Samstag, 13. Februar 2016

Sicario (2015)

http://www.imdb.com/title/tt3397884/

Die Grenze zwischen Mexiko und dem US-amerikanischen Bundesstaat Arizona ist schon seit Jahren vom Drogenkrieg geprägt. Die junge FBI-Agentin Kate Macer (Emily Blunt) schließt sich einer internationalen Einsatztruppe an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem lokalen Drogenhandel endlich Einhalt zu gebieten. Doch schon ihr erster Einsatz in dem gefährlichen Grenzgebiet läuft völlig aus dem Ruder, als die Überführung eines Gefangenen in einem brutalen Hinterhalt endet. Mit der Hilfe des ebenso geheimnisvollen wie erbarmungslosen Söldners Alejandro (Benicio Del Toro) kommt Kate aber mit dem Leben davon. Bei der nächsten Operation trifft sie wenig später erneut auf Alejandro und seine Spezialeinheit, die jedoch, wie ihr bald klar wird, ganz eigene Ziele zu verfolgen scheinen. So dauert es nicht lang, bis die Grenzen zwischen Freund und Feind verwischen und Kate sich mehr und mehr fragt, wem sie eigentlich noch vertrauen kann.

Mit Denis Villeneuve hinter der Kamera durfte man sich schon vor der Sichtung des Films sicher sein, dass die kriegsähnlichen Zustände an der Grenze zwischen den USA und Mexiko einigermaßen differenziert dargestellt werden. Immerhin gibt es schon diverse Filme, die sich mit der Thematik auseinander gesetzt haben. Und tatsächlich gelingt es Villeneuve, dank seiner außerordentlichen Inszenierung, vielen denkwürdigen Szenen, die durch den eindringlichen Soundtrack noch an Intensität gewinnen und einem herausragenden Darstellerensemble Akzente zu setzen. "Sicario" ist in diesem Sinne Realität, die ausgeblendet wird und Alptraum, der nicht wahr sein kann. Dieser Film ist eine entsicherte Waffe, erzählerisch zwar simpel, aber moralisch komplex. Denn es geht um Geister, die töten dürfen, ohne dass man überhaupt von ihnen weiß. Und um eine FBI-Agentin, die glaubt, den mexikanischen Kartell-Gefechten gewachsen zu sein. Das ist zunächst kaum dramaturgisch, dafür aber atmosphärisch überwältigend. Später auch in der Art und Weise, wie Charaktere Verzicht und Austauschbarkeit suggerieren, dabei dann empfindlich menschlich wirken, weil Nebencharaktere sich zur Seele des Films steigern, während die Beantwortung der Frage nach dem klassischen Motiv der Heldenreise für andere pessimistisch beantwortet wird.

Gerade die drei Charaktere Josh Brolin, Benicio del Toro und Emily Blunt, die mehr oder minder plakativ jeweils für eine Position figurieren, aber jeweils für sich alleine stehend wohl zu einer Katastrophe führen würden, machen durch ihre Zusammenarbeit das große Dilemma der Zustände in Mexiko greifbarer. Roger Deakins grenzamerikanische Sonne blendet den Zuschauer, seine unheilvollen mexikanischen Gewitterwolken überrollen ihn, die Darstellung von Blunts Kate Macer berührt ihn. Dabei stellt sich am Ende trotzdem die Frage, ob Macer entgegen des Offensichtlichen vielleicht sogar als Sieger das Feld verlässt, kommt sie doch nie vom Kurs ihres moralischen Kompasses ab. Blunt steht dabei für die moralische Instanz und ist somit auch Mittelpunkt, als auch Identifikationsfigur für den Zuschauer. Einmal mehr beweist Blunt dabei eine große Wandlungsfähigkeit, bei der sie sich hier auch neben den rau geschriebenen Männerrollen bewährt. Sie arbeitet wie so vieles in diesem Film ohne viel Gerede, viel mehr über Äußerlichkeiten. Wobei das Schauspiel-Trio klar von Benicio del Toro angeführt wird, der als Tier in Menschengestalt die Zerrissenheit einer komplett ausweglosen Gewaltspirale symbolisiert. Der beige Anzug lässt ihn anfangs fast schon galant wirken, was neben Brolins zynischen Sprüchen der größte Witz des Films ist, denn eines ist klar: dieser Dämon kommt von ganz oben und ist tief gefallen.

Genauso wie der meist unsichtbare Feind, und wenn er dann auftaucht, dann nur als Teil eines noch größeren Übels. Es ist ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen, die von gesichtslosen Superreichen betrieben, von Autor Taylor Sheridan geschrieben wurden. Der Kampf dreht sich mehr um Leid, als um Schuld. Und aus Sicht von Villeneuve darum, diesen mit einem pumpenden, niederwälzenden Sound von Johann Johannsson in zwei atemlose Filmstunden zu pressen, die viel zu brachial ausfallen, um Gefangene zu nehmen. Die sich mit bedrohlicher Unaufhaltsamkeit durch Tunnelsysteme und ethische Grundsätze graben.
Villeneuve schenkt dem Zuschauer wieder mal einen Abgrund voller entstellter Körper, von denen man nur den Privilegiertesten den Tod äußerlich ansieht. Ein Thriller, desillusionierend in seiner Konsequenz, von dem man sich wünscht, er würde viel weniger berühren.

8,5/10

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