https://www.imdb.com/de/title/tt14513804/Nachdem Captain America (Anthony Mackie) bei einem Einsatz in Mexiko dem skrupellosen Söldner Sidewinder (Giancarlo Esposito) und dessen Serpent Society das Handwerk legt, wird er zum Dank zusammen mit seinem Mitstreiter Joaquin Torres (Danny Ramirez) ins Weiße Haus eingeladen. Doch einfache, freundschaftliche Meetings scheint es für ihn nicht zu geben. Denn das Treffen mit dem gerade erst ins Amt gewählten US-Präsidenten Thaddeus Ross (Harrison Ford) verwickelt den Avenger mit dem ikonischen Vibranium-Schild in einen Konflikt globalen Ausmaßes. Doch noch ist Zeit, die Welt davor zu bewahren, ins absolute Chaos zu stürzen. Nur drängt die Zeit...
Ein "Captain America" ohne Chris Evan‘s Steve Rogers fühlt sich schon irgendwie seltsam an. Man hat sich in der Chronologie des MCU einfach zu sehr an die ikonische, heroische und würdige Figur, die Evans als "Captain America" darstellte, gewöhnt und spätestens seit "Avengers: Endgame", als Cap Thors Hammer übernahm, erklomm er einen schier unerreichbaren Thron an Coolness. So schnell, dass er gleich wieder in der Versenkung verschwand, nur, um der Figur einen würdigen Abschied zu gewähren und seinen ikonischen Schild weiterzugeben. In der Disney+-Serie "The Falcon And The Winter Soldier" übernahm also nun Anthony Mackie als Sam Wilson die Rolle des Captains und kombiniert das Schild des Captains mit den Flügeln des Falcon in einer neuen Rüstung mit allerlei Gimmicks, die Mackies hinterlistigen, verbissenen Captain immer noch weniger Superkräfte als Rogers verleihen, aber auf seine prosaische, erdverbundene Art entgeht er der Superheldenmüdigkeit.
Steve Rogers ist weg, es lebe Sam Wilson!
Trotzdem fühlt sich "Captain America: Brave New World" ein Stück weit wie ein Franchise-Zeitfüller an, der aber unterhaltsam genug ist um zu gefallen. "Captain America: Brave New World" ist der erste Marvel-Film seit sechs Monaten - mehr noch, es ist der erste seit 2022, dem Jahr von "Thor: Love And Thunder" und "Black Panther: Wakanda Forever", der sich um einen Superhelden dreht, den man als Marvel-Klassiker einstufen würde. Diese drei Jahre definieren eine Ära, in der sich viele zu fragen begannen, ob die Comic-Filmkultur – oder zumindest der Nervenkitzel daran – bereits vorbei sei. Doch letzten Sommer schien der Kassenerfolg von "Deadpool & Wolverine" diese Frage zu klären. Doch da das Marvel Cinematic Universe (MCU) mittlerweile 35 Filme umfasst, ist gleichzeitig eine beängstigende Wiederholung eingebaut. Das Problem der möglichen Superheldenmüdigkeit schwebt über einem neuen "Captain America"-Film weitaus mehr als zuvor.

Mit so viel Hintergrundgeschichte ist "Captain America: Brave New World" ein Film, bei dem man sich fragen könnte, ob man selbst genug Hausaufgaben gemacht hat. Und wenn man dann auch noch Anthony Mackie bei seinem ersten Alleinflug als Sam Wilson zusieht, ist man doch überrascht, wie sehr die Figur jetzt wie ein verkleinerter Superheld für ein MCU wirkt, dessen glorreiche Tage weit hinter ihm liegen. Wilsons Captain America fehlt die durch Serum verstärkte (Beinahe-)Unbesiegbarkeit, die Rogers auszeichnete. Er ist ein knallharter Nahkampf-Kämpfer, aber viel stärker abhängig von seinem Schild und seinem Wingsuit, die beide aus Vibranium bestehen. Man könnte sagen, dass ihn das zu einem Helden macht, der eher mit Iron Man vergleichbar ist (obwohl Tony Starks wichtigste Waffe Robert Downey Jr.s Mundwerk war), und Wilsons allzu sterbliche Qualität kommt in der schlauen Verbissenheit von Mackies "Wenn du die Nummer zwei bist, strengst du dich mehr an"-Darbietung zum Ausdruck. Aber instinktiv denkt man doch: "War der frühere Captain America nicht eher … super?"
Trotzdem ist es diese sehr bodenständige Qualität, die "Captain America: Brave New World" ausmacht, ein Film, der seinen Ton von Mackies harter, straffer, leicht niedergeschlagener Cool-Cat-Präsenz bezieht. Der Film ist zwar eng mit allem verbunden, was vorher kam, funktioniert aber gut genug als energisches, prosaisches, eher eigenständiges Abenteuer, das Schlägereien und Action mit den Elementen eines düsteren geopolitischen Thrillers in Einklang bringt. Dies ist ganz sicher keiner dieser Marvel-Filme, die Fans verunglimpfen werden, weil sie von CGI überladen und von zu vielen verwirrenden Multiversum-Tentakeln erwürgt wurden. Es ist Superhelden-Film, serviert mit gerade genug Kompetenz und Elan, um sich nicht wie ein aufgewärmtes Resteessen anzufühlen.
Schon früh wird Wilson ins Weiße Haus eingeladen, wo Thaddeus "Thunderbolt" Ross, der ehemalige Armeegeneral und neu gewählte US-Präsident (gespielt von Harrison Ford, der den verstorbenen William Hurt ablöst), den Celestial Island World Summit ausrichtet, der eine bedeutende globale Entdeckung (einer himmlischen Masse mitten im Indischen Ozean) markiert. Unser knapp ehrenhafter Held und der hinterhältige, schnell aufbrausende Ross teilen eine pikante Vergangenheit. Wilson versucht, alte Wunden zu heilen, indem er Isaiah Bradley (Carl Lumbley) mitbringt, seinen alten Kameraden und ehemaligen Supersoldaten, der 30 Jahre lang eingesperrt und als Versuchsobjekt verwendet wurde.
Doch im Weißen Haus erhebt sich plötzlich Isaiah zusammen mit vier Schützen, um den Präsidenten zu ermorden. Sie scheitern, aber ein Blick auf die Überwachungsaufnahmen zeigt, dass jedem Attentäter, einschließlich Isaiah, das Licht eines Handys ins Gesicht geleuchtet wurde. Sie wurden von einem mysteriösen Wesen ausgelöst, und Wilson macht sich mit Danny Ramirez’ schnippischem Falcon an seiner Seite (der Robin zu Cap’s Batman) auf die Suche nach dem Täter.

Regisseur Julius Onah entschlüsselt die Verschwörung mit unverblümter Begeisterung. Alles führt zu Samuel Sterns (der wunderbare Tim Blake Nelson), einem Zellbiologen, der mit dem Blut von Bruce Banner verseucht ist, was ihn in einen giftigen grünen Troll verwandelt hat, dessen Gehirn nach außen gekehrt trägt. Wenn Sterns einen guten alten Marvel-Masterplan ausgeheckt hätte (ein weiterer Versuch, alle Lebewesen im Multiversum zu vernichten, you know?), wäre er nur eine gähnend langweilige Wiederholung. Doch er hat tatsächlich eine unterhaltsame, verrückte Idee: Er will Präsident Ross, seinen ehemaligen Entführer, zu einer militärischen Auseinandersetzung mit Japan über den Besitz eines Adamantiumvorrats provozieren. Der Trick besteht darin, Ross‘ Wut, seinen inneren Tyrannen, hervorzulocken.
Nun ist ja der Kinozuschauer gewohnt, in Filmen Präsidenten zu sehen, die unerschütterliche Chiffren sind, aber Harrison Ford spielt Ross wie Ronald Reagan mit Aggressionsproblemen. Er verleiht der Figur eine raue Autorität, die seine schwelende Instabilität (gerade so) unter Kontrolle hält. Man wartet regelrecht darauf, dass Fords innerer Griesgram in Wut ausbricht, und seine chamäleonartige Darstellung wechselt ständig die Farbe, bis Ross sich in den Red Hulk verwandelt, woraufhin der Film in sein konventionelles, echt-Marvel-mäßiges, spannendes Duell übergeht.
Nichts davon könnte man als "aktuell" oder gar "originell" bezeichnen, aber es gibt zufällige Halbresonanzen. Sterns Gedankenkontrolltechniken verkörpern die große Entpersonalisierung der KI (daher der Untertitel des Films). Und die Art und Weise, wie die alte Weltordnung in eine neue Weltunordnung zerfällt, hat, wenn auch nur am Rande, etwas mit dem WTF-Ton von Präsident Trumps Versuch zu tun, die Weltpolitik neu zu gestalten. Als Ruth Bat-Seraph, eine ehemalige israelische Black Widow, die in den Comics Mossad-Agentin war und jetzt Sicherheitschefin des Präsidenten ist (was pro-palästinensische Demonstranten nicht davon abgehalten hat, gegen ihre Anwesenheit zu protestieren), ist Shira Haas wie Billie Eilish in der Rolle von Mata Hari. Und Tim Blake Nelson spielt die affektierte Niedertracht eines Bösewichts, der wie das Phantom des MCU ist. Und der End-Credits-Sequenz am Ende des Films verrät, dass er noch lange nicht fertig ist. Damit fühlt sich "Captain America: Brave New World" letztlich an wie das, was es ist: ein Boxenstopp in der Strategie des MCU, die Avengers neu zu starten. Etwas Neues, mit einer Prise vom Alten. Das ist völlig okay. Und es macht gerade wieder genug Spaß um zu unterhalten.
6,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Marvel/Disney
Poster/Artwork: Marvel/Disney