Sonntag, 9. Juni 2019

Ballon (2018)

https://www.imdb.com/title/tt7125774/

Die Familien Strelzyk und Wetzel leben in der DDR und wollen weg. Im Sommer 1979 ist es so weit: Nach zwei Jahren harter Arbeit starten Peter (Friedrich Mücke), seine Frau Doris (Karoline Schuch) und ihre beiden Kinder (Jonas Holdenrieder und Tilman Döbler) sowie das Ehepaar Günter (David Kross) und Petra (Alicia von Rittberg) mit seinen zwei Söhnen (Ben Teichmann und Christian Näthe) endlich ihren Fluchtversuch in einem selbstgebauten Heißluftballon. Doch die Flucht aus ihrer Heimat in Thüringen endet kurz vor der innerdeutschen Grenze, als der Ballon abstürzt. Die beiden Familien arbeiten fieberhaft an einem neuen Ballon, denn mittlerweile ist ihnen die Stasi auf die Schliche gekommen und beginnt mit den Ermittlungen. Noch kennt die DDR-Geheimpolizei den Absturzort nicht, doch die Schlinge zieht sich immer enger zu. Es beginnt ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit...

Michael 'Bully' Herbig sollte öfter ernste Filme machen. Mit "Ballon" liefert er einen ernsten, emotionalen und auch spannenden Thriller ab. Mit authentischer Detailverliebtheit und einer stimmungsvollen Inszenierung holt er den Zuschauer ins Jahr 1979 und lässt ihn die spektakuläre Ballonflucht hautnah miterleben. Mit seiner Verfilmung gelang ihm damit spannendes und unterhaltsames Kino, wie man es im deutschen Film mit der Lupe suchen muss. Keine Spur von den oft anzutreffenden "Tugenden" (verkopftes oder banales Dauergeschwafel, zähe Plots, stagnierende Handlung, hölzerne Inszenierung, amateurhaftes Acting usw.), sondern eine stringent umgesetzte, überzeugend gespielte Handlung, basierend auf einer wahren Geschichte, die den Zuschauer beschäftigt und keine Minute Langeweile aufkommen lässt. Der Wunsch der Flucht war in der ehemaligen DDR allgegenwärtig. Doch es wird kaum beleuchtet, warum gerade diese Familien ihre Kinder und sich selbst in solch große Gefahren bringen. Ist das wichtig? Kaum.

Denn besonders gelungen ist die Darstellung der ständigen Bedrohung durch den DDR-Spitzelstaat, wozu auch der passend gewählte Score beiträgt. Man hat das mulmige Gefühl der Angst im Magen. Man zweifelt. Ist diese Person ein Stasi-Mitarbeiter? Oder der? oder die? Man bekommt regelrecht Angst. Angst, entdeckt zu werden und kann nachfühlen, wie es den "Republikflüchtigen" ergangen sein muss. Nach einem misslungenen Versuch, bei dem der erste Ballon zurückblieb, war klar, dass die Behörden hinter den beiden Familien her waren und es nicht mehr lange dauern konnte, bis die Stasi vor der Tür steht. Um so etwas durchzuziehen, braucht man Nerven wie Drahtseile, was gut umgesetzt wurde. Auch Faux-pás und dumme Fehler, die in so einer angespannten Lage zwangsläufig geschehen, wurden hervorragend fokussiert. Herbig beleuchtet fiktiv auch die Ermittlerseite und lässt sie die Schlinge immer enger ziehen, während die beiden Familien mit Problemen beim Bau ihres Ballons zu kämpfen haben. Ein kluger Dramaturgie-Schachzug, der zum Ende hin allerdings etwas in die Überdramatisierung driftet und dafür im Ablauf stellenweise die Nachvollziehbarkeit opfert.

Leider stützt sich der Film lediglich auf die Erzählungen von Peter Strelzyk. Auf seiner Seite, ballonflucht.de, wird die komplette Geschichte vom Konstrukteur des Ballons, Günter Wetzel, selbst dargestellt - und die ist etwas anders als im Film. Nun mag hier Aussage gegen Aussage stehen, wer nun was wie wann gebaut und die Idee dazu gehabt hat - am Film ändert sich deswegen nichts. "Ballon" ist ein Stück deutscher Geschichte und ein technisches Husarenstück, geboren aus Freiheitsdrang, womit mutige und findige Bürger den Überwachungsstaat austricksten - Bully Herbig setzte ihnen ein würdiges Denkmal. Da kann man kaum anders, als den Hut zu ziehen und zu sagen: Da capo!

9,5/10

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