Sonntag, 8. April 2018

El Espinazo del Diablo - The Devil's Backbone - Das Rückgrat des Teufels (2001)

http://www.imdb.com/title/tt0256009/

Spanien 1939. Gegen Ende des Bürgerkriegs verschwindet aus dem Waisenhaus Santa Lucia ein kleiner Junge spurlos. Als der zwölfjährige Carlos in dem Heim ein neues Zuhause findet, geschehen plötzlich merkwürdige Dinge. Eine schemenhafte Gestalt taucht auf. Es ist der verschwundene Santi, dessen Geist nachts durch das alte Gemäuer zieht und Carlos mit den Worten "Viele von euch werden sterben" verfolgt. Erst angsterfüllt, ist Carlos mit der Zeit absolut sicher, dass die weitverzweigten Kellergewölbe des Waisenhauses ganz offensichtlich ein düsteres Geheimnis verbergen...

Der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro drehte zu Beginn des Jahrtausends in mexikanisch-spanischer Koproduktion mit "The Devil’s Backbone" ein Mystery-Drama mit einigen Anleihen im Horrorbereich, das im Jahre 1939 zu Zeiten des spanischen Bürgerkriegs spielt. Mit wundervoll ausgesuchten und hervorragend spielenden Kinderdarstellern, sowie handwerklich/technisch einwandfrei versucht sich del Toro an einer Art Verarbeitung des spanischen Bürgerkriegstraumas und erzählt seine Geistergeschichte in überaus bedächtigem Tempo und vermutlich in der Hoffnung, dass sich in rauer Atmosphäre eine leicht märchenhafte, allen Widrigkeiten zum Trotz von Menschlichkeit geprägte Atmosphäre entfaltet. Diese wird aber, wenn auch nur selten, so doch immer einmal wieder, zerstört von den nicht wie vielleicht vermutet nur Märchen-/Fantasy- oder Mystery-artigen, sondern wahrlich gruselig und nach bester Horrormanier umgesetzten Geistererscheinungen. Dadurch wird Kitsch geschickt umschifft und "The Devil’s Backbone" bekommt seinen rauen Charme. "The Devil's Backbone" wird vom Regissuer Guillermo del Toro gerne als "älterer Bruder" von "Pans Labyrinth" bezeichnet und bildet mit letzterem so etwas wie eine geschwisterliche Gemeinschaft, sowohl was den Inhalt und die Thematik betrifft, als auch den Stil und die Atmosphäre. Allerdings sollte man nicht den Fehler begehen und glauben, dass man hier bloß eine andere Version von "Pans Labyrinth" sehen wird. Obwohl grundlegende Ähnlichkeiten zwischen den beiden Filmen bestehen, unterscheiden sie sich doch erheblich voneinander. "The Devil's Backbone" ist vermutlich der subtilere, leisere und in gewisser Weise reifere Film der beiden. Zugleich baut er aber eine visuelle Spannung und emotionale Wucht auf, die weniger Wert auf brutale, schockierende Momente legt.

Gleichzeitig ist der Film, gemeinsam mit "Pans Labyrinth", Teil von del Toros übernatürlicher Allegorie gegen den spanischen Faschismus. Die immer gewalttätigeren Konfrontationen zwischen dem Aufsichtspersonal im Waisenhaus sind eine deutliche Wiederspiegelung der Machtergreifung des Franco-Regimes. Im gleichen Sinne werden anhand der Waisenkinder die Konsequenzen dieser Machtergreifung gezeigt und die Auswirkungen die sie auf die Bevölkerung hatte. Am Ende haben die wahren Leidtragenden es zwar erfolgreich geschafft sich gegen das Regime durchzusetzen, aber nicht ohne einen Preis dafür zu zahlen. Zerschunden, verletzt und nur auf sich selbst gestellt, müssen sie letztlich genau jenen Ort verlassen, der ihnen eigentlich Schutz hätte bieten sollen, für sie aber zu einer lebensbedrohlichen Falle geworden ist. Das erschütternde Resümee scheint zu heißen, dass in dieser düsteren Welt nichts sicher ist und keinem wirklich Schutz geboten werden kann.

Diese ständige Bedrohung wird vor allem durch die nicht explodierte Bombe veranschaulicht, die im Hof des Waisenhauses im Boden steckt. Es wird ihnen zwar versichert, dass die Bombe entschärft und ungefährlich ist, aber so richtig glauben können sie es dann doch nicht. Obwohl sie also angeblich nicht mehr explodieren kann, thront sie dennoch gebieterisch und angsteinflößend über der gesamten Szenerie, ohne dabei jedoch die Notwendigkeit ständiger visueller Präsenz zu verlangen. Ein Umstand, der die entschärfte Bombe beinahe noch bedrohlicher und unerträglicher macht, weil man im Hinterkopf ständig die Gewissheit hat, dass sie da ist. Genau so muss es auch den Waisenkindern gehen, die zwar tagsüber im Hof spielen und ihr Bestes tun, die Bombe nicht zu beachten, aber dennoch ständig mit der Gewissheit klar kommen müssen, dass trotz allem eine tödliche Maschine in ihrem Hof schlummert.

Der Regisseur und Drehbuchautor Guillermo del Toro hat dieses Herzensprojekt bereits zu Schulzeiten entworfen und man merkt deutlich, dass diese lange Zeit des Wachsen und Gedeihens dem Film gut getan hat. Denn von all seinen bisherigen Filmen wirkt "The Devil's Backbone" am ausgereiftesten. Obwohl herrlich fantastisch, ist der Film zugleich das erwachsenste Werk des mexikanischen Regisseurs. Ob das nun wirklich an der langen Entwicklungsphase liegt, sei dahingestellt. Die Hauptsache ist eigentlich das durchwegs positive und gelungene Endprodukt, ein schaurig-schöner und tief unter die Haut gehender Film. Neben dem gelungenen Drehbuch und einer fantastischen Regie, darf man keinesfalls die hervorragend agierenden Darsteller vergessen, die del Toros Figuren zum Leben erwecken. Eine gelungene Besetzung sorgt dafür, dass auch die Kinderdarsteller ihre Tour de Force grandios meistern und beachtliche schauspielerische Leistungen abliefern. Selbst Jacinto (Eduardo Noriega), eine Figur die man durchaus als bösartig bezeichnen kann, wird nicht zur Eindimensionalität verdammt, vielmehr gibt sie dem Schauspieler die Gelegenheit auch ihm ein gewisses Maß an Menschlichkeit zu verleihen und in manch einer Szene, die inneren Wunden und tiefe Verletzlichkeit seiner Figur zu offenbaren. "The Devil's Backbone" ist ein durch und durch ernsthafter Film, der weit mehr durch seine Atmosphäre, die guten schauspielerischen Leistungen und durch seine Aussagen fesselt, als durch Story-Idee und Verlauf derselben. Es gelingt dem Film auf beeindruckende Weise, den Zuschauer in die Situation hineinzuversetzen, in der sich die Figuren (sowohl zeitgeschichtlich als auch im Rahmen der Story) befinden - man lebt das alles förmlich mit. Den Zustand zwischen Verzweiflung und Resignation, in dem sich die Schule im spanischen Niemandsland und die Leiter der Schule befinden; den Zustand als Außenseiter und Opfer, den Carlos erlebt. Und auch die Dramatik, mit der sich das Leben der Figuren zum ausweglosen Höhepunkt hin bewegt.

Unterm Strich ist "The Devil's Backbone" ein kleiner, feiner Film, der vielleicht den bisherigen Höhepunkt im Schaffen von Guillermo del Toro darstellt. Der Film lebt vor allem von der lebhaften und unverbrauchten Bildsprache seines Regisseurs und den durchwegs emotionalen schauspielerischen Leistungen. Abgesehen davon ist es zusätzlich noch die stille, aber bedrohliche Atmosphäre, die über dem ganzen Werk schwebt und die den Film absolut empfehlenswert macht.

8/10

Von WICKED VISION erschien der Film im auf 777 Stück limitierten Mediabook, welches den Film auf BD und DVD beinhaltet und dazu mit jeder Menge informativen Bonusmaterial ausgestattet ist.


Quellen
Inhaltsangabe: Wicked Vision

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