Sonntag, 5. November 2023

The Misfits - Misfits: Nicht gesellschaftsfähig (1961)

https://www.imdb.com/title/tt0055184/

Die Tänzerin Roslyn (Marilyn Monroe) erhofft sich mehr von ihrem Leben. Auf der Suche nach einem tieferen Sinn und Abwechslung lässt sie sich scheiden und wagt einen Neubeginn. Als sie mit ihrer Freundin Isabelle (Thelma Ritter) auf den Mechaniker Guido (Eli Wallach) und den Cowboy Gay (Clark Gable) trifft, verbringen sie ein paar Tage in Guidos Haus. Doch nicht nur die beiden Männer sind begeistert von Roslyn, sondern auch der dritte im Bunde - Rodeo-Reiter Perce (Montgomery Clift) - findet Gefallen an der attraktiven, jungen Frau. Was Roslyn allerdings nicht weiß: Die drei Männer gehen einem scheußlichen Geschäft nach. Sie fangen Wildpferde, um sie zu verkaufen und zu Hundefutter zu verarbeiten. Als Roslyn davon erfährt ist sie schockiert und der romantische Ausflug findet ein jähes Ende. Kann Roslyn ihnen die grausame Pferdejagd verzeihen? 

"The Misfits" ist einer dieser hoffnungslosen Filme, die nur entstehen, wenn die deren Akteure, namhafte Hollywodd-Stars - auf magische Weise aufeinandertreffen. Besagte Stars (Marilyn Monroe, Clark Gable, Montgomery Clift) sind alle in ihren letzten Tagen / Jahren zu sehen; Innerhalb von zwei Tagen nach Abschluss der Dreharbeiten erlitt Clark Gable einen schweren Herzinfarkt und starb innerhalb einer Woche; Monroe starb etwa ein Jahr später an einer Überdosis Drogen; Auch Clift starb 1966 nach einem lebenslangen Kampf gegen Drogenmissbrauch. Das Drehbuch stammt von Arthur Miller (Monroes zukünftigem Ex-Ehemann) und die Regie führt John Huston (der einen Großteil der Dreharbeiten betrunken verbrachte, schlief oder sich in lähmende Schulden stürzte). Miller und Huston schaffen aber ein Werk, das in einem kurzen Moment erbärmlich erlöschende Glut einfängt. Dabei sollte man aber das Wort "erbärmlich" nicht im abwertenden Sinne verstehen - eher "von Trauer oder Melancholie geprägt" und einfach nur "traurig". "The Misfits" ist all das.

Monroe spielt Roslyn Taber, eine ehemalige Stripperin, die die Scheidung einreicht und in Reno, Nevada landet, mit vier ebenfalls verlorenen Trotteln am Ende ihrer Kräfte: dem alternden Cowboy Gay Langland (Clark Gable, in seiner letzten Filmrolle); Guido Racanelli, ehemaliges Fliegerass aus dem Zweiten Weltkrieg (Eli Wallach); ein ehemaliger Rodeoreiter (Montgomery Clift); und eine einsame geschiedene Frau, Roslyns einzige Freundin (Thelma Ritter). Sie gründen ein Geschäft, indem sie Wildpferde fangen. "The Misfits", geschrieben in der typisch offensichtlichen, anspruchsvollen Deklamatorie von Arthur Miller, ist von Beginn an unterhaltsam anzusehen, vor allem weil es sich um einen der seltenen Fälle handelt, in denen der Subtext eines Films der Text ist. Das Wissen um die Schrecken hinter den Kulissen seiner Entstehung steigert das Seherlebnis. Es ist wie eine lange, schlaflose Reise in die Dunkelheit. "The Misfits" ist nur ein langes Heulen des Elends, das umso verzweifelter wird, je weiter es voranschreitet - je lockerer, desto einsamer.

"The Misfits" erschien am Ende der klassischen Hollywood-Ära und das merkt man auch. Allein Monroes Melancholie ist nicht nur ein passives Nebenprodukt ihres geistigen und körperlichen Zustands; es handelt sich um eine absichtlich von den Schauspielern gesteuerte Melancholie, die ihre bemerkenswerte Fähigkeit zeigt, die einsame geschiedene Frau darzustellen, die nach Nevada geht, um zu trinken, sich treiben zu lassen und zu sterben. Ihr seltsames Lächeln im Nanosekundenbereich ist bewusst herausgearbeitet; Sie macht dieses miserable Geschäft nur vor Männern, die es von ihr erwarten, und entspannt sich dann vor Thelma Ritter, ihrer einzigen Freundin. Ritter unterhält sich lebhaft mit Monroe, doch ersterer wird bald aus der Erzählung des Films ausgeschlossen und Monroe muss diese erbärmlichen Männer alleine einschätzen. Der Marilyn-Auftritt ist gerade deshalb so mutig, weil sie allen Widrigkeiten zum Trotz überlebt. Auf einer anderen Seite wird Monroes Nahaufnahme durch einen verschwommenen Weichzeichner unterbrochen. Sie hat nichts von der anzüglichen, beinahe pornografischen Strahlkraft ihrer Werbefotos aus den 1950er-Jahren. Hier sieht es so aus, als würde die Kamera nur weinen und ihre Tränen schlecht wegwischen, überwältigt vom Zustand Marilyns. Die Schauspieler gönnen sich ein paar groteske Geschäfte: Eli Wallach stapelt in betrunkenem Morgenschlaf wahllos Holzbretter, Gable schlägt gegen sein Auto, bis seine Hand blutet, Monroe verführt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Clift ist ein besonders trauriger Fall; Er scheint sich nicht einmal bewusst zu sein, dass um ihn herum Kameras sind. Er ist so aus dem Bild verschwunden, er ist so nie in einer Szene, dass es schmerzhaft wird, immer wieder zu seinem hageren Gesicht, seinen leeren Augen zurückzukehren.

Kein Schauspieler im Ensemble scheint sich der Existenz des anderen bewusst zu sein. Eli Wallach ist ein zielloser und verstörter Ex-Pilotveteran, der darüber nachdenkt, dass er beim Abwerfen von Bomben nichts gespürt hat. Die einzige Person, die diesen tiefgreifenden lebenshassenden Pessimismus möglicherweise ändern könnte, ist Thelma Ritter, die wie immer am meisten Spaß macht - und die zu schnell den Film verlässt, kurz bevor es wirklich traurig wird. Ansonsten spricht das "Misfits"-Ensemble weit aneinander vorbei und vergräbt sich nie in der Szene. Wir sehen keine Charaktere, die mit Charakteren interagieren; Wir sehen Stars, die mit Stars reden und ihr falsches Leben auf der Seite mit ihrem wirklichen Leben außerhalb des Sets verwechseln. Die Action-Szenen haben nichts davon; Die Szenen, in denen Wallach und Gable wilden Pferden nachjagen, vermitteln in etwa den Spaß, der Farbe beim Trocknen zuzusehen - und das ist auch genau der Punkt. Ein aktionsfreudiger und straffer Regisseur wie Howard Hawks wäre über den völligen Mangel an formaler Disziplin in Hustons Wildpferd-Sequenzen, die schlampig hängen, angewidert gewesen. Aber die Szene mit Hawks'scher Effizienz zu machen, würde den Sinn dieses eindringlichen Bildes verfehlen, das (durch endlose Wiederholung) zeigen will: zuerst ein Pferd, dann ein anderes Pferd, dann noch eins, dann Gable, dann Monroe, dann noch ein Pferd, dann einen Lastwagen …) wie sich Banalität anfühlt. Huston zeigt die wilde Jagd als das, was sie ist: die letzten verzweifelten Versuche von Versagern, die in der Wüste in verrückten Kreisen herumwirbeln.

Doch hinter dem allgegenwärtigen Elend verbirgt sich genau ein Schimmer von Festigkeit, vielleicht von Hoffnung. Nach all ihrer harten Arbeit und körperlichen Anstrengung beschließen die Männer, die gerade gefangenen Wildpferde zu erschießen und ihr Fleisch für ein paar lausige Hundert Dollar zu verkaufen. Aber nach dieser Qual des Rests des Bildes liefert Monroe dann genau die Katharsis, die nötig ist, um wieder für die Heiligkeit der Menschen zu sorgen. In einer extremen Totalaufnahme hängt die Kamera weit nach hinten und lässt mich Rosalyns Bedeutungslosigkeit und im Gegenteil Monroes Stärke spüren. Es kommt selten vor, dass Rosalyn/Monroe Privatsphäre für sich hat. Huston verzichtet klugerweise auf eine typische Hollywood-Nahaufnahme, die ihren Zusammenbruch und ihre emotionalen Turbulenzen mit dramatischer, greller Geschmacklosigkeit zeigen würde. Die Kamera kann keine Nahaufnahme machen. Dies zu tun würde den Sinn der Szene völlig zunichte machen: den Ausbruch einer Frau aus ihrer Banalität. 

Der Dialog in dieser bemerkenswerten Szene (vielleicht der Höhepunkt von Monroes Schauspielkarriere) sagt auch Monroes zukünftiges mutmaßliches Schicksal so unheimlich voraus, dass es mir eine Gänsehaut bereitete: "Ihr (Männer) seid nur glücklich, wenn ihr etwas sterben sehen könnt. Warum bringt ihr euch nicht um und seid glücklich?" Sie könnte sich genauso gut an Arthur Miller (und das Publikum) wenden wie an Gable, Wallach und Clift. Es ist ein erstaunliches Beispiel dafür, wie eine Schauspielerin ihre Entscheidungsfreiheit in einer Erzählung zurückerobert, die auf den ersten Blick über den Schauspielern zu schweben scheint. Das ist auch der Grund, warum sein letztes Happy End so seltsam erfolgreich ist - weil es so offensichtlich falsch ist und man es besser weiß.

8/10

Quellen
Inhaltsangabe: Capelight

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