http://www.imdb.com/title/tt7323600/
Im Österreich des 15. Jahrhunderts lebt die junge Albrun (Celina Peter)
mit ihrer Mutter (Claudia Martini) in einer abgelegenen Hütte in den
Bergen. Als ihre Mutter schwer krank wird, wird Albruns ohnehin schon
schweres Leben noch härter und sie bleibt schließlich alleine zurück. 15
Jahre später ist Albrun (jetzt: Aleksandra Cwen) selbst Mutter, doch
weil weit und breit kein Vater oder Ehemann in Sicht ist, gilt sie in
der Dorfgemeinschaft als Außenseiterin. Als sie Freundschaft mit einer
anderen Frau aus der Gegend schließt, wird Albrun von dunklen Visionen
und Erinnerungen geplagt und die Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit
verschwimmt immer mehr...
Lukas Feigelfelds künstlerisches Folk-Horror-Debüt ist ein grimmiges Märchen für Erwachsene über Frauen, die während des europäischen Mittelalters als Hexen gemieden und verunglimpft wurden. Das Wort Hexe geht auf den althochdeutschen Begriff "Hagazussa" oder Hagezusse zurück. Er tauchte bereits im neunten Jahrhundert im Zusammenhang mit pflanzenkundigen Frauen auf und Feigelfeld macht daraus eine stimmungsvolle Folk-Horror-Fabel, die einen konstanten Sog schleichender Angst mit einem auffallend avant-gothischen, visuellen und beeindruckendem Stil verbindet. Es ist ein beeindruckendes Kinodebüt des in Wien geborenen Regisseurs. Erstaunlicherweise ist "Hagazussa" auch Feigelfelds Filmschulabschluss-Projekt und wurde teilweise mit Crowdfunding-Spenden finanziert. Aber es sieht und fühlt sich wesentlich substantieller an als die meisten Indie-Debüts, indem es mit seinem minimalistischen Dialog und seiner halluzinatorischen Handlung, die mehr auf David Lynch oder Lars von Trier als auf orthodoxe Horror-Meister zurückzuführen ist, selbstbewusst Genre-Regeln verbiegt. Während sein abstrakter, traumhafter Ton den Film leider zu einem Nischenprodukt machen wird, sollte dieser Film aber anspruchsvollere Genre-Fans ansprechen.
In den abgelegenen österreichischen Alpen im 15. Jahrhundert herrscht der Aberglaube. Während die Pest das Land heimsucht, tauschen paranoide Bauern hitzige Volksmärchen über böse Geister, Heiden, Juden und andere Außenseiter aus. Von ihren Nachbarn argwöhnisch betrachtet, teilen sich der junge Albrun (Celina Peter) und ihre Mutter (Claudia Martini) eine bescheidene Blockhausfarm in einem verschneiten Bergwald. In jungen Jahren verwaist, ist Albrun traumatisiert und allein gelassen, obwohl sie immer noch die gespenstische Stimme ihrer Mutter hört, die sie mitten in der Nacht anruft. 20 Jahre später. Die erwachsene Albrun (grandios: Aleksandra Cwen) ist jetzt selbst eine alleinerziehende Mutter, die noch mit einem neugeborenen Baby auf der Alm lebt. Der örtliche Priester meidet sie und die Nachbarn schikanieren sie immer noch routiniert: "Niemand will deine verdorbene Milch, du hässliche Hexe." schreien ihr Kinder, angestachelt von ihren Müttern hinterher. Die Dorfbewohnerin Swinda (Tanja Petrovsky) vermittelt Albrun eine Art unbehagliche Freundschaft, aber ihre Motive erweisen sich als boshaft und münden für die junge Frau in einem makaberen Sexualritual. Der letzte Akt sieht eine verrohte, geächtete, möglicherweise geistesgestörte Albrun in einen psychedelischen Albtraum aus höllischen Visionen und kannibalistischen Schrecken fallen.
Feigelfelds Werk ist in vier Akte geteilt. Mit "Schatten" wird das Leben der jungen Albrun behandelt, "Horn" und Blut" zeigen Albruns Werden und mit dem vierten Akt "Feuer" endet der Film. "Hagazussa" verlässt sich stärker auf episodische Set-Pieces als auf eine übergreifende Erzählung und inszeniert damit einige herausragende Szenen, darunter eine beunruhigend erotisierende Ziegenmelksequenz und ein lyrisches Unterwassertauchen in einen sumpfigen Teich. Ob diese erschreckenden Ereignisse tatsächlich mit Abrun geschehen sind, oder ob sie an Wahnvorstellungen und Halluzinationen leidet, ist eine Frage, die der Filmemacher im Film unbeantwortet lässt. Es gibt eine Menge Subtexte und eine endgültige Art von Auflösung, obwohl dies besser auf einer poetischen als auf einer wörtlichen Ebene funktioniert.
Aber auch wenn die Open-End-Geschichte nicht konventionellen Genre-Regeln entspricht, funktioniert "Hagazussa" sehr gut als eine faszinierende, audiovisuelle Symphonie. Meistens in langen, langsamen, hypnotischen, wortlosen Einstellungen mündend, präsentiert Feigelfeld zusammen mit seiner Kamerafrau Mariel Baqueiro eine malerische Parade von faszinierenden Bildern und fesselnden Motiven: Schädel, Kerzen, gehörnte Tiere, aufsteigender Nebel und winterliche Wälder. Die unheimliche akustische Untermalung kommt dabei von dem griechischen Avant-Rock-Trio MMMD und ist mit ihrem tiefen Stöhnen, ominösen Dröhnen und Flüsterbeschwörungen ein entscheidender Teil des Gesamtpakets. "Hagazussa" ist Poesie. Schwarze, böse, fürchterliche Poesie für Erwachsene, die sich nicht von einer minimalistischen Iszenierung abschrecken lassen. Grandios.
8,5/10
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