Freitag, 21. September 2018

Cani Arrabbiati - Wild Dogs - Wilde Hunde (1974)

https://www.imdb.com/title/tt0071275/

Ein Banküberfall ist voll im Gange. Der Fahrer des Fluchtautos wartet mit laufendem Motor auf der Straße. Plötzlich hört man eine Explosion – und die Ereignisse überschlagen sich. Drei maskierte Männer mit Säcken voller Geld rennen heraus und mit quietschenden Reifen fahren sie los. Doch der Coup geht schief, denn die Polizei ist den Dieben sofort auf den Fersen. Als die Gangster nach einem Unfall den Wagen wechseln müssen und Geiseln nehmen, fangen die Probleme erst richtig an. Im Auto befindet sich ein Kind, das dringend ärztliche Hilfe benötigt. Die Situation spitzt sich immer mehr zu, da die Gangster ihre Machtposition mit Vergewaltigung und auch Mord skrupellos ausnutzen...

Unmittelbar nach seinem Exposé offenbart "Wild Dogs" seine eigentliche Natur, nämlich die einer gewagten Mischung aus klaustrophobischem Kammerspiel und Road Movie, denn der überwiegende Anteil der Handlung spielt im engen Wagen des bedauernswerten Mannes, der mit den Gangstern "32" (George Eastman) und Bisturi (Don Backy) zwei psychopathische Mörder und Sadisten auf der Rückbank sitzen hat, die häufig mehr schlecht als recht von ihrem einen wesentlich gesitteteren und intelligenteren, jedoch nicht minder skrupellosen Eindruck machenden Anführer, den sie schlicht den "Doktor" (Maurice Poli) nennen, zur Ordnung gerufen werden. Weitere "Fahrgäste" sind der sich in einem permanenten Dämmerzustand befindende kranke Junge und die Geisel Maria (Lea Lander). Es herrscht eine schwitzig-schwüle Atmosphäre vor, es ist ein heißer Tag und man sitzt auf einem rollenden Pulverfass. Die Spannung dieser Konstellation ergibt sich vor allem aus der Unberechenbarkeit der Geiselnehmer, die beinahe unmenschlich-bedrohlich charakterisiert werden und zur Nervosität aller gern mit ihren Waffen herumfuchteln. Das zumindest vorübergehende Überleben sichert hier am ehesten eine gewisse Art von Psychologie, um sich selbst und die mörderischen Mitfahrer möglichst ruhig zu halten.

Als eine Art kleiner Running-Gag entpuppt sich, wie irrsinnig viel das Trio von seiner Beute unterwegs los wird. Bei einem derart teuren Leben wird es fast verständlich, dass man den Pfad der Tugend verlässt und anderweitig an den Mammon zu gelangen strebt. Die nervenzerreißende Anspannung findet immer wieder Entladung in Demütigungen, Gewaltausbrüchen und immer weiteren Opfern, zurückhaltend gefilmt, in ihrer Wirkung jedoch extrem. Nach einer jede Grenze des Anstands und der Moral sprengenden Tortur findet die Flucht schließlich scheinbar ihr erfolgreiches Ende, doch hält "Wild Dogs" noch eine vollkommen überraschende, fiese Wendung bereit, die den zynischen Charakter des Films auf ein neues Level hievt. In geradezu misanthropischem Ausmaße zeichnet Bava ein Bild von Verrohung, Verkommenheit und Niedertracht in aller Konsequenz, ohne dafür auf ein hohes Budget und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zurückgreifen zu müssen. Es sind die Schauspieler, die "Wild Dogs" tragen. Die Kamera klebt häufig richtiggehend an ihren Gesichtern und holt alles aus ihrer Mimik heraus, die in beachtlichem Maße Unwohlsein und Grauen erzeugt. Insbesondere George Eastman in seiner Paraderolle als irrer Soziopath sticht dabei besonders hervor. Zwar neigt er zum Overacting, doch passt das meist recht gut zu seiner Rolle als eine Art amoralischem Riesenbaby. Bisturi ängstigt mit seiner Hypernervosität und seinem ihm gerne mal "ausrutschenden" Messer. Alle Hoffnung ruht auf dem "Doktor", der diese jedoch keinesfalls zu erfüllen bereit ist. Erbarmungswürdig ohnmächtig sind Maria und Fahrer Riccardo. Bei allem Wahnsinn blieb jedoch auch Platz für rabenschwarzen Humor, wobei man hier an eine einfach zu viel redende Frau denkt.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist der Look des Films, der zwar einerseits roh und ungeschliffen, jedoch auch irgendwie überscharf wirkt. Eine Folge der Jahrzehnte später erfolgten Nachbearbeitung? "Wild Dogs" präsentiert sich sehr nüchtern, der Soundtrack beschränkt sich auf jazzige, etwas zu dudelige Klänge. Tempo und Schnitt stimmen jedoch überwiegend und halten die Spannung bis zur bösen Pointe aufrecht. Die erzählte Geschichte erscheint eher unwahrscheinlich, sehr fiktional, bedient aber zielsicher die Ängste einer von zunehmenden Verbrechen geplagten Gesellschaft, die mit ansehen muss, wie der Wert eines Menschenlebens offensichtlich immer weiter sinkt. Analysen oder Lösungsmöglichkeiten werden nicht angeboten, Bava bleibt mit "Wild Dogs" dem Unterhaltungsfilm verhaftet, der keine Debatten lostritt oder Fragen aufwirft – der aber mit seiner konsequenten Härte niemanden kaltlassen dürfte und auf beachtliche Weise aus kargen Mitteln ein Maximum herausholt. Beginnend wie ein typischer italienischer Gangsterfilm der 70er entwickelt sich "Wild Dogs" schnell zu einem Psycho-Kammerspiel im Auto, den Akteuren nahe und mit prägnanten, herben Dialogen. Fern des phantastischen Kinos und optischen Spielereien des Regisseurs entsteht ein kaltschnäuzig-mitleidsloser, naturalistischer Terror-Film, ohne expliziten Härten aber dafür grimmiger Pointe. Ein gut gespielter, ausreichend packender, zeitweise intensiver, klaustrophobischer Krimi. 

7,5/10

Von TIBERIUS Film erschien der lange verschollene Originalfilm zusammen mit dem Remake in einem schicken Mediabook.

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