57 Jahre ist der Countrysänger Bad Blake (Jeff Bridges) mittlerweile alt, der einstiger Ruhm längst verblasst. Seine Musik lallt er nur noch durch Bars und Bowlinghallen. Erst als sein Manager (James Keane) Blake als Vorsänger für seinen einstigen Protegé, den mittlerweile zum Superstar aufgestiegenen Tommy Sweet (Colin Farrell), unterbringt, scheint es wieder ein bisschen aufwärts zu gehen. Auch privat läuft es für den notorischen Säufer besser, seit er sich in die rund 20 Jahre jüngere Journalistin Jean (Maggie Gyllenhaal) verguckt hat. Doch die Mutter des vierjährigen Buddy (Jack Nation) zögert erst, sich mit dem vierfach geschiedenen Altstar einzulassen. Dann kommt sie Blake trotzdem näher - wohl wissend, dass die Beziehung von Anfang an problembehaftet sein wird...
Bad Blake ist kein verwöhnter Superstar, der über die Nöte und Kämpfe anderer Menschen singt. Er ist eine verblasste Ikone im Schatten aalglatter Nashville-Idole wie seines ehemaligen Schützlings Tommy Sweet; ein alternder Alkoholiker, dessen Welt größtenteils aus einem ramponierten alten Pickup besteht, der im wahrsten Sinne des Wortes Bessie heißt, einer gepflegten Gitarre, die auch das Einzige ist, was er akribisch instand hält, und endlosen Kilometern staubiger Straßen zwischen zweitklassigen Auftritten in einer abgehalfterten Bar oder einer Bowlingbahn. Er hat einen Plastikkrug in seinem Truck, damit er nicht anhalten muss, und wenn er vor der Vorstellung zu viel getrunken hat, steht der Mülleimer in der dreckigen Gasse. Gibt es bei Bad mehr als Alkohol, Bitterkeit und ein Repertoire an bekannten Liedern? Zum Glück ja. In einer völlig transparenten Darbietung spielt Jeff Bridges Bad als einen Mann, der sich mit Sucht und Umständen abgefunden hat, aber nicht von ihnen definiert wird. Reste von Charisma, Witz, Würde und Effekthascherei halten diese Hülle eines Mannes immer noch zusammen - wenn auch an einem seidenen Faden.
Auch Jean (Maggie Gyllenhaal) hat ihre eigene "Erfolgsgeschichte" mit schlechten Entscheidungen in Bezug auf Männer. Sie ist Teil der stillen Kraft von "Crazy Heart" und es hilft, das Jean eine eigene Laufbahn hat, die nicht der Charaktergeschichte von Bad untergeordnet ist. Auch Tommy Sweet (Colin Farrell) ist eine Figur, die ihrer eigenen Geschichte folgt; Er ist keine oberflächliche, selbstsüchtige Berühmtheit, sondern ist seinem ehemaligen Mentor unverfroren dankbar, dessen hartnäckiger Stolz auf den jüngeren Künstler den Zuschauer sowohl um Tommys als auch um Bads willen nervt. Als lebenslanger Gitarrist ist Bridges absolut überzeugend und singt eine Reihe eingängiger Country-Songs, die unter anderem von T-Bone Burnett für den Film geschrieben wurden. Farrell vergräbt seinen dicken irischen Brogue in einem überzeugenden texanischen Stil und singt sogar mit Bridges auf der Bühne.
Natürlich geht es in "Crazy Heart" um den Tiefpunkt - und das macht der Film von der ersten Minute an deutlich. Nur, das man sich hier nichts sicher sein kann, was denn nun der Tiefpunkt tatsächlich ist. Aber es gibt immer Tiefen unter den Tiefen, und der letzte Kreis, von dem man nie gedacht hätte, dass man auf diesen hinabsinken würden, könnte immer zu einem weiteren Ring in einer Abwärtsspirale werden, die so weit weitergehen kann, wie man ihr folgt. Und die Suche nach dem Grund erweist sich als endlos. Was benötigt wird, ist nicht der Tiefpunkt an sich, sondern ein Moment der Klarheit oder des plötzlichen Bewusstseins darüber, worum es geht, und eine grundsätzliche Abkehr von der Selbstzerstörung hin zur Genesung - eine Entscheidung, die morgen und übermorgen erneuert werden muss am Tag danach. Der Gedanke, "den Tiefpunkt zu erreichen", mag den Zuschauer zu der Annahme ermutigen, dass diese Wende immer noch möglich ist, egal wie weit man gesunken ist - aber er kann auch das Gewissen anderer beruhigen, die immer noch auf der Suche nach dem "Tiefpunkt" sind. Der Wendepunkt von "Crazy Heart" wird somit nicht nur für Bad, sondern auch für Jean zu einem Moment der Klarheit. Es ist ein Film, der hoffnungsvoller und erlösender ist, als seine Charaktere sein dürfen, aber mit der Hoffnung geht auch das Bewusstsein für potenziell unwiderrufliche Konsequenzen einher.
7,5/10
Inhaltsangabe: Disney+ / Fox Searchlight
Poster/Artwork: Fox Searchlight
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