Die Geschwister Elsa (Megan Northam) und Franck (Sébastien Pouderoux) standen sich immer sehr nahe. Als Franck vor drei Jahren auf mysteriöse Weise bei einer Weltraummission verschwand, änderte sich für Elsa alles. Seitdem hat die 23-Jährige Schwierigkeiten, ihr Leben wie gewohnt fortzusetzen. Eines Tages wird sie von einer nicht irdischen Lebensform kontaktiert, die ihr anbietet, den Bruder zurück auf die Erde zu bringen. Doch das hat seinen Preis...
Der Sprung vom Animationsfilm zum Realfilm ist keine leichte Aufgabe, und nur eine ausgewählte Gruppe von Filmemachern hat dies tatsächlich geschafft. Ein Regisseur, der nun ebendiesen Sprung wagt, ist Jérémy Clapin, dessen zweites Werk "Meanwhile On Earth" ("Pendant Ce Temps Sur Terre") verschiedene Genre - in diesem Fall ein leichter Hauch von Science-Fiction und psychologisches Drama - in der Geschichte über eine jungen Frau, die versucht, über den Verlust ihres älteren Bruders, eines im All verschwundenen Astronauten, hinwegzukommen, kombiniert. Technisch gesehen handelt es sich bei "Meanwhile On Earth" um einen solide gemachten Spielfilm, der wunderschön gedreht wurde und von einer starken Leistung der Newcomerin Megan Northam getragen wird. Und etwas funktioniert sogar richtig gut: Die Genreelemente überzeugen voll und ganz und die emotionale Wirkung kommt dem in gleicher Weise nach.
Vielleicht ist es ja schwieriger geworden, die Zuschauer an Fantasie glauben zu lassen, wenn es menschliche Schauspieler und, wo nötig, etwas Make-up und visuelle Effekte beinhaltet. Tatsächlich gibt es auch eine Handvoll animierter Sequenzen, die Clapin im Retro-Animé-Stil der 80er Jahre wiedergibt, indem er Schwarzweiß und ein 4:3-TV-Format verwendet. Bezeichnenderweise verleihen diese Szenen ein Maß an Intensität, das dem Film oft noch eine Ebene höher hebt, und tragen den Zuschauer mit, anstatt zu erden. Die Handlung dreht sich um Elsa (Northam), eine aufstrebende Graphic Novel-Autorin, deren Leben auf den Kopf gestellt wurde, als ihr Bruder Franck während einer Mission im Weltraum verschwand. Von ihm ist nur noch eine Statue übrig, die außerhalb von Elsas waldreicher französischer Stadt steht, wo sie nebenberuflich im selben Altersheim wie ihre Mutter (Catherine Salée) arbeitet. Schon bald hört Elsa Stimmen, darunter auch die von Franck. Sie trauert immer noch um seinen Verlust und stellt sich vor, dass alles nur in ihrem Kopf geschieht. Doch dann erscheint eine unsichtbare außerirdische Lebensform, die ihr etwas gibt, das wie ein außerirdischer In-Ear-Kopfhörer aussieht - ein leuchtendes, zähflüssiges Objekt, das einem Klumpen leuchtender Spucke ähnelt -, damit sie Anweisungen erhalten kann, die vielleicht dabei helfen, ihren Bruder aus dem All zurück auf die Erde zu holen.
Clapin lässt den Zuschauer also gern darüber rätseln, ob Elsa aus ihrer Trauer alles nur erfindet oder ob sie tatsächlich eine Begegnung der dritten Art erlebt. Diese Zweideutigkeit macht es einem anfangs schwierig bei ihr zu bleiben, als sie beginnt, Menschen aus der Stadt, darunter zwei Holzfäller und mehrere Patienten aus dem Altersheim, in einen nahegelegenen Wald zu locken, damit sie von Außerirdischen entführt werden können. Die Handlung lässt aber bald durchblicken, dass es sich eher um eine Metapher handelt, die den Verlust eines Menschen und deren Bewältigung zum Gegensatdn hat. "Meanwhile On Earth" hat dabei extrem gute Ambitionen. Diese sind intimer und konzentrieren sich auf Elsas Unfähigkeit, über Francks Verschwinden hinwegzukommen, und nutzen das Genre, um dies auf eine gruselige, jenseitige Art und Weise zu vermitteln. Auch wenn der Film schwankend zwischen Science-Fiction und Psychologie schwankt, bestätigt er dennoch Clapins visuelles Talent, das durch eine verträumte Filmmusik von Dan Levy untermauert wird. In seinen besten Momenten führt "Meanwhile On Earth" den Zuschauer über unseren trostlosen Alltag hinaus an einen Ort, von dem man tatsächlich träumt - und den man auch auf der Leinwand miterleben kann. Großartig!
8,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
Poster/Artwork: Warner Bros.
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