https://www.imdb.com/title/tt0086993/
Die bekannte Story des Lieutenants William Bligh (Anthony Hopkins), dessen Grausamkeit zu einer Meuterei auf der Bounty führt. Fletcher Christian (Mel Gibson) kämpft dafür, seine Männer außer Reichweite der britischen Rechtsprechung zu schaffen, während der gnadenlose Bligh, mit den Getreuen unter der Schiffsbesatzung in einem winzigen Rettungsboot zur Küste von Ost-Timor zu gelangen versucht, nachdem er von Fletcher ausgesetzt wurde. Die Meuterer unter Fletcher müssen befürchten, dass sie der lange Arm des britischen Königreichs erreicht, wenn sie sich in bekannten Gefilden aufhalten. Deswegen versuchen sie einen Ort zu finden, der auf den Seekarten nicht verzeichnet ist. Begleitet werden sie dabei von ein paar hübschen Tahitianerinnen, die sie noch vor der Meuterei auf Tahiti kennengelernt haben...
Das ist schon die dritte Verfilmung von der Geschichte der Meuterei auf der Bounty. "Die Bounty" gilt indes zwar nicht als erste Referenz, wenn es darum geht, sich dem Thema filmisch anzunehmen (hier wird vor allem auf "Meuterei auf der Bounty" von 1962 mit Marlon Brando und Trevor Howard verwiesen), allerdings kommt die fiktionale Darstellung von Roger Donaldson den historisch verbürgten Ereignissen am nächsten. Das schlägt sich nicht zuletzt darin nieder, dass die Beziehung zwischen Lt. William Blight und seinem ersten Offizier Fletcher Christian zu Beginn eine freundschaftliche, anstatt sie - wie andere Verfilmungen - von vornherein als spannungsgeladen zu bezeichnen. Gerade durch diesen bestätigten Umstand, dass sich Christian und Bligh sich durchaus gewogen waren und in der Vergangenheit bereits zusammen auf Reisen gingen, erhält die Meuterei auf der Bounty eine neue, viel deutlichere Fallhöhe. Dieser - irgendwann nahezu unausweichliche - Vorfall stellt die Binnenhandlung von "Die Bounty" dar, während sich Bligh in der Rahmenerzählung vor seinen Vorgesetzter der königlichen Marine dafür verantworten muss, die Kontrolle über sein Schiff verloren zu haben. Wie konnte es soweit kommen?
Regisseur Roger Donaldson konnte in seinem Abenteuerfilm eine ganze Reihe illustrer Darsteller engagieren, die damals allerdings noch nicht auf ihrem Karriere-Höhepunkt angelangt waren. Dennoch ist es natürlich eine wahre Freude, in die - übertrieben gesprochen - jugendlichen Gesichter heutiger Weltstars zu blicken. Anthony Hopkins als ehrgeiziger und zunehmend wahnhafter Kapitän der Bounty Lieutenant William Bligh und Mel Gibson als Fletcher Christian Master's Mate spielen sich die Sympathie des Zuschauers dabei immer zu. Nehmen im Laufe der Filmhandlung die disziplinarischen Maßnahmen von Hopkins' Figur Bligh immer entwürdigendere und sadistischere Züge an, wähnt man Gibsons Christian als Identifikationsfigur. Doch auch dessen Motive gelten oftmals nur seinem eigenen Interesse. Eher im Hintergrund halten sich mit Daniel Day-Lewis ein heutiger und mit Liam Neeson ein ehemaliger Charaktermime. Der renommierte Brite Laurence Olivier darf in einigen kurzen Passagen als Admiral Hood, oberster Richter des Tribunals, auftreten.
Roger Donaldson und sein Kameramann Arthur Ibbetson benötigen nur wenige Minuten, um einen Eindruck davon zu erschaffen, wie ungemein bildgewaltig "Die Bounty" arrangiert ist. Ausstattung und Kostüme sind in ihrer formvollendeten Erhabenheit preisverdächtig; der authentische Nachbau der Bounty erweist sich als eindrucksvolles Zeugnis handwerkliche Größe – und der Score von Vangelis ist, wie gewohnt, schlichtweg exzellent. Seine Komposition nutzt malerische Klänge, die die paradiesischen Örtlichkeiten unterstreichen. Vangelis scheut sich aber auch nicht davor, auf bedrohlich brummende Sounds zurückzugreifen - etwa wenn die Freundschaft zwischen Bligh und Christian erste Risse erhält und sich drohendes Unheil ankündigt. Mit den für das Historienkino typischen Schauwerten wird zweifelsohne nicht gegeizt, der Schwerpunkt allerdings liegt auf der Gruppendynamik, die sich mit der Ankunft auf Tahiti zusehends verändern. Gastfreundlich von den Einheimischen und der paradiesischen Naturkulisse empfangen, erkennen viele Männer der Besatzung hier den Himmel auf Erden; ein Ort, an dem der Geist fernab jeden psychischen Drucks frei sein darf. Die Weiterfahrt verzögert sich mehr und mehr.
Bligh, der kein Unmensch und sicherlich kein Sadist von Haus aus ist, aber von seinem ehrgeizigen Anspruch, möglichst schnell die Karriereleiter aufsteigen zu wollen, angetrieben wird, sieht seine Integrität als Kapitän in Gefahr und seinen männlichen Stolz verletzt. Sein irgendwann unverhältnismäßiges Beharren auf blinden Gehorsamen lässt die Situation alsbald eskalieren. Dadurch, dass Roger Donaldson und Drehbuchautor Robert Bolt darauf verzichten, einzelne Charaktere einer klaren Gut-und-Böse-Dialektik unterzuordnen, sondern vielmehr als Produkt ihrer Herkunft und Erfahrungen zeichnet, gewinnt "Die Bounty" zusehends an Kraft durch ihren Umgang mit (zwischen-)menschlichen Ambivalenzen und hinterfragt dadurch nicht nur die Grundzüge militärischer Führungsstile, sondern befasst sich auch mit dem destruktiven Wesen von Status und Macht, um dadurch letztlich das schwerwiegende Zerwürfnis einer jahrelangen Freundschaft zu besiegeln.
Mit "Die Bounty" liefert der australische Filmemacher Roger Donaldson einen beachtlichen Beitrag zum oftmals muffig anmutenden Historienkino ab: Bildgewaltig, hochkarätig besetzt, über 130 Minuten durchaus packend. Der Schwerpunkt dieser Verfilmung der geschichtsträchtigen Meuterei aber liegt natürlich nicht auf den (in Hülle und Fülle vorhandenen) Schauwerten, sondern auf der Beobachtung der Psychologie der Figuren.
7/10
Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film hierzulande in HD in einem tollen Mediabook:
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