http://www.imdb.com/title/tt3397884/
Die Grenze zwischen Mexiko und dem US-amerikanischen Bundesstaat Arizona
ist schon seit Jahren vom Drogenkrieg geprägt. Die junge FBI-Agentin
Kate Macer (Emily Blunt) schließt sich einer internationalen
Einsatztruppe an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dem lokalen
Drogenhandel endlich Einhalt zu gebieten. Doch schon ihr erster Einsatz
in dem gefährlichen Grenzgebiet läuft völlig aus dem Ruder, als die
Überführung eines Gefangenen in einem brutalen Hinterhalt endet. Mit der
Hilfe des ebenso geheimnisvollen wie erbarmungslosen Söldners Alejandro
(Benicio Del Toro) kommt Kate aber mit dem Leben davon. Bei der
nächsten Operation trifft sie wenig später erneut auf Alejandro und
seine Spezialeinheit, die jedoch, wie ihr bald klar wird, ganz eigene
Ziele zu verfolgen scheinen. So dauert es nicht lang, bis die Grenzen
zwischen Freund und Feind verwischen und Kate sich mehr und mehr fragt,
wem sie eigentlich noch vertrauen kann.
Mit Denis Villeneuve hinter der Kamera durfte man sich schon vor der Sichtung des Films sicher
sein, dass die kriegsähnlichen Zustände an der Grenze zwischen den USA
und Mexiko einigermaßen differenziert dargestellt werden. Immerhin gibt
es schon diverse Filme, die sich mit der Thematik auseinander gesetzt
haben. Und tatsächlich gelingt es Villeneuve, dank seiner
außerordentlichen Inszenierung, vielen denkwürdigen Szenen, die durch
den eindringlichen Soundtrack noch an Intensität gewinnen und einem
herausragenden Darstellerensemble Akzente zu setzen. "Sicario" ist in diesem Sinne Realität, die ausgeblendet wird und Alptraum, der nicht
wahr sein kann. Dieser Film ist eine entsicherte Waffe, erzählerisch zwar simpel,
aber moralisch komplex. Denn es geht um Geister, die töten dürfen, ohne dass
man überhaupt von ihnen weiß. Und um eine FBI-Agentin, die glaubt, den
mexikanischen Kartell-Gefechten gewachsen zu sein. Das ist zunächst kaum
dramaturgisch, dafür aber atmosphärisch überwältigend. Später auch in
der Art und Weise, wie Charaktere Verzicht und Austauschbarkeit
suggerieren, dabei dann empfindlich menschlich wirken, weil
Nebencharaktere sich zur Seele des Films steigern, während die
Beantwortung der Frage nach dem klassischen Motiv der Heldenreise für
andere pessimistisch beantwortet wird.
Gerade die drei
Charaktere Josh Brolin, Benicio del Toro und Emily Blunt, die mehr oder minder plakativ jeweils für eine Position
figurieren, aber jeweils für sich alleine stehend wohl zu einer
Katastrophe führen würden, machen durch ihre Zusammenarbeit das große
Dilemma der Zustände in Mexiko greifbarer. Roger Deakins grenzamerikanische Sonne blendet den Zuschauer, seine unheilvollen
mexikanischen Gewitterwolken überrollen ihn, die Darstellung von Blunts Kate
Macer berührt ihn. Dabei stellt
sich am Ende trotzdem die Frage, ob Macer entgegen des Offensichtlichen
vielleicht sogar als Sieger das Feld verlässt, kommt sie doch nie vom
Kurs ihres moralischen Kompasses ab. Blunt steht dabei für
die moralische Instanz und ist somit auch Mittelpunkt, als auch
Identifikationsfigur für den Zuschauer. Einmal mehr beweist Blunt dabei
eine große Wandlungsfähigkeit, bei der sie sich hier auch neben den rau
geschriebenen Männerrollen bewährt. Sie arbeitet wie so vieles in diesem Film ohne viel Gerede, viel mehr über Äußerlichkeiten. Wobei das Schauspiel-Trio klar von Benicio del Toro
angeführt wird, der als Tier in Menschengestalt die Zerrissenheit einer
komplett ausweglosen Gewaltspirale symbolisiert. Der beige Anzug lässt
ihn anfangs fast schon galant wirken, was neben Brolins zynischen
Sprüchen der größte Witz des Films ist, denn eines ist klar: dieser Dämon kommt von ganz
oben und ist tief gefallen.
Genauso wie der meist unsichtbare Feind, und wenn er dann auftaucht,
dann nur als Teil eines noch größeren Übels. Es ist ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen, die von
gesichtslosen Superreichen betrieben, von Autor Taylor Sheridan
geschrieben wurden. Der Kampf dreht sich mehr um Leid, als um Schuld.
Und aus Sicht von Villeneuve darum, diesen mit einem pumpenden,
niederwälzenden Sound von Johann Johannsson in zwei atemlose Filmstunden
zu pressen, die viel zu brachial ausfallen, um Gefangene zu nehmen. Die
sich mit bedrohlicher Unaufhaltsamkeit durch Tunnelsysteme und ethische
Grundsätze graben.
Villeneuve schenkt dem Zuschauer wieder mal einen Abgrund voller entstellter Körper, von
denen man nur den Privilegiertesten den Tod äußerlich ansieht. Ein
Thriller, desillusionierend in seiner Konsequenz, von dem man sich
wünscht, er würde viel weniger berühren.
8,5/10
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