"In einem Loch im Boden, da lebt ein Hobbit..." so beginnt die Geschichte um Bilbo Beutlin, dem Hobbit, der von Peter Jackson auf eine unerwartete Reise geschickt wird - zur Freude der Fans.
Ein weiser alter Zauberer sagte einst über Hobbits, man könne "in einer Woche alles über sie lernen, was es zu lernen gibt, und dennoch können sie einen selbst nach hundert Jahren noch überraschen." So lange ist es eigentlich noch gar nicht her, seit zum letzten Mal einer der Auenland-Bewohner auf der großen Leinwand auszog, um ein Abenteuer zu bestehen, und darum war auch die Geschichte des Einen Rings, in der das Schicksal von ganz Mittelerde in die Hände zweier Halblinge fiel, noch nicht zu Ende erzählt. Bilbo Baggins (großartig: Martin Freeman) ist ein respektabler Auenland-Bewohner, ein Hobbit aus gutem Hause, der nichts am Hut hat mit Abenteuern, Unheil und zwielichtigen Gestalten, bis, eines Tages eine ganze Horde von Zwergen bei ihm mit der Tür ins Haus fällt wird, seine Wohnung auf den Kopf stellt, seine Vorratskammer ratzekahl plündert und ihn zu einer Suche verpflichten will, das verlorene Königreich Erebor wieder zu erobern. Ein Gedanke, der ihn als hoch angesehenen Baggins natürlich völlig entsetzt. Doch ermutigt von Gandalf, dem Grauen (Ian McKellen) findet sich Bilbo zu seinem eigenen Erstaunen auf einem Pony wieder, in Gemeinschaft des Zwergenprinzes Thorin Eichenschild (Richard Armitage) gen Osten reitend, in Richtung des einstigen Zwergenreiches, um den unermesslichen Goldschatz der Zwerge aus den Fängen Smaugs, des Drachen, zu stehlen. Doch längst haben sich Dinge in Bewegung gesetzt, die über dieses kleine Abenteuer weit hinausgehen: Im Osten regt sich ein dunkler Schatten, eine längst überwunden geglaubte Bedrohung. Und tief unter den Nebelbergen findet Bilbo ein unscheinbares Kleinod, das den Lauf der Dinge ins Wanken bringen wird …
Die Unterschiede zwischen dem Hobbit und dem epischen "Herr der Ringe" können gar nicht genug betont werden. Um die Kontinuität auf der Leinwand herzustellen, um die sich Tolkien nicht bemühen musste, stand Jackson nun vor der Mammutaufgabe, die Geschichte des Hobbits an den erzählerischen und visuellen Stil seiner vorherigen Trilogie anzupassen - eine künstlerische Gradwanderung, die, wie ich meine, nicht schwer genug eingeschätzt werden kann. Gemessen daran ist der Hobbit eine Meisterleistung. Der visuelle Stil, die grandiosen Kamerafahrten, der unverkennbare Score aus den Händen Howard Shores machen es dem Zuschauer ungemein leicht, nach Mittelerde zurückzukehren, ebenso der Prolog, eine Überleitung durch Ian Holm und Elijah Wood, die im "Herrn der Ringe" Bilbo und Frodo Baggins verkörperten. Überhaupt ist der Beginn des Filmes fabelhaft gelungen, nicht zuletzt dank des pointierten Spiels Martin Freemans, dessen herrlich überforderter Bilbo seine wunderbar affektierten Schrullen nach Beginn des Abenteuers nach und nach verliert – um sie erst in der besten Szene des Filmes zurückzugewinnen. Überhaupt ein wahres Wunderwerk, wie Jackson die Überleitung des bildgewaltigen Prologs zum beschaulichen Bag End zeigt, den langsam durchscheinenden Wunsch Bilbos, seinem respektablen, braven Hobbitdasein zu entkommen, auch das Wanken der Zwerge zwischen frohem Gemüt und wehmütiger Entschlossenheit: Eine charakterliche Ambivalenz, die, wenn überhaupt irgendetwas, in Lord of the Rings fehlte.
Aber der Hobbit hat auch seine Schwächen:
hier ein Nebenstrang, der künstlich in die Länge gezogen wird, dort eine
überflüssige Action-Sequenz, man denke an den Kampf der Steinriesen,d
er so nicht im Buch vorkam. Vor allem letztere sind ein kleines
Grundübel des Films: Wo "Die Gefährten", mit dem ich "Eine unerwartete
Reise" gern vergleiche, nur zwei wirklich große Kampfszenen hatte, diese
dann aber mit Wucht zu inszenieren verstand, verliert der Hobbit sich
hier und dort in belanglosem Krawall, und ich denke dabei vor allem die
unsinnig abgeänderte Troll-Szene sowie die furchtbar albern geratene
Sequenz mit dem Goblinkönig hervor. In der Tat hebt sich der Film seine
einzig wahrlich gelungene Kampfszene für den Schluss auf, ein
versöhnlicher Endpunkt immerhin. Doch die Tendenz Jacksons, mit
ausgedehntem Schlachtgetümmel literarisches Brachland zu überbrücken,
tat sich ja bereits in "Die Rückkehr des Königs", dem dritten Teil der
Ring-Trilogie hervor. Doch seine Längen sind verzeihlich, sein
Mittelteil mit dem diesmal wenig atemberaubend in Szene gesetzten
Bruchtal dann doch kurz genug, ehe wir zum vermutlichen Höhepunkt der
Trilogie kommen, der schicksalhaften Begegnung Bilbos mit einer im
wahrsten Sinne des Wortes rätselhaften Kreatur, die in den Tiefen der
Nebelberge lebt.
Wir haben das Animationswunderwerk Gollum
(Andy Serkins) nun schon zwei volle Filme inklusive Überlänge erlebt,
lange genug, um uns nicht mehr überraschen zu lassen. Meint man! Aber
falsch gedacht: welch ein brillanter Anflug von Kammerspiel, welch eine
gespenstische Atmosphäre, und gleichzeitig wie herrlich, dass Martin
Freemans Bilbo ausgerechnet in dieser unwahrscheinlichsten aller
Situationen unwillkürlich zu seinen alten Marotten zurückkehrt, weil
dieses Rätselspiel mit einem zwiespältigen Monster tief unter der Erde
mehr seiner Natur entspricht als alles andere, was er auf diesem
Abenteuer erlebt hat! Dann die Überleitung zum Schlussduell, welches
eben genau den Punkt trifft ohne sich übermäßig hinzuziehen und
letztlich ein kurzer, verheißungsvoller Ausblick auf das, was uns noch
erwartet. Und was zurück bleibt, ist eine wunderbar unterhaltsame
Geschichte, die in großartigen Bildern, phantastischer Musik und
großartigen Schauspielern ein gelungenen Eindruck beschert. Und Lust auf
die kommenden beiden Filme hinterlässt er mehr denn manch anderer Film.
Toll.
8,5/10
Von WARNER BROS. erschienen die 3 Teile in einer stark limitierten Edition, welche die Kinofassungen und die Extended Versions in 4K Ultra-HD beinhalten.
Quellen:
Inhaltsangabe: Warner Bros.
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