Freitag, 25. April 2014

Cloud Atlas (2012)

http://www.imdb.com/title/tt1371111/

Der Notar Adam Ewing (Jim Sturgess) lernt 1850 mit einem Schiff die Ureinwohner des Südpazifik und ihre Unterdrückung kennen. Der junge Musiker Robert Forbisher (Ben Whishaw) arbeitet 1931 an seinem Wolkenatlas-Sextett und wird dabei von Ewings Tagebuch inspiriert. Die Journalistin Luisa Rey (Halle Berry) ermittelt 1975 über eine vertuschte Fehlkonstruktion beim Bau eines Atomkraftwerks und erfährt dabei auch von Forbisher. Der Verleger Timothy Cavendish (Jim Broadbent), der Luisa Reys Geschichte veröffentlichen will, wird in der Gegenwart irrtümlich in ein Altenheim eingewiesen. In der nahen Zukunft kämpft die junge Replikantin Sonmi-451 (Doona Bae), deren Lieblingsfilm die Verfilmung von Cavendishs Lebensgeschichte ist, für die Anerkennung ihrer Menschlichkeit. Schließlich spielt eine Episode in ferner Zukunft, in der die menschliche Zivilisation weitgehend wieder auf den Stand der Steinzeit zurückgefallen ist. Nur ein Hologramm mit den Aufzeichnungen Sonmis kündet von der lange vergangenen Zeit.

Es ist eines der größenwahnsinnigsten Filmprojekte aller Zeiten. Eine Adaption des Buches "Der Wolkenatlas" des britischen Schriftstellers David Mitchell, welches wegen seiner Monumentalität und komplizierten Konstruktion eigentlich als unverfilmbar galt und somit eine perfekte Herausforderung für die gleich drei Regisseure darstellte: Der Deutsche Tom Tykwer ist seit dem Erfolg seiner Patrick-Süskind-Adaption "Das Parfüm" geradezu prädestiniert für unverfilmbare Romane, während die Wachowsky-Geschwister sich schon mit ihrer "Matrix"-Trilogie als Spezialisten für Größenwahnsinniges präsentiert haben.



Um die 120 Millionen Dollar hat der Spaß gekostet, gestellt hauptsächlich von der deutschen Filmförderung, was ihn zum teuersten deutschen Film aller Zeiten macht. Der Cast, angeführt von Tom Hanks und Halle Berry über Hugh Grant und Susan Sarandon bis hin zu Jim Broadbent und Hugo Weaving, von denen jeder auch noch um die fünf verschiedenen Rollen spielt, ist fantastisch. Genretechnisch lässt sich der Film so wenig festlegen wie kein anderer, wandert ständig zwischen Romanze, Thriller, Komödie, Sozialdrama, Historienfilm, Science-Fiction und und und…


Aber wie funktioniert das überhaupt? Etwas durchwachsen. Der Film ist, gelinde gesagt, verwirrend. Er erzählt nicht weniger als sechs Geschichten, die über knapp 500 Jahre verteilt sind. Doch während im Buch die sechs Geschichten wenigstens schön ordentlich hintereinander erzählt werden (ich selbst las das Buch nie und habe diese Information nur aus einem kurzen Essay), haben sich die Regisseure entschlossen, diese Struktur sogar noch zu verkomplizieren und in "chaotischer Ordnung" durcheinander zu montieren. Nicht gerade die beste Taktik, ein so kompliziertes Werk dem breiten Publikum schmackhaft zu machen. Und dann sollen diese Geschichten angeblich auch noch inhaltlich irgendwie miteinander verbunden sein... Hm. Diesen Konstrukt kompliziert zu nennen wäre weit untertrieben. Und obwohl der Film mit annähernd drei Stunden deutliche Überlänge aufweist, gelingt es den Machern nicht immer, die Verbindung zwischen den sechs Geschichten kenntlich zu machen.



Ein junger amerikanischer Anwalt freundet sich mit einem entlaufenen Sklaven an und bekommt die Bosheit der "überlegenen weißen Rasse" am eigenen Leib zu spüren. Dessen Tagebücher liest 80 Jahre später ein junger britischer Komponist, dessen eigene Homosexualität ihm zum später Verhängnis wird. 40 Jahre danach erzählt der Freund des mittlerweile verstorbenen Komponisten, ein Wissenschaftler, der Journalistin Halle Berry von einem großangelegten Wirtschafts- und Energieskandal, welchen diese publik macht und ein Buch darüber schreibt, das in unserer Zeit einem pleite gegangenen Verleger zu neuem wirtschaftlichen Aufschwung verhilft; er schreibt seine Lebensgeschichte um die Gefangenschaft und den Ausbruch aus einem tyrannisch geführten Altersheim auf, dieses Buch wird verfilmt, der Film wiederum inspiriert im Seoul des 22. Jahrhunderts eine geklonte Kellnerin dem Widerstand gegen eine Art kapitalistisch-sozialistische Diktatur beizutreten, wofür sie 150 Jahre später, nach der Klimakatastrophe, von den letzten überlebenden Menschen als Göttin verehrt wird.



Verwirrt? Doch das soll nicht davon ablenken, dass der Film durchaus einige beherzigenswerte Botschaften enthält, die in dem unübersichtlichen Handlungswirrwarr aber manchmal etwas untergehen. Ein paar Sätze aus der letzten Rede unserer Widerstandskellnerin kann man als Grundaussage des gesamten Films auffassen: "Leben heißt wahrgenommen werden. Unsere Leben gehören nicht uns. Jede unserer Handlungen hat Auswirkungen auf die Zukunft." Das ist nur eine der zahlreichen, meiner Meinung nach, sehr klugen Aussagen in diesem Film und absolut kein bloßes Geschwafel, das ist wie ein Crashkurs durch die Philosophiegeschichte. Der Film hat eben Anspruch, will mehr sein als bloße Unterhaltung. Dass er teilweise über sein Ziel hinausschießt und manchmal etwas aufgeblasen daherkommt, ist aufgrund des großartigen Gesamtentwurfs zu verzeihen. In einer Zeit, in der Hollywood endgültig zur Geldmaschine verkommen ist und das Publikum nur noch mit Dutzenden von Fortsetzungen einstmals erfolgreicher Ideen malträtiert, muss man den Filmemachern für ihren künstlerischen Wagemut dankbar sein.

8/10

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