Montag, 29. Oktober 2018

Wildling (2018)

https://www.imdb.com/title/tt5085924/

Anna (Bel Powley) verbringt ihre gesamte Kindheit auf dem finsteren Dachboden einer abgelegenen Waldhütte. Isoliert von der Außenwelt wächst sie unter der Obhut eines mysteriösen Mannes auf, den sie lediglich als Daddy (Brad Dourif) kennt und der ihr mit Schauergeschichten rund um ein kinderfressendes Monster, dem Wildling, der in der Welt da draußen sein Unwesen treibt, Angst einredet. Als Anna im Alter von 16 Jahren von der örtlichen Polizei gefunden und befreit wird, beginnt für sie ein neues Leben. Sheriff Ellen Cooper (Liv Tyler) nimmt das verstörte Mädchen bei sich auf, das nun endlich erfährt, was es heißt, geborgen und in Sicherheit zu leben. Doch plötzlich kommt es zu einer Reihe ungewöhnlicher Ereignisse...

Die Schauspielerin Bel Powley ist der Mittelpunkt von "Wildling". Sie überzeugt in der Rolle der jugendlichen Anna. Wir erleben, wie Anna von einem Kleinkind zu einer jungen Frau heranwächst. Ihre Geschlechtsreife bedeutet für sie eine Metamorphose und lässt sie zu einer Bedrohung werden. Wenn Anna sich schließlich in das Wesen verwandelt, vor dem sie "Daddy" gewarnt hat, in den Wildling, eine Art Werwolf, dann ist das als Metapher auf die erwachende weibliche Sexualität zu verstehen. Hierin ähnelt der Film thematisch Filmen wie "Thelma", "Ginger Snaps" oder "Raw". Dieses Thema und die ersten zwanzig Minuten gehören zu den Stärken des Films. Ebenso positiv hervorzuheben sind Liv Tyler und Brad Dourif, wobei der Golden Globe-Preisträger seine Szenen beherrscht. Seine Rolle als Antagonist des Films, als Mann, als Patriarch, ist von Beginn an eindeutig, als er die kleine Anna gefangen hält. Diese Szenen, die nur in dem Keller spielen, sind der beste Teil des Films und in seiner Intensität ähnelt "Wildling" hier dem Film "Raum" von Lenny Abrahamson. Leider verliert "Wildling" diese Intensität im gleichen Maße, wie sich die Welt für Anna erschließt.

Keine der Figuren, Figurenkonstellationen oder Handlungselemente, die folgen, können an die Qualität der ersten knapp zwanzig Minuten anknüpfen. Auch schauspielerisch vermögen es die anderen Akteure nicht das Niveau der beiden Hauptdarsteller zu erreichen, sie bleiben ebenso wie ihre Charaktere blass. Das Potenzial, was das Grundgerüst der Geschichte bietet, bleibt leider ungenutzt, verliert sich im weiteren Handlungsverlauf in Klischees, gerät vorhersehbar, beliebig und letztlich unglaubwürdig. Das Geschehen wird aus der Perspektive von Anna erzählt. Das bedeutet, dass Bel Powley den Film tragen muss, das gelingt ihr auch weitestgehend. Sie ragt heraus und hätte ein besseres Drehbuch verdient. Allerdings sagte sie selbst in Interviews, dass für sie die Rolle eine Herausforderung bedeutete und es ist fraglich, ob sie einen ähnlich gelagerten Charakter woanders hätte spielen können.

Der Film sieht trotzdem insgesamt sehr gut aus und bietet trotz einige offensichtlicher CGI-Patzer auch viele atmosphärische Bilder, die für so manches entschädigen. Man muss Fritz Böhm auch zugutehalten, dass es sein Spielfilm-Debüt als Regisseur und Drehbuchautor ist, daher vielleicht auch das Quäntchen Erfahrung fehlt, um dem Skript mehr Handlungsdichte und den Charakteren mehr Tiefe zu verleihen. Das Potenzial ist fraglos vorhanden. "Wildling" besitzt in den ersten zwanzig Minuten und in seiner Optik einige Stärken. Später jedoch leider auch viele Schwächen, die den Film seiner Substanz berauben und zu biederem Genre-Durchschnitt werden lassen.

6/10

Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film hierzulande in HD in einem tollen Mediabook: 

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