1932: Die Zwillingsbrüder Elijah und Elias Smoke (beide von Michael B. Jordan gespielt) wollen auf vertrautem Boden noch einmal neu anfangen. Also lassen sie ihr bisheriges Leben in der Unterwelt Chicagos hinter sich und kehren zurück in ihre alte Heimatstadt Clarksdale im Bundesstaat Mississippi, um dort eine Bar aufzumachen. Doch dort scheint alles andere als ein ruhiges Leben auf die Zwillinge zu warten: Nicht nur der Ku-Klux-Klan, sondern offenbar auch Vampire haben es sich vor Ort gemütlich gemacht. Wem können die Brüder also noch vertrauen? Und was führen Mary (Hailee Steinfeld) und Remmick (Jack O'Connell) im Schilde? Für alle, die noch keine spitzen Zähne haben, wird die Lage immer brenzliger. Also muss etwas getan werden, um die Blutsauger zu vertreiben. Zum Glück haben die Smoke-Brüder durch ihre Erfahrungen als Soldaten im Ersten Weltkrieg einiges gelernt und nehmen den Kampf gegen die untote Horde auf.
"Blood & Sinners" ist einer dieser seltenen Filme, die einen förmlich anspringen und das Heikino mit einem seltsam energetischen Vibrieren füllen, noch bevor der Abspann läuft - Ryan Coogler gelingt das Kunststück, große Hollywoodstrukturen und persönliche Handschrift zu verschmelzen wie selten zuvor: Versetzen wir uns nach Mississippi, 1933, in eine Gegenwart voller Vergangenheit, voll von Rissen durchzogen, zwischen Baumwollplantagen, jucken im Ohr die alten Lieder des Deltas, während die Segregation das Land noch fest im Würgegriff hält und die Schatten der Geschichte sich lang auf die Gesichter seiner Figuren legen; Coogler, ein Regisseur, dem seit Black Panther die Türen der Traumfabrik sperrangelweit offenstehen, nutzt diese Freiheit - auch weil sein persönlicher Bezug, inspiriert vom Blues-liebenden Onkel und dem Brennen für afroamerikanische Geschichtsaneignung, sein fünfter Film zu etwas Eigenem macht, was in jeder Szene spürbar ist:Montag, 4. August 2025
Sinners - Blood & Sinners (2025)
https://www.imdb.com/de/title/tt31193180/
Er nimmt sich Zeit, streut die Saat für Atmosphäre und Figuren mit ruhiger, fast unnachgiebiger Geduld, verwandelt den Film erst in Sozialstudie, dann in ein wildes musikalisches Spektakel, dann - urplötzlich mit dem Wucht eines Splatter-Hammers - in einen Southern-Gothic-Horroralbtraum, in dem Vampire nicht einfach Monster sind, sondern das Echo von Unterdrückung, Gier und Rassismus, Bisswunden, die Generationen zurückreichen; selten hat das Motiv so sehr als politischer Brennspiegel funktioniert wie in diesem modernisierten Südstaaten-Märchen über Blut und Erlösung, das seine musikalischen Wurzeln nie vergisst und in mehreren Minuten langen Plansequenzen den Rhythmus von afrikanischen Stämmen bis hin zum Hip-Hop der Gegenwart schlägt - da ist Coogler Erzähler, Arrangeur und Historiker in einem und jedes einzelne Bild trieft vor symbolischer Schwere und Leidenschaft für den Stoff. Ja, das erinnert stellenweise an "From Dusk Till Dawn", spielt aber in einer ganz anderen Liga.
Im Zentrum dieser Geschichte lodert Michael B. Jordan in einer atemberaubenden Doppelrolle: Als Zwillingspaar Smoke und Stack – beide durch den Krieg und das Exil gezeichnet, beide getrieben vom Wunsch, in der alten Heimat mit illegalem Whiskey und viel Musik eine Zuflucht für die eigene Community zu schaffen, einen Ort der Erneuerung, inmitten der Bedrohung von außen wie innen; Jordan spielt die beiden völlig unterschiedlich und doch mit einer Brüderlichkeit, die man ihm sofort abnimmt, voller Verletzlichkeit und Trotz, der einen selbst in den ekstatischen Party-Szenen noch an die dunkle Seite erinnert, die um diese Figuren kreist. Daneben glänzt als Sammie "Preacherboy", der musikalisch veranlagte Cousin (Miles Caton), dessen Gitarrenriffs tatsächlich - so will es die magische Prophezeiung des Drehbuchs - den Schleier zwischen Diesseits und Jenseits lüften können: Diese Momente, wenn Musik und Übersinnliches verschmelzen, bieten elektrisierende Gänsehaut und erinnern fast an die Kraft der alten Blues-Legenden, von denen Delroy Lindo als Delta Slim eine späte, greifbare Verkörperung gibt. Hailee Steinfeld brennt sich als verführerische Mary, eine der Hauptantagonistinnen unter den Vampiren, ins Gedächtnis - zwischen Charisma, hypnotischer Gefahr und einer Traurigkeit, die dem Genre selten zugestanden wird.
Coogler erlaubt seinen Darstellern, Raum einzunehmen, fast wie auf einer Bühne, öffnet ihnen die Filmzeit, sodass gerade die mehrminütigen Musicalnummern wirken, als würden sie nie enden wollen, sondern mit aller Macht in der Geschichte verwurzelt bleiben. Technisch ist der Film eine Wucht: gedreht auf 65mm, wie eine Hommage an den analog-glühenden Look alter Südstaatenepen, zieht die Kamera in langen Fahrten durch schwüle Nächte, hangelt sich voll Verve an Plansequenzen entlang, die so virtuos sind, dass sie als moderne Klassiker gelten - und der Score von Ludwig Göransson atmet den Blues, rauchig und unbändig, mal wild, mal klagend, nie bloß Begleitmusik, sondern eigentliche Hauptfigur des Films. Man darf nicht vergessen, wie Coogler sich traut, wie ein Magier Motive zu vermengen - Historienfilm, Horror, Musical, Politthriller, Southern-Gothic - und daraus ein Gesamtbild zu formen, das trotz abgründiger Gewaltmomente stets von Liebe zu seinen Figuren und ihrem Widerstandswillen erzählt. Selbst als die Vampire die Bühne betreten - vorab noch in einem halb absurden Musicalauftritt getarnt als irische Folksänger! – bleibt der Film stets politisch, klug und bewegend, geht nie ins billige Genre-Kino über, sondern verteidigt die Menschlichkeit seiner Helden bis zur letzten Note. Am Ende – und das ist typisch Coogler, typisch große Kunst - klingen nicht nur die wuchtigen Töne nach, sondern auch das leise Echo von Hoffnung, von Gemeinschaft trotz aller Verluste: "Blood & Sinners" ist alles andere als "perfekt", aber genau deshalb überragend - weil er das Kino nutzt, um Wut, Sehnsucht und Musik gleichermaßen aus den Untiefen der Geschichte heraufzuholen, auf dass niemand im Zuschauerraum unberührt bleibt.
8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
Poster/Artwork: Warner Bros.
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