Irgendwo im verschneiten Wyoming, einige Jahre nach dem Bürgerkrieg: Eine Postkutsche kämpft sich auf dem Weg zum Städtchen Red Rock durch die Landschaft. An Bord sind der Kopfgeldjäger John Ruth (Kurt Russell), seine Gefangene Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) und zwei erst auf dem Weg zugestiegene Passagiere: der Ex-Soldat und nun ebenfalls als Kopfgeldjäger tätige Marquis Warren (Samuel L. Jackson) sowie Chris Mannix (Walton Goggins), der angibt, der neue Sheriff von Red Rock zu sein. Aufgrund eines heftigen Schneesturms sind sie jedoch dazu gezwungen, in einer Hütte Zuflucht zu suchen. Dort verstecken sich bereits der Mexikaner Bob (Demian Bichir), der undurchsichtige Oswaldo Mobray (Tim Roth), der Cowboy Joe Gage (Michael Madsen) und der in die Jahre gekommene Südstaaten-General Sanford Smithers (Bruce Dern) vor dem Wetter. Schnell nehmen die Spannungen in der Gruppe von misstrauischen Raubeinen zu, nachdem man sich anfangs noch bestens unterhalten hat. Und bald wird klar, dass längst nicht jeder von ihnen die Hütte lebend verlassen wird.
Die Veröffentlichung von Tarantinos achtem Werk stand unter keinem guten Stern. Nicht nur, dass dem Kult-Regissuer das Drehbuch im Januar 2014 während der Produktionsphase und somit noch vor Drehbeginn gestohlen und im Internet geleaked wurde, auch nach der Post-Produktion gab es im Oktober 2015 heftige Querelen zwischen Tarantino und der Polizei, die zum Boykott des Films aufgrund Tarantinos (berechtigter) Äusserung zu der Polizeibrutalität in den USA aufriefen. Aber nicht nur dies lässt bei dem Titel "The Hateful Eight" aufhorchen. Es ist auch ein Film, für den Tarantino die Filmmusik erstmals komplett komponieren lies - und dies auch noch von Altmeister Ennio Morricone, der berühmt ist für zahllose musikalische Beiträge zum Westerngenre. Und noch ein Detail lässt "The Hateful Eight" schon im Vorfeld zu einem erstaunlichen Werk werden, denn der Film wurde komplett auf 70mm gedreht - ein Format, welches so heute nicht mehr verwendet wird und auch nur wenige Lichtspielhäsuer überhaupt in der Lage sind, dieses Format (21:9) auszustrahlen. So bleibt nur zu hoffen, dass diese knapp 20 Minuten längere "Roadshow-Version" irgendwann ihren Weg zumindest ins Heimkino finden wird, denn Tarantino lies es sich nicht nehmen und produzierte, wie schon viele große Filmemacher vor ihm, eine Overtüre (3:48) und eine Intermission (11:57), von der man, sofern man die "normale" Kinofassung gesehen hat, auch genau weiß, wann diese hätte kommen müssen - eine Hommage an alle Altmeister des epischen Films hinter der Kamera.
Aber zum Film selbst. Tarantino bedient sich wieder einmal der Kunst der Kapitelunterteilung, welche durch jeweils vorangestellte -teils grandios betitelte - Textafeln angekündigt werden. Sechs Kapitel sind es in "The Hateful Eight" und keines davon ist uninteressant. "The Hateful Eight" orientiert sich dabei wieder mehr an "Reservoir Dogs" als an "Django Unchained", ist aber dennoch etwas ganz eigenes. Zwar sind die Dialoge wieder einmal pures Gold, aber es fällt auf, dass irgendwie die außerordentliche Cleverness und Verschlagenheit fehlt. Hier geht es recht gradlinig zu, auch wenn Smalltalk und zum Teil herrliche Wortgefechte im Laufe dieser einen Nacht den Film prägen. Aber man muss dem Drehbuch auch auf jeden Fall lassen, dass es unvorhersehbar und überaus spannend ist. Die 168 Minuten vergehen kurzweilig, obwohl in der ersten Stunde tatsächlich nicht sonderlich viel passiert. Aber dies hat den Vorteil, dass die Figuren eine gewisse Zeit der Vorstellung und Entwicklung spendiert bekommen und sogar Sympathie beim Zuschauer hervorrufen, sodas man irgendwann gebannt mit diesem oder jenen der "Hateful Eight" mitfiebert und doch - bis zum Ende - vielleicht für den einen oder anderen hofft, aber dennoch nicht weiß, wer hier das falsche Spiel spielt. Die Twists sind dazu einfach unglaublich gut gesetzt und je mehr man auch in diesem "Cluedo für Erwachsene" nachdenkt, man wird einfach nicht auf die richtige Lösung kommen. Nie weiß man, was als nächstes passiert und die Spannung ist permanent unbeschreiblich hoch.
In der zweiten Hälfte kommt der Film dann richtig in Fahrt, die Gewalt degeneriert völlig und wirkt dabei fast schon etwas selbstzweckmäßig, aber kaum einer würde leugnen, dass (teilweise extrem blutige) Gewalt einer der größten Späße für und mit Tarantino ist. Es ist schon irgendwie lustig, dass "The Hateful Eight" ein ähnlich intensives Kammerspiel darstellt wie "Das Ding aus einer anderen Welt", wo doch Ennio Morricone bei beiden Filmen den genialen Soundtrack gezaubert hat und hier sogar ungenutzte Stücke aus genanntem Streifen einfließen lies. Im Einklang mit den wunderbaren fotografierten Bildern funktioniert das Setting rund um "Minnies Miederwarengeschäft" einfach und lässt den Zuschauer bald schon nicht mehr los, denn die Kameraarbeit eben im Zusammenspielt mit Morricones musikalischer Untermalung übertrifft nochmal alles was man bisher in seinen Filmen gesehen hat. Allein schon die Namen der Figuren, die Betitelung des Geschäftes, die Kapitelbezeichnung... alles schreit schon jetzt geradezu nach Kult. Dazu gesellt sich ein feiner Humor mit ein oder zwei Running Gags (allein der mit der Tür ist klasse), jede Menge guter Hauptdarsteller und äusserstem Interesse.
Ja, die Darsteller. Diesen 8 und ein paar mehr drumherum gebührt großer Dank, macht es ihnen durch die Bank weg doch sichtlich Freude, in diesem Film mitzuwirken. Das merkt man in jeder Szene. Overacting en masse, breites, gefälliges Grinsen und ein gandenlos gutes Zusammenspiel. Hier stimmt die Chemie. Besonders Kurt Russell als kalter, zynischer Kopfgeldjäger John Ruth und Samuel L. Jackson als nicht minder verschlagener Major Marquis Warren sind die Stars des Films. Aber auch Jennifer Jason Leigh als Gefangene Daisy Domergue hat immer mal wieder einen blöden Spruch auf den Lippen, lockert so mehr als einmal das Geschehen auf und bleibt bis zum Ende als im Grunde Allwissende unglaublich geheimnisvoll und interessant. Mit Tim Roth hat Quentin Tarantino einen perfekten Christoph Waltz-Ersatz gefunden. Nicht nur, das Roth in Auftreten, Gestik, Mimik und sogar Aussehen unheimlich an Waltz erinnert, auch sein Spiel gleicht dem des Kopfgeldjägers Dr. King Schultz in "Django Unchained". Fast schon könnte man beide verwechseln, aber kennt man Tarantino, dann weiß man auch, dass es eben seine Vorstellung von Europäern ist, weshalb es dann wieder glasklar ist, warum sich die Figuren so gleichen. Bruce Dern als General Sandy Smithers rockt ebenfalls total und das ausschließlich im sitzen, Michael Madsen als Joe Gage ist wie immer die Coolness in Person und auch Channing Tatums Auftritt war unfassbar genial. Aber der absolute Favorit war jedoch Walton Goggins als vermutlicher Sheriff Chris Mannix. Was spielt dieser Kerl hier für eine interessante Figur und von allen Charakteren hat seine Figur auch die interessanteste Entwicklung.
Diese vielen Faktoren sorgten nun dafür, dass "The Hateful Eight" damit
"instantly" und ganz einfach zu einem atemberaubenden Meisterwerk
avanciert,
welches ebenso unverzüglich in die Liste meiner absoluten Lieblingsfilme
aufgenommen wurde. Jedes noch so kleine Detail wird in absoluter
Perfektion ausgearbeitet und der Soundtrack ist mit
das Beste, was man seit langem gehört hat. Bei Tarantino-Filmen fällt es
einem ja zunehmend schwerer ein Ranking zu erstellen,
weshalb man das auch mittlerweile einfach unterlassen und sagen kann,
dass ein Großteil seiner Filme auf der gleichen Wellenlänge schwimmen.
Er
erfindet sich von Film zu Film doch immer wieder neu, bleibt seinem
unverwechselbaren Stil aber doch stets treu. Vielen Dank dafür!
9/10
Der Film war von UNIVERSUM FILM auch im limitierten Steelbook erhältlich:
Quellen:
Inhaltsangabe: Universum Film
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