http://www.imdb.com/title/tt0056193/
Berühmte Verfilmung von Vladimir Nabokovs ebenso berühmtem Roman: Der
geschiedene Literaturprofessor Humbert Humbert (James Mason) kommt in
das Städtchen Ramsdale in New Hampshire und mietet dort ein Zimmer im
Haus von Charlotte Haze (Shelley Winters). Seine Vermieterin hat es
gleich auf Humbert abgesehen, aber der ist viel mehr von deren
jugendlicher Tochter Lolita (Sue Lyon) fasziniert. Bald ist er von dem
Mädchen förmlich besessen. Als Lolita von Charlotte ins Sommercamp
geschickt wird, ist Humbert ganz krank vor Eifersucht. Schließlich holt
er das Mädchen aus dem Ferienlager und will mit ihm durchbrennen. Das
bleibt nicht unbemerkt und Clare Quilty (Peter Sellers) droht, Humbert
bloßzustellen ...
Man sagt ja immer wieder, dass das Herz will, was es will.
Doch die Liebe ist viel mehr als nur Küsse unterm Mondschein, sie
ist etwas, was den Menschen geistig und seelisch beeinflusst und ihn zu Taten
verleitet, wie man sie sich nicht vorgestellt hätte. Man darf das als
gut und schlecht interpretieren. Natürlich darf man die Liebe nicht als
etwas Schlechtes ansehen, doch darf man auch nicht den psychischen
Einfluss, den sie ausübt, ignorieren. Die Liebe ist das
Mächtigste auf der Welt, sagen viele. Während das einige als Kitsch
ansehen, ist dies doch eher die Wahrheit. Auch hier im guten und
schlechten Sinne. Und manchmal verliebtsich ein Mensch eben in eine Person, von der
die Mehrheit der Meinung wäre, dass es falsch wäre, sich in sie zu
verlieben. So waren viele Menschen von dem Roman "Lolita" empört, da
viele sich nicht an den Gedanken gewöhnen wollten, dass sich ein
Erwachsener in ein Kind verliebt.
Wie sollte Stanley Kubrick, der das gleichnamige Buch des russischen Schriftstellers Vladimir Nabokov
1962, 7 Jahre nach dessen Erstveröffentlichung verfilmte, diese
außergewöhnliche Liebe rechtfertigen? Kubrick beantwortet diese Frage ganz simpel: gar nicht. Statt
dass er die Geschichte um Humbert Humbert (grandios gespielt von James Mason), der sich in die Tochter
(Sue Lyon) seiner Vermieterin Charlotte Haze (Shelley Winters) verliebt, verharmlost darstellt, macht er genau das
Gegenteil. Man mag zwar sagen, dass die Erotik fehlen würde, doch zu
damaliger Zeit hätte man nie zugelassen, dass sexuelle Interaktion
zwischen Mann und Kind gezeigt wird. Doch gibt sich Kubrick
Mühe, die sexuellen Interessen von Humbert subtil darzustellen. Sei es
wenn er mit seiner Frau Charlotte kuschelt und seine Augen währenddessen
nur auf das Bild von Lolita fixiert sind oder er in ihr Bett steigen
will, als er mit ihr im Hotel übernachtet.
Kubrick zeigt jedoch kein Interesse daran, sein Verhalten als
unmöglich darzustellen, sondern setzt sich eher mit dem psychischen
Druck der Liebe auseinander und in welchen Formen sie auftreten kann –
eine Idee, die er erst knapp 35 Jahre später in "Eyes Wide Shut" noch weiter vertiefen konnte.
Mag Humbert zu Anfang noch seine
Faszination über Lolita in sein Tagebuch schreiben, so verwandelt sich
diese schnell in Obsession. Es geht sogar so weit, dass er sich schon
Gedanken über den perfekten Mord macht, um seine Frau, die er ohne
wirklich darüber nachzudenken, geheiratet hat, vermutlich nur um Lolita nahe
zu bleiben, ein für alle Mal loswerden will - eine ziemlich verstörende
Vorstellung. Ohne zu viel zeigen müssen, schafft es Kubrick, seine
Botschaften klar und mit demselben Niveau an Schockemotionen zu
vermitteln, wie wenn es ihm erlaubt gewesen wäre, so explizit wie
möglich bei seinem Film vorzugehen.
Humberts Gefühle für Lolita führen dazu, dass er sein Bestes gibt,
Lolita zu kontrollieren, als wäre sie sein Eigentum. Er springt hin und
her zwischen der Vaterfigur und dem Liebhaber, dass man sich fragt,
welche Seite von ihm in welcher Szene zum Vorschein kommt. Egal wie
schwer der Film es dem Zuschauer machen will, dass man mit ihm als dem
Protagonisten sympathisiert (eine Tradition, die Kubrick bei einigen von
seiner späteren Filme fortgeführt hat), kann man kaum anders als sich für sein Benehmen und seine Entscheidungen zu faszinieren. Kubrick
war nicht daran interessiert, sich ein Bild von der Realität zu machen,
sondern wie er sagte, sich ein Bild vom Bild der Realität zu machen. Und
schon gab es die ersten Anzeichen für den Aufstieg des Regisseurs, der
sich nicht scheute, die Grenzen des filmischen Status Quo zu brechen und
mit der Verfilmung des Romans, der viele Leser schockierte, seine
ersten Schritte machte. Kubrick schuf mit "Lolita" also nicht nur einen außergewöhnlichen Liebesfilm, sondern entwickelte in gewissem Maße auch seine Liebe für den Film.
8/10
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