Teenagerin Jesse (Elle Fanning) ist neu in Los Angeles. Sie zieht in ein heruntergekommenes Motel, das vom dubiosen Hank (Keanu Reeves) geführt wird, findet aber schnell Anschluss in der fremden Stadt: Stylistin Ruby (Jena Malone) bemerkt, was für ein Talent in Jesse steckt und will ihr dabei helfen, den Traum von der Modelkarriere zu verwirklichen. Wenig später hat Jesse mit Jan (Christina Hendricks) dann auch schon eine Top-Agentin und wird von einem Fotografen zum nächsten geschickt. Die junge Frau, naiv und betont keusch im Auftreten, taucht immer tiefer in die Glitzerwelt aus dekadenten Partys und schicken Shootings ein. Konkurrentinnen wie den Models Sarah (Abbey Lee) und Gigi (Bella Heathcote) bleibt nicht verborgen, wer da zum neuen Liebling der Szene aufsteigt. Bald wird es für Jesse sehr gefährlich...
Die Kamera gleitet durch elegische Bilder, die vor Licht und Farbe bersten, flankiert von sphärischen Klängen, die basslastig und schwer aus dem Nirgendwo und von überall kommen. Nichts ist zufällig. Alles ist genau pointiert und auf das kleinste Detail kalkuliert. Kein Gesichtsausdruck, kein Bild, kein Ton ist zufällig, sondern eine handwerkliche Fingerübung, wie bei einem Meisterwerk eines großen Künstlers, bei dem jeder Strich eine Bedeutung hat und erst der letzte Strich, ein ganzes und vollkommenes Bild offenbart. So wie in "Drive", dem unbestrittenen Meisterwerk von Nicolas Winding Refn, pardón, NWR. Aber nichts von alledem ist prätentiös, denn alles ist der Handlung zugeordnet und unterworfen. Die Protagonistin weckt in ihrer zarten Zerbrechlichkeit einen Beschützerinstinkt und fixiert damit den geneigten Zuschauer. Somit ist eine Gefühlsbindung geschaffen, welche die Geschichte nahbar und den Zuschauer zu einem Teil desselben macht.
Wie bei Refn gewohnt ist auch in "The Neon Demon" jede Szene in ihrer Farbe und ihrer Untermalung einzigartig. Satte Farben teilen und trennen sich in ruhige und bedrückende Farben ab. Diese Bilder sind nicht einzuordnen. Es gibt hier keinen Horror, kein striktes Drama und keinen erkennbaren Thriller, den mananhand der Bilder auch nur ansatzweise identifizieren könnte. Es ist eine Vermischung verschiedenster Elemente. Nun ist NWR ein Poet und Querdenker der Filmbranche, der gerne vom Publikum und Kritikern gleichermaßen mal missverstanden oder als Langweiler verschrien wird, seinem ganz speziellen Stil aber bedingungslos treu bleibt. Die Dinge, die nicht gesagt werden, spielen in seinen Werken meist die größte Rolle. Farbenspiele, Symboliken und überlange sterile Szenen sind zentrale Elemente, gerne begleitet von einem markanten Soundtrack. In seinem vorletzten Werk "Only God Forgives" ist das stellenweise zum Selbstzweck verkommen, in "The Neon Demon" stimmt die Balance wieder eher. Refns ganz eigener Blick auf die knallharte Modelbranche voller Oberflächlichkeit, Neid und Missgunst gerät einmal mehr zu einem teils surrealen Trip, in dem die zentralen Figuren meist tatsächlich so kalt und starr wie Models auf dem Laufsteg wirken. Sie sind Sklaven ihrer Welt, und das ganz freiwillig.
Auch Jesse (grandios-wunderbar gespielt von Elle Fanning) gerät in diesen Sog. Dem anfangs so schüchternen Engel wird so lange eingetrichtert sie sei etwas Besonderes, dass sie es am Ende in unübertrefflicher Arroganz selbst glaubt und den Zorn der Konkurrenz auf sich zieht. Sie wird ein Opfer des Systems. Es ist ein schwerfälliger Film, der kaum über das Standgas hinaus kommt und dennoch eine ungemeine Faszination ausstrahlt. Atmsophäre, Kamera und Bildsprache im Zusammenspiel mit dem Cast ergeben ein eigenwillig fesselndes Bild, von dem man sich nur schwer abwenden kann. Der eindringliche Soundtrack von Cliff Martinez geht ins Ohr, dringt in den Kopf und verweilt dort - um nie wieder zu verschwinden.
NWR macht es dem Zuschauer eben nicht gerade leicht ihn zu mögen oder gar zu verstehen, doch genau deshalb ist Refn auch ein so großartiger Regisseur. Ein Gegenpol zum Hollywood-Mainstream, der trotzdem Wert auf hochwertige und aufwendige Inszenierung legt und nicht einfach seine verschachtelten Gedanken billig hinausposaunt. "Neon Demon" gefällt mit seiner dichten Atmosphäre, seinem Mysterium und seiner Diskrepanz schaffenden Rohheit ausnehmend gut und bildet in sich ein kleines Kunstwerk an Bildsprache. Beeindruckend.
8/10
Von KOCH Films erschien der Film im limitierten Mediabook. Dieses beinhaltet den Film auf Blu-ray und DVD, sowie den grandiosen Soundtrack zum Film.
Quellen:
Inhaltsangabe: Koch Films
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