Samstag, 5. Mai 2018

[KINO FFFnights] Brawl In Cell Block 99 (2017)

http://www.imdb.com/title/tt5657856/

Der ehemalige Boxer Bradley verliert seinen Job als Auto-Mechaniker und steht vor den Trümmern seiner turbulenten Ehe. Jetzt ist es auch egal was er macht und fängt als Drogenkurier für einen alten Freund an. Schnell verbessert sich bei der guten Bezahlung seine Lebenssituation. Bis zu dem Tag als er in eine Schießereí zwischen der Polizei und seinen eigenen Leuten gerät. Bradley wird schwer verletzt und kommt auch noch ins Gefängnis. Für ehemalige Feinde aus der Freiheit soll er nun einige sehr gewalttätige Aufträge erledigen und verwandelt das Gefängnis fortan in ein gewalttätiges Schlachtfeld.

Vince Vaughn zerschmettert Schädel, um Jennifer Carpenter, die Mutter seines ungeborenen Kindes, in Regisseur S. Craig Zahlers visceralem Gefängnis-Thriller zu schützen. Zahler machte 2015 mit der völlig ungewöhnlichen und daher genialen Genre-Fusion "Bone Tomahawk", einem wild-idiosynkratischen Horror-Western, der seinen geschmackvollen Charakteren und Dialogen ebenso viel Aufmerksamkeit schenkte wie den blutrünstigen Gewaltausbrüchen seines wahrhaft genialen Höhepunkts. Der Autor und Regisseur hält sich auch hier erneut an den Slow-Burn-Ansatz und zusammen mit der genialen Vermischung von Genre-Exoten entstand so sein neuer Gefängnis-Thriller "Brawl In Cell Block 99", auch wenn der abseitige Humor des früheren Werkes weitestgehend fehlt. Der Titel ist dabei etwas irreführend, da es weniger eine Schlägerei als eine intermittierende Serie knochenbrechender Scharmützel ist, die aus dem brodelnden Krimi/Drama herausbrechen. Zahler arbeitet effektiv an Vaughns Schauspielerei, indem er ihn als Bradley Thomas ausgibt, einen stoischen Hulk-Verschnitt mit einem auf seinen rasierten Hinterschädel tätowierten Kreuz, einer hohen Toleranz für Schmerz und ein natürliches Gespür dafür, selbiges auch auszuteilen. Bradley beschreibt schon zu Beginn, wie er sich fühlt, wie er sich fühlt: "South of OK. North of cancer."

In der Eröffnungsszene wird Bradley (mit seinem üblichen Hinweis auf die südliche Formalität, korrigiert er regelmäßig Leute, die ihn schlicht 'Brad' nennen - ein Running Gag im Film) von seinem Auto-Abschlepp-Job entlassen und kommt dann nach Hause, um zu entdecken, dass seine Frau Lauren (Jennifer Carpenter) eine Affäre hatte. Bradley bearbeitet seine Wut, indem er ihr Auto mit bloßen Händen ruiniert, bevor er ins Haus tritt, um so völlig gelassen über ihre Zukunft zu diskutieren. Ihre Geschichte aus Alkohol und Drogen ist mit minimalen Details abgefrühstückt, und der Rückgang in ihrer Ehe ist auf Laurens Fehlgeburt zurückzuführen. Bradley hat also durchaus Mitschuld an ihrem Unglück und unternimmt von diesem Moment aus entscheidende Schritte, um ein besseres Leben aufzubauen, während sie wieder versuchen, eine Familie zu gründen. Mit einem 'Flash Forward', ein Trick den erstmals J.J.Abrams in "LOST" anwandte, sind 18 Monate vergangen und das Pärchen ist von ihrem kleinen, klapprigen Vorstadthäuschen in ein Luxushaus umgezogen, Lauren ist wieder schwanger und Bradley ist wieder in das lukrativere Geschäft des Drogenhandels zurückgekehrt, wo er als Kurier Heroin, Crystal und Kokain für seinen alten Chef Gil (Marc Blucas) durch die Stadt fährt. Gegen seinen Gewohnheit geht Bradley mit den Schlägern eines mexikanischen Kartells Eleazar (Dion Mucciacito) dann auf einen etwas größeren Beutezug.

Während Zahler für das bevorstehende Käfiggemetzel immer ein spannendes Gefühl der Angst entwickelt, hat er es aber auch nicht eilig, dorthin zu gelangen. Der Regisseur braucht Zeit, um die Verbindung zwischen Bradley und Lauren zu festigen, bevor diese weggeräumt wird und zufällige Vergnügungen wie eine typisch-drollige Drehung von Fred Melamed als Vollzugsbeamter zu genießen, dessen sanfte Hochnäsigkeit keine Geduld für Unzucht zeigt. Der Zuschauer lernt auch durch einen exzessiven Austausch mit einem Wächter, dass der muskulöse Bradley einst ein Boxer war, der austeilen kann, aber auch einstecken. Der Wendepunkt, wenn die Intensität ansteigt, kommt ungefähr eine Stunde nach dem Film mit einem Gefängnisbesuch von Eleazars eisigem Euro-Trash Handlanger, gespielt von - wem sonst? - Udo Kier. Er informiert Bradley über die kreativen Möglichkeiten, wie er nicht nur Lauren, sondern auch seinem ungeborenen Kind schaden könnten, wenn Bradley nicht in ein Hochsicherheitsgefängnis gebracht wird und einen bestimmten Häftling eliminiert. Bradley hat also keine andere Wahl und er ist ein Mann der Tat, nicht der Worte, hospitalisiert schnell ein paar zufällige Wachen und findet sich bald vor den Toren einer Steinfestung wieder, wo der seidig-sadistische Gefängnischef Warden Tuggs (Don Johnson) sich sehr darüber freut, dass er das Memo über die hiesige Behandlung der Inhaftierten zitieren kann. Aber Bradleys Ziel, den Mann zu identifizieren, erweist sich als komplizierter als er in diesem albtraumhaften Szenario vorausgesehen hat, das mehr und mehr in sich verstrickt wird.

Der Kampfchoreograph Drew Leary inszeniert die Zusammenstöße mit brutaler Effizienz und Zahler verzichtet auf die üblichen frenetischen Schnitttricks, die zu unwiderstehlichen Szenen explosiver Gewalt führen. Und, ganz davon zu schweigen, sind diese auch ziemlich schmerzhaft. Ohne den Martial-Arts-Weg zu wählen, scheint Zahler dem hyper-gewalttätigen koreanischen Kino sowie den "The Raid"-Filmen in Indonesien den Vortritt zu lassen. Der Regisseur bedient sich auch als Co-Komponist mit Jeff Herriott, und die glatten, Ersatz-70er Jahre Soul-Songs, die zur Szenerie beitragen - von Vintage-Künstlern wie The O'Jays und Butch Tavares aufgenommen und sich hauptsächlich so anhört, als würde irgendwo ein Autoradio plärren - unterstreichen das Werk in seiner Gesamtheit. Was Kurt Russell und Matthew Fox für ihre Gesichtsbehaarung in "Bone Tomahawk" getan haben, macht Johnson hier in einer saftigen Rolle als gefühlloser Tyrann mit einem prächtigen silbernen Schnurrbart, der in seinen glatten, schwarzen Outfits wie gemeißelt im Raum steht, während er auf einer Zigarre kaut und sich für die Gefangenen sadistische Strafen ausdenkt. Obwohl Kiers Charakter als "The Placid Man" bezeichnet wird, scheint er doch damit eher die Abteibungstechniken zu beschreiben, die sein koreanischer Protegé anwenden soll. Aber unglücklicherweise gibt es zwischen den beiden Charakteren kaum ein amüsantes Zusammenspiel, wie das zwischen Russells unerschütterlichem Sheriff und Richard Jenkins' redseligem Stellvertreter in Zahlers vorherigem Film der Fall war.

Während Vaughn nun endlose neue Variationen über Erniedrigung und Grausamkeit zwischen atemberaubenden Vergeltungsschlägen aushält, lässt er keinen Zweifel daran, wie weit Bradley für seine Frau und sein Kind gehen wird. Und obwohl es bedauerlich ist, dass der Patriotismus des Charakters und seine Fähigkeit, schurkische Mexikaner auszutricksen, ihn zu einem Helden für Trump machen könnte (ein Faktor, der wahrscheinlich von Vaughns Casting angeheizt wird), ist Bradleys selbstlose Liebe zu seiner Familie von tragischer Großartigkeit. Carpenter hat nicht viel zu tun, aber sie vermittelt die ausgefransten Kanten von Laurens roher Erfahrung zusammen mit einem erneuten Engagement für ihren Mann gekonnt und bekommt ihren eigenen kurzen, knallharten Moment zu spät im Film. Während "Brawl In Cell Block 99" also durchweg packend und unberechenbar bleibt, fühlt sich die zweieinhalbstündige Laufzeit ein wenig aufgebläht an, und der Film könnte davon profitieren, wenn er zu einem strafferen Schnitt getrimmt würde. Sein flacher Video-Look passt und Kameramann Benji Bakshi darf sich hier für einen billigen Grindhouse-Stil mit vielen düsteren, dunklen Szenen und ausgewaschenen Tönen verantwortlich zeichnen. "Brawl In Cell Block 99" ist langsam, aber nie behäbig, spannend und durchweg interessant. Diesen Film sollte man keinesfalls verpassen.

8,5/10

Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film hierzulande ungeschnitten mit SPIO/KSJ-Siegel in UHD in einem tollen Mediabook:

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