Die Meerjungfrau Arielle (Halle Bailey) ist die Lieblingstochter von König Triton (Javier Bardem), aber auch der eigensinnigste Spross des Herrschers. Immer wieder bricht das junge Mädchen mit der schönen Stimme die Regeln und nähert sich der Welt der Menschen, was in Tritons Reich unter dem Meer streng verboten ist. Ihre Sammlung von Gegenständen, die von den Menschen stammen und sie auf dem Meeresboden gefunden hat, machen sie nur noch neugieriger. Als ein Schiff in Seenot gerät, rettet sie den Prinzen Eric (Jonah Andre Hauer-King) vor dem Ertrinken und verliebt sich in ihn. Auch er verliebt sich in sie, vor allem in ihre zauberhafte Stimme. Damit die beiden eine Zukunft haben, muss Arielle aber an Land. Sie bittet die Meereshexe Ursula (Melissa McCarthy), ihr Beine zu geben. Diese stimmt zu, will aber als Pfand Arielles Stimme. Da Eric Arielle ohne ihre schöne Stimme nicht erkennt, wird sie mit der wohl wichtigsten Entscheidung in ihrem Leben konfrontiert.
Disneys Live-Action-Remakes ihrer allseits beliebten Zeichentrick-Klassiker wirken manchmal lediglich wie eine schamlose Geldbeschaffungsmaßnahme mit genauso uneinheitlichen Ergebnissen. Anstatt originelle Inhalte zu produzieren, scheint man sich im Hause Disney gedacht zu haben: "Wir haben ja noch etwas, was die Leute bereits mögen. Geben wir es ihnen einfach noch einmal in einer etwas anderen Form!". Nun muss man zugeben, dass einige von diesen Realverfilmungen wirklich magisch waren (David Lowerys "Elliot, der Drache", Jon Favreaus "Das Dschungelbuch"), während andere leere Übungen in glänzenden, computergenerierten Bildern waren (beispielsweise der grauenhafte "Pinocchio" vom letzten Jahr). 2023 nahm sich Disney nun eines weiteren Klassikers des Zeichentrickfilms an und was wurde nicht über die Realverfilmung von dem 1989 erschienenen Zeichentrickfilm "Arielle, die Meerjungfrau", der auf dem Märchen "Die kleine Meerjungfrau" von Hans Christian Andersen basiert, im Vorfeld gesprochen. Vor allem rassistische Kack-Scheiße, die die Schauspielerin Halle Bailey, die afroamerkianischer Abstammung ist, über sich ergehen lassen musste.
"Die kleine Meerjungfrau" ist trotzdem (oder vielleicht sogar deshalb) besser als die allermeisten der Realverfilmungen, denn er bleibt dem Kern dessen treu, was die Menschen am Original von 1989 geliebt haben, und erweitert gleichzeitig die Geschichte und die Charaktere auf die richtige und notwendige Art und Weise. Die buchstäbliche Fisch-aus-dem-Wasser-Geschichte einer Meerjungfrau, die einen Faust'schen Handel eingeht, um die menschliche Welt zu erkunden und die wahre Liebe zu finden, wirkt im Nachhinein dennoch ein wenig archaisch. Doch Arielle ist ein wissbegieriger und rebellischer Teenager, aber im Grunde wird sie von der Königstochter zur Frau eines Prinzen. Die klassischen Melodien von Howard Ashman und Alan Menken, die das Herz und das Rückgrat des Films bilden, sind hier größtenteils erhalten geblieben, einschließlich des wahnsinnig eingängigen, Oscar-prämierten "Under The Sea". Aber in der Version von Regisseur Rob Marshall hat Ariel mehr Tiefe und Komplexität, und die junge Frau, die sie spielt, ist der Herausforderung mehr als gewachsen.
Ja, Halle Bailey strahlt in der Titelrolle: Ausdrucksstark, energiegeladen und unendlich sympathisch, mit einer Mischung aus mädchenhafter Niedlichkeit und weiblichem Rückgrat. Sie findet erfrischend neue Wege zu Liedern, Handlungssträngen und sogar zu bestimmten Dialogzeilen, die langjährige Fans aus dem Original schätzen. Und ihre Interpretation von "Part Of Your World", einer Melodie, die man schon unzählige Male gehört hat, ist unerwartet mitreißend. Bailey ist allem gewachsen, was diese Rolle von ihr verlangt, sowohl körperlich als auch emotional, und sie verdient es, ein großer Star zu werden.
Sie profitiert sehr von der Tatsache, dass dieser "Kleine Meerjungfrau" eine tiefere Charakterentwicklung sowohl für Arielle als auch für Prinz Eric bietet, wodurch ihre Beziehung über eine schnelle, oberflächliche Anziehung hinaus einen wirklichen Sinn ergibt. Diese Erweiterung führt auch dazu, dass der Film fast eine Stunde länger ist als das Original, aber er bewegt sich in einem anständigen Tempo. Das Drehbuch von David Magee zeigt Parallelen darin, wie beide versuchen, sich von den Erwartungen ihrer beschützenden Eltern zu lösen und ihre eigenen Identitäten und Ambitionen durchzusetzen. Jonah Hauer-King bekommt als Eric sogar seinen eigenen "I Want"-Song, und er hat so viel mehr zu bieten als den typisch gut aussehenden Disney-Prinzen, der sonst üblicherweise zum Tragen kommt.
Die Geschichte der kleinen Meerjungfrau sollte ja hinlänglich bekannt sein. In dieser Version des Märchens werden Arielles Tapferkeit und Großherzigkeit noch deutlicher herausgestellt. Außerdem kann sie mehr Zeit mit Eric verbringen - der sie für ein betäubtes Schiffbrüchiges hält und nicht weiß, dass sie ihn gerettet hat - und eine engere Beziehung zu ihm aufbauen. Dass Arielle dem erfahreneren Eric Dinge über den Ozean erklärt, sogar wortlos, ist eine geniale Idee. Ebenso wie die Tatsache, dass sie die unbequemen, hochhackigen Stiefel, die sie im Schloss erhalten hat, gegen ein Paar bequeme Sandalen eintauschen darf. Einer der cleveren Kniffe ist, dass Arielle in ihrem Kopf weiter singen kann, so dass sie während ihrer Zeit an der Oberfläche nicht völlig stumm ist. Und die Art und Weise, wie sie Eric dazu bringt, ihren Namen herauszufinden, sorgt für einen der vielen Lacher des Films.
Die Nebendarsteller schlüpfen alle auf lebhafte Art und Weise in ihre Rollen. Wie immer hat Daveed Diggs als Krabbe Sebastian, der im Auftrag von König Triton ein Auge auf seine Tochter werfen soll, ein großartiges Timing und eine tolle Darstellung. Javier Bardem verleiht der Rolle des Königs Ausstrahlung, Ernsthaftigkeit und Zärtlichkeit. Awkwafina musste in große Fußstapfen treten, als sie die Rolle von Buddy Hackett, der witzigen Möwe Scuttle, übernahm, und sie bringt ihre typische, aber leider auch nervige Klugscheißer-Persönlichkeit mit - was aber wieder hervooragend zu Scuttle passt. Melissa McCarthy spielt die Rolle der Ursula, die für die legendäre Synchronsprecherin Pat Carroll eingesprungen ist, mit Bravour und verleiht der Rolle ihre eigene Note. Melissa McCarthy steht eigentlich nicht auf der Liste meiner Top-10-Akteure, aber hier macht sie einen guten Job.
Leider sind gerade die visuellen Effekte, in der der Film hätte glänzen könne, ja, müssen, die größte Schwäche des Films. Regisseur Rob Marshall kennt sich, mit Verlaub, bestens mit knalligen Musicals aus (immerhin wurde er für seinen "Chicago" für einen Academy Award nominiert) und bewies auch in "Fluch der Karibik: Fremde Gezeiten", dass er gut (zwar nicht meisterhaft, aber gut) inszenieren kann. Aber die Unterwasserbewegungen in "Arielle, die Meerjungfrau" wirken oft so flach und künstlich, dass man sich davon immer wieder distanziert. Das gilt besonders für den Versuch, das Gefühl zu erwecken, dass die langen, glänzenden Haare der Meerjungfrauen um sie herum wehen. Die "Under The Sea"-Produktionsnummer strotzt nur so vor leuchtenden Farben, und die ausgefeilte Choreografie der Meerestiere ist ein Genuss. Aber das Gefühl, unter dem Meer zu sein, wird nicht wirklich eingefangen. Fabius, gesprochen von Jacob Tremblay, passt besonders schlecht in die Live-Action-Kulisse, vor allem über der Wasseroberfläche.
Was Unterwasserwelten angeht, so kann man, wenn man einmal auf Pandora war, nirgendwo anders hingehen. Aber die fiktive Karibikinsel, auf der "Die kleine Meerjungfrau" spielt, ist immerhin eine gute Alternative, wenngleich nicht ganz so lebendig. Der Film jedenfalls macht in vielerlei Hinsicht alles richtig, hat seine Stärken und Schwächen und ist durchaus eine Empfehlung wert. Warum man sich an dem Aussehen oder der Herkunft von Schauspieler*innen stört, werde ich wohl nie wirklich nachvollziehen können, solange das Auftreten zu der Rolle passt.
7/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Disney
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