Donnerstag, 18. Oktober 2018

Le Grand Bleu - Im Rausch der Tiefe (Director's Cut) (1988)

https://www.imdb.com/title/tt0095250/

Jacques (Jean-Marc Barr) und Enzo (Jean Reno) wachsen gemeinsam auf einer griechischen Insel auf und interessierten sich bereits von Kindesbeinen auf ungemein für das Tauchen. Als Jacques Vater, ein Schwammtaucher, bei seiner gefährlichen Arbeit ums Leben kommt, verlässt er traumatisiert das Land. Erst viele Jahre später begegnen sich die beiden Jugendfreunde wieder. Während Jacques seine ungewöhnlichen Fähigkeiten für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung stellte, ist Enzo inzwischen Weltmeister im so genannten Apnoetauchen, einer sehr riskanten Methode ohne jegliche Gerätschaften. Da die nächste Weltmeisterschaft an der Ostküste Siziliens kurz bevor steht, fordert Enzo Jacques heraus. Das Wettauchen entwickelt sich zu einem packenden Duell, von dessen fatalen Folgen zu diesem Zeitpunkt keiner der Beteiligten etwas ahnt...

Ein wunderschöner Bilderrausch. Luc Bessons vierte Regiearbeit war der Film, mit dem ihm der internationale Durchbruch gelang. Hiermit erfüllte er sich gleichzeitig einen Traum, denn anfangs wollte er selbst Meeresbiologe und Taucher werden (seine Eltern hatten schon als Tauchlehrer gearbeitet), was aber ein Unfall unmöglich machte. Hiermit gelang es ihm aber, seine Leidenschaft auf Film zu bannen. Das Drehbuch hatte er dabei schon als Jugendlicher geschrieben und konnte es nun als fast Dreißigjähriger nach seinen Vorstellungen umsetzen. "Im Rausch Der Tiefe" bzw. "Le Grand Bleu", basiert dabei auf wahren Begebenheiten. Zugrunde lag die tatsächliche Rivalität der beiden Apnoetaucher Jacques Mayol (der auch als technischer Berater beim Film mitwirkte) und Enzo Maiorca, deren Vornamen auch die Hauptpersonen hier tragen, die sich in den 60er Jahren gegenseitig die Rekorde abjagten. Der Film vermittelt jedenfalls sehr gut das Gefühl unter Wasser. Herzstück des Werkes sind die beeindruckenden Tauchszenen, bei denen sich die beiden Hauptdarsteller nicht doubeln ließen, sondern tatsächlich ohne Atemgeräte in nicht ungefährliche Tiefen begaben (wenn auch in Wirklichkeit bei weitem nicht in so extreme wie im Film suggeriert). Von poetischer Schönheit sind die Aufnahmen der Delfine, zu denen sich der Protagonist Jacques sehr verbunden fühlt.

Vor allem lebt der Film auch von seinen Charakteren. Die freundschaftliche Rivalität zwischen den beiden gegensätzlichen Hauptfiguren (Enzo ist geschwätzig, aufbrausend und angeberisch, Jacques dagegen eher schüchtern, schweigsam und nachdenklich) wirkt immer glaubhaft und geht zu Herzen. Die in die Handlung geflochtene Liebesgeschichte von Jacques zur tollpatschigen Versicherungsvertreterin Johana kommt zu keiner Zeit aufgezwungen rüber. Besonders zu loben sind natürlich die großartigen Schauspieler. Jean-Marc Barr, der im Anschluß leider keine so erfolgreiche Karriere wie der Regisseur und sein Leinwandpartner starten konnte, wirkt sowohl zerbrechlich als auch leidenschaftlich und charismatisch, die junge Rosanna Arquette ist in ihrer Naivität liebenswert. Die Chemie zwischen den beiden funktioniert auf jeden Fall. Den größten Eindruck macht aber Jean Reno in einer Paraderolle als extrovertierter Enzo, dem hiermit ebenfalls sein internationaler Durchbruch gelang. Außerdem sieht man noch die bezaubernde Valentina Vargas als seinen kurzzeitigen Love-Interest, die aber leider nicht viel Screentime hat (und zudem auch nur im hier besprochenen "Director's Cut" zu sehen ist).

"Im Rausch Der Tiefe" hat jetzt freilich keine wirklich besonders ausgefallene Handlung, tatsächlich ist diese ziemlich banal. Hier erzählt stattdessen die Optik die Geschichte. Der Film wirkt vor allem durch seine Bilder und die großartige Inszenierung Luc Bessons. Besonders eindringlich ist dabei die Halluzinationsszene kurz vor Schluss, in der Jacqes in seinem Bett glaubt, das Meer würde sich von der Decke in sein Zimmer ergießen. Technisch war diese Szene wohl eher simpel umgesetzt, aber visuell ist sie atemberaubend. Ein netter Einfall war es auch, den Prolog, bei dem die beiden Hauptfiguren als Kinder zu sehen sind, ein einschneidendes Erlebnis, das ihre Charaktere definiert, gezeigt wird und man den jungen Jacques sogar beim Füttern einer Muräne beobachten kann, in Schwarz-Weiß, den Rest des Films aber in Farbe zu drehen. Einen großen Anteil an der Atmosphäre hat natürlich auch die Musik von Bessons Stammkomponisten Éric Serra. Seine sphärischen Keyboardkompositionen, die teils auch Delfinlaute imitieren, ermöglichen einem gleich von Beginn an das sprichwörtliche "Abtauchen" in die Bilderwelt des Films.

Man muss sich natürlich auf das Werk einlassen können. "Im Rausch der Tiefe" ist sehr ruhig und langsam erzählt und zieht sich besonders im über zweieinhalbstündigen "Director's Cut" auch etwas. So manche Szene wäre vielleicht nicht unbedingt nötig gewesen. Dennoch ist die längere Fassung zu bevorzugen, da sie die Charaktere vertieft und auch einige neue, nicht ganz unrelevante Figuren auftreten lässt. Außerdem fügt sie dem Film auch etwas Humor hinzu (beispielsweise, wenn der japanische Taucher aufgrund seiner zweifelhaften Atemtechnik schon versagt, bevor er auch nur einen Meter tauchen konnte). Tatsächlich bietet der Film nicht wenig Humor, ist teilweise auch ziemlich spannend (wenn es in die wirklich gefährlichen Tiefen geht). Zum Ende hin wird es dann auch sehr tragisch. Insgesamt kann man ihn als eine Mischung aus Drama, Abenteuer- und Liebesfilm beschreiben. Vielleicht ist "Im Rausch der Tiefe" ein Film, mit dem nicht jeder etwas anfangen kann, aber in seiner Bildgewalt im wahrsten Sinne des Wortes "berauschend". Ein Film für Taucher & leidenschaftliche Meerliebhaber & eine Hommage über Freundschaft & die Faszination für die Weltmeere. Einfach ein schöner Film.

8/10

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