Die sechs Jahre alte Lilo Pelekai (Maia Kealoha) lebt auf Hawaii. Was per se also erst mal nach paradiesischen Zuständen klingt, ist für das Mädchen jedoch gar nicht mal so angenehm. Denn sie wünscht sich mehr als alles andere einen besten Freund. Einsamkeit ist sowieso ein großes Thema bei Lilo und ihrer gerade einmal 18 Jahre alten Schwester Nani (Sydney Agudong). Denn ihre Eltern sind bereits gestorben und die beiden müssen allein klarkommen. Plötzlich zu dritt im Bunde sind sie, als Lilo in Begleitung aus dem Tierheim zurück nach Hause kommt. Sie tauscht das flauschige Wesen Stitch (Stimme im englischen Original: Chris Sanders). Niemand weiß so richtig, was für eine Art Tier Stich eigentlich ist. Klar ist nur: Stitch ist auf Chaos aus und Lilo wird ihm nur schwer Herrin. Währenddessen hat Lilos Schwester ganz andere Sorgen: Ihr Job ist alles andere als sicher und das Jugendamt deshalb besonders aufmerksam, ob sie Lilo ein ordentliches Lebensumfeld schaffen kann. Doch zusammen scheinen die drei stark genug für jede Herausforderung des Lebens zu sein...
Das Remake des gleichnamigen Disney-Animationsfilms von 2002 trägt eine schwere Last: Er muss einerseits die emotionale Tiefe und den liebenswert-chaotischen Charme des Animationsklassikers von 2002 bewahren, andererseits in einer Zeit erscheinen, in der Disney-Realadaptionen längst nicht mehr unbefangen aufgenommen werden, sondern häufig der Kritik ausgesetzt sind, austauschbare Simulationsprodukte zu sein. Überraschenderweise gelingt es diesem Film unter der Regie von Dean Fleischer Camp, auf subtile Weise genau jenes Gleichgewicht zu treffen, das so vielen Neuaufgüssen fehlt: Er erkennt an, dass die Vorlage funktioniert hat, weil sie Figuren im Zentrum hatte, die gebrochen, verletzlich und dennoch voller Witz waren.
Die Geschichte über eine hawaiianische Waise, die ein Wesen aus dem All adoptiert, erzählt sich auch heute noch als eine Allegorie von Anderssein, Zugehörigkeit und familiärer Verankerung - nur dieses Mal mit realen Darstellern und einem digitalen Stitch, der mehr Persönlichkeit hat, als man es von einer bloßen Computeranimation erwarten würde. Während Daveigh Chase im Original Lilo eine verspielte wie melancholische Stimme gab, trägt die junge Schauspielerin Maia Kealoha im Realfilm diese Zerrissenheit sichtbar im Blick: Ihr Spiel ist unangestrengt, authentisch und konterkariert so die Gefahr, in naivem Kitsch zu versinken. Dass Lilo keine generische Filmkindfigur ist, sondern eine, die kleine Aggressionen, Eigensinn und verletzliche Momente zeigt, macht auch diesen neuen Film widerständig gegen allzu glatte Disney-Konventionen. Stitch selbst ist eine vorzüglich gelungene digitale Schöpfung, weniger cartoonhaft als in der Vorlage, doch durch eine bewusste Übernahme kleiner Bewegungsdetails - das Zucken der Ohren, der eigentümliche Gang, die plötzlichen Ausbrüche zwischen Verniedlichung und Zerstörungswut - verankert in der DNA des Originals. Die Animatoren haben hier eine Gratwanderung unternommen zwischen Realismus und Karikatur und sie schlagen sich erstaunlich gut, da Stitch nie wie ein Fremdkörper im realen Setting wirkt, sondern Teil der Welt, wenn auch eben ihr schrägster Bewohner.Natürlich ist die Geschichte weitgehend dieselbe geblieben, doch kleine Anpassungen werden sichtbar: Einige der humoristischen Nebenplots sind gestrafft, Jumba und Pleakley mischen sich etwas weniger vertieft ins Familiengeschehen als in der Zeichentrickversion. Dafür wirken die Dialogwitze pointierter, weniger auf Slapstick ausgerichtet, als auf ein Timing, das zur Live-Action passt. Wenn man etwas bemänglen könnte, dann, das der anarchische Ton des Originals verloren geht, doch man muss gleichwohl anerkennen, dass der Film im Gegenzug jene emotionale Mitte stärker betont, die in Disneys Animationsära um die Jahrtausendwende schon sein Markenzeichen war: die kleine, fragile Gemeinschaft, die sich inmitten von Chaos behauptet. Was beeindruckend bleibt, ist, dass diese Neuverfilmung nicht bloß mit nostalgischem Flair um sich wirft. Die Figuren sind hier nicht Teil eines experimentellen Effektdemonstrators, sondern werden ernst genommen, leben auf der Leinwand, wirken, als sei die Geschichte im Jahr 2025 ebenso plausibel wie 2002. Das macht die neue Version nicht überlegen, aber sie verleiht ihr eine Daseinsberechtigung: als ein durchaus gelungenes Familienabenteuer, das trotz seiner Herkunft und trotz mancher Hollywood-Formel nicht in Gleichgültigkeit mündet, sondern jene altbekannte Botschaft einfach und klar formuliert: Manchmal muss man Fehler machen, um eine Familie zu finden.
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