chastain sind natürlich die ganz großen Stars im Cast, doch die wirklich herausragende und in einer fairen Welt Oscar-würdige Darbietung liefert hier Bill Hader als Richie ab. Er ist der vielschichtigste Charakter des Films, der die größte Entwicklung durchmacht. Er sorgt einerseits für die heiteren Momente des Films, aber auch für seine emotionalsten. Seine Chemie mit James Ransone als Eddie, die möglicherweise über reine Freundschaftsgefühle hinausgeht, ist spürbar. Jessica Chastain, die bereits in Muschiettis "Mama" mitgespielt hat, hat auch einige sehr kraftvolle Momente, die sich in Bevs Vorgeschichte und Sophia Lillis' brillante Performance im letzten Film gut einfügen. Dafür schwankt die Performance des in der Regel sehr zuverlässigen James McAvoy als Bill etwas gewöhnungsbedürftig zwischen teilnahmslos und manisch, sodass man als ein Kind in dem Film, das er vor Pennywise zu beschützen versucht, vor ihm noch deutlich mehr Angst haben könnte. Dass sein Charakter, der natürlich stellvertretend für King selbst steht, ein Schriftsteller ist, der oft Schwierigkeiten mit den Enden seiner Romane hat, ist eine nette Meta-Note, die jedoch spätestens durch dessen Cameo mit dem Vorschlaghammer ausgereizt wird.

Erfreulich ist, dass Bill Skarsgård in dem Film als Pennywise, der tanzende Clown, mehr Screentime und vor allem noch mehr Spaß in der Rolle hat. Dagegen fühlt sich sein Auftritt im ersten Film fast schon zaghaft und zurückhaltend an. In der Fortsetzung darf der Clown herrlich ausgelassen böse sein, wenn er mit den Verlierern spielt, sie verhöhnt und heimsucht. Der erste Kampf hat nicht nur ihnen seine Spuren hinterlassen, sondern auch bei Pennywise, der die Sache sehr persönlich nimmt. Skarsgård schafft gekonnt den Spagat zwischen furchterregend, verspielt, schwarzhumorig und, wenn die Geschichte es verlangt, verängstigt.


Mit knapp 170 Minuten gehört "Es: Kapitel 2" zu den längsten Horrorfilmen aller Zeiten und die Laufzeit macht sich gerade im letzten Akt leider bemerkbar. Der Film ist nicht langweilig, keineswegs, doch es schleichen sich Längen ein, die man spürt. Die Vorlage ist natürlich sehr umfangreich, und das Duo Muschietti/Dauberman versucht, ihr möglichst gerecht zu werden. Ein Film wie dieser kann seine epische Länge durchaus rechtfertigen, es hapert allerdings an dem Flow und der Verteilung des Tempos. Zwar wird es zu keinem Zeitpunkt langweilig, weil der Regisseur in regelmäßigen Abständen in das Gruselkabinett einlädt und die Schauereffekte herabprasseln lässt, doch zugleich zieht sich der knapp dreiviertelstündige Showdown und zerrt am Geduldsfaden.

Viel lieber hätte man dann restrospektiv mehr Zeit mit den Verlierern zusammen verbracht, deren bester Moment das Wiedertreffen im chinesischen Restaurant ist. In dieser Szene entfaltet sich die Dynamik der Gruppe, indem alte Freundschaften wie aus einem lange vergessenen Traum wieder erwachen. Leider schickt der Film die Charaktere danach getrennter Wege und bringt sie erst richtig zum überlangen Finale wieder zusammen, das jedoch mehr mit Effekten als mit den Figuren beschäftigt ist. Kurios ist dabei, dass der Film sich zwar als zu lang anfühlt, man zugleich aber auch merkt, dass hier und da etwas fehlt und die Übergänge manchmal holprig sind. So erhält man beispielsweise anfangs kurze Einblicke in die privaten Probleme von Bill und Beverly, diese werden jedoch nie wieder aufgegriffen. Vielleicht wird die von Muschietti versprochene Langfassung bzw. der Supercut der beiden Kapitel für das optimale Tempo sorgen. Unterm Strich ist "Es: Kapitel 2" nach guter, alter Hollywood-Manier größer, böser, härter und ambitionierter: getreu dem bewährten Sequels-Credo bringt "Es: Kapitel 2" die Adaption von Stephen Kings Horrorepos zu einem zufriedenstellenden Abschluss. Doch auch mit einem sichtlich größeren Budget, ausgefallenen Effekten und einem namhaften Cast, aus dem Bill Hader mit einer fantastischen, vielschichtigen Performance herausragt, reicht der Film nicht im Ansatz an seinen magisch verträumten Vorgänger und dessen Sensibilität heran. Insbesondere im letzten Akt seiner fordernden 170-minütigen Laufzeit schleichen sich spürbare Längen ein. Dennoch sind beide Filme zusammen ein tatsächlich grandioses Erlebnis eines King-Romans - so wie er sein sollte. Dass das zweite Kapitel nun etwas hinter dem großartigen ersten Teil deutlich hinterherhinkt, könnte man auf den CGI-Overkill und den Mangel an Sensibilität schieben. Und dennoch ist es äußerst unterhaltsam, zusammen mit den Verlierern nach Derry zurück zu kehren.

7/10

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