http://www.imdb.com/title/tt0443680/
Der Film erzählt vom Leben des Jesse James (Brad Pitt) und seiner Gang.
Nach dem Bürgerkrieg überfallen sie Züge und Banken und werden in der
Bevölkerung als moderne US-Variante von Robin Hood gefeiert. Während sie
als Helden dastehen, geben sich die Pinkerton Detectives immer mehr der
Lächerlichkeit Preis, weil es ihnen nicht die gelingt, die Jagd nach
Jesse James und seinen Spießgesellen erfolgreich zu gestalten. Zur Bande
um Jesse James stößt auch der junge Robert Ford (Casey Affleck). Aber
schon bald muss Ford feststellen, dass der wahre Jesse James wenig mit
dem idealisierten Mythos zu tun hat, der in der Bevölkerung kursiert. Er
ging als der Feigling in die Geschichte in, welcher Jesse James
rücklings ermordete. "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling
Robert Ford" ergründet diese kaltblütige Tat und die Legende vom
Feigling, der Jesse James umgebracht hat.
"Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" zählt zu den besseren Vertretern des Westerngenres der letzten zwei Jahrzehnte und bietet eine ungewöhnliche Seherfahrung. Vor allem, weil der Film gar kein klassischer Western im eigentlichen Sinne ist. Wie der Titel bereits andeutet, dreht sich der zweite Film von Regisseur und Drehbuchautor Andrew Dominik weniger um die Schurkenstücke eines der bekanntesten Outlaws des Wilden Westens, sondern um dessen Niedergang und verwehrt sich damit der typischen Heroisierung, wie wir sie aus klassischen US-Western kennen. Im Gegensatz zu anderen modernen Western zeigt Dominiks Werk auch kein Interesse daran, die Stilmerkmale zu dekonstruieren oder zu ironisieren, um ganz postmodern eine Meta-Ebene zu etablieren.
Damit gesellt sich "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" tatsächlich zu den Werken einer ausgestorbenen Strömung – dem Kino des New Hollywood, das sich dem Genre mit Werken wie McCabe & Mrs. Miller, "Pat Garrett jagt Billy the Kid" oder "Der weite Ritt" melancholisch näherte und mit dramaturgischen Konventionen brach. Statt die archaische Welt des Western zu glorifizieren, entpuppte sich das weite Land als leer und karg, warf die Menschen auf sich selbst zurück und hinterfragte uramerikanische Ideale wie Freiheit und Selbstbestimmung. All dies trifft auch auf Andrew Dominiks Werk zu. Sieben Jahre, nachdem Dominik in Australien das so flippige wie misslungene Serienkillerporträt "Chopper" inszenierte, zeigt sich der Filmemacher bei seinem Hollywooddebüt erstaunlich gereift, legt einen gänzlich gegenteiligen Film vor und setzt auf totale Entschleunigung: Einhundertsechzig Minuten beträgt die Spielzeit von "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford", der sich ganz seiner elegischen Stimmung und den so ansehnlichen wie untypischen Bildern von Kameramann Roger Deakins hingibt.
Dominik setzt seine Figuren nicht ständig aktiv in Szene, um die Handlung voranzutreiben, sondern beobachtet sie in oft passiven Momenten und nutzt stille Szenen, um ihrem Geist nachzuspüren. Der von Brad Pitt wunderbar lethargisch verkörperte Jesse James wirkt im Verlauf des Films immer weniger wie von dieser Welt, sondern scheint, müde und seelisch ausgehöhlt von den Taten seiner Jugend, zunehmend willenlos dem Tod entgegenzutreiben und erinnert dabei an den Protagonisten aus Jim Jarmuschs Dead Man. Sein Gefährte Robert Ford hingegen muss seine Lebendigkeit im Zaum halten: das scheue schiefe Grinsen, das ständige Niederschlagen der Augen und die weinerliche Stimme mögen die Gedanken und Wünschen des jungen Banditen verbergen, doch dank Dominiks aufmerksamer Regie und der herausragenden Darstellerleistung von Casey Affleck erkennen wir – ebenso wie James – Fords Schwäche: "Do you want to be like me or do you want to be me?"
Der ambitionierte Mittelteil des Films mag deutlich zu lang erscheinen und dürfte vor allem jene Filmfans enttäuschen, die sich zumindest ein Mindestmaß an Handlung wünschen; tatsächlich mag vordergründig nicht viel passieren, doch "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" ist ungemein reich an Zwischentönen und sinniert über Werte, Seelenheil und das Miteinander der Menschen. In der letzten halben Stunde läuft Dominiks Werk zur Höchstform auf und etabliert einen wuchtigen Fatalismus shakespearscher Prägung, der intensive Szenen hervorbringt und viel Spannung, wenn wir erkennen, dass Robert Ford kein Feigling war, sondern Opfer in einem abgekarteten Spiel, das keinen Sieger kennt. Trotz seines gemächlichen Tempos beeindruckt "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" und hallt lange nach.
8/10
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