http://www.imdb.com/title/tt1014763/
Leo Demidow (Tom Hardy) ist als Militärpolizist ein Handlanger der
Sowjetunion unter Stalin, ein staatliches Instrument. Er hinterfragt
seine Aufträge nicht und fühlt sich an keine Moral gebunden, die nicht
durch die Partei vorgegeben ist. Von seinen Vorgesetzten wird Leo
regelmäßig daran erinnert, dass es in seinem Land – der offiziellen
Linie nach – bestimmte Verbrechen nicht gibt, Kindsmord etwa. Doch als
die Leiche des kleinen Sohnes eines Mitoffiziers aufgefunden wird und
der Staatsapparat den offensichtlichen Mord zu vertuschen versucht,
kommt Leo ins Grübeln. Als ein weiteres Kind ermordet wird, stellt Leo
eigene Nachforschungen an und gerät so ins Visier seiner Vorgesetzten.
Er weckt das Misstrauen des Milizanführer Nesterow (Gary Oldman) und
wird mit seiner Familie ins provinzielle Exil geschickt. Während dies
Leos ehrgeizigem Rivalen Wassili (Joel Kinnaman) in die Karten spielt,
wird Leos Suche nach dem Killer immer gefährlicher – nicht nur sein
Leben ist in Gefahr, auch sein Vertrauen zu seiner Frau Raisa (Noomi
Rapace) wird auf die Probe gestellt.
"Kind 44" ist ein nicht einfacher, oftmals ziemlich unangenehm zu schauender, aber sehr
guter Film. Die Verfilmung gilt als "Box-Office-Bomb" und das nicht ganz zu unrecht. Mit einem
Budget von 50 Millionen und einem finalen Einspielergebnis von etwa 3 Millionen Dollar
wird klar belegt, dass hier etwas gewaltig schief lief. Dabei ist doch alles
da. Großartige Darsteller wie Tom Hardy, Gary Oldman, Noomi Rapce, Vincent Cassel und Joel Kinnaman, eine ansprechende Inszenierung und ein dienlicher Soundtrack. Aber irgendetwas zwischen Regie,
Schnitt und Produktion lief schief. Das deprimierende Setting und eine schwermütige düstere
Atmosphäre vermitteln dabei doch so ein grandioses Zeitgefühl in der Sowjetunion der
Stalin-Ära Anfang der 50er Jahre. Anfänglich könnte man meinen, es
handele sich bei "Kind 44" um
einen Serienkillerthriller, aber dieses Story-Element spielt
eigentlich nur eine untergeordnete wenngleich auch wichtige
Rolle.
"Mord ist eine ausschließlich kapitalistische Krankheit."
Es geht vielmehr um das Drumherum und um die Zeit, in der die
Geschichte spielt, aber mit dem Kriminalfall als wichtiger Bestandteil des Gesamtkonstruktes,
denn ganz nach obigem Zitat und damit einhergehend dass es im Paradies
(der Sowjetunion) keinen Mord gibt, versucht das System natürlich,
die Ermittlungen zu unterdrücken. Allein diese Inszenierung, das Spiel und Gegenspiel sind faszinierend dargestellt und
interessant gemacht, der Zuschauer muss sich lediglich drauf einstellen und einlassen. Zudem ist das Ganze auch ein Charakterdrama
eines gehassten Dissidenten-Jägers des russischen Geheimdienstes MGB, der sich mit
einer neuen Situation zurecht finden muss und auf der Suche nach sich
selbst und seiner Rolle im System ist. Dieser wird dargestellt vom
wieder mal großartigen Tom Hardy, der mal wieder eine verdammt intensive
Leistung abliefert. Stark auch, wie die komplizierte Beziehung zu
seiner Ehefrau Noomi Rapace (die ebenso klasse spielt)
beleuchtet wird.
Also alles sehr interessant, gut umgesetzt und gut erzählt, mit viel
subtiler Spannung und Drama versehen, bisweilen aber auch ein wenig zu schleppend und langwierig rübergebracht. Oftmals passte das zum Film,
zur Story und zur Stimmung, und manchmal waren das halt einfach nur
Längen, die man nicht vermeiden konnte und mit ein etwas weniger
Laufzeit vielleicht hätte umgehen können. Dies ist zum Glück nur selten störend.
Das liet sich jetzt alles sehr grandios, doch der Film schafft es an keiner Stelle
rund zu wirken, da er seine verschiedenen Handlungsstränge nicht linear
erzählt, sondern verwirrend und sprunghaft ist. So taumelt der Film über die
ganze Laufzeit zwischen einem Krimi und einem politischen Drama, ohne
je wirklich eines der beiden Genres zu erreichen. Hätte man sich mehr
auf einen der Storyteile fokussiert, andere vielleicht ganz weggelassen,
so wäre der Film sicher deutlich harmonischer gewesen. Auch fehlen große Teile der Hintergrundgeschichte im Drehbuch, die dem Zuschauer die Figuren eigentlich nahe führen sollten. Viele Charaktere handeln
ohne kenntliche Motivation, man hätte viel größere Teile des Films für
die Vergangenheit seiner Pro- und Antagonisten verwenden sollen.
"Kind 44" ist damit kein Totalausfall, verschenkt jedoch sehr viel von
seinem Potenzial. Wo die dramatische Geschichte rund um ein politisches
System und gleichzeitig die einer schrecklichen Mordserie erzählt
werden will versagt der Film dabei die interessanten Aspekte der Genres
zu verbinden.
7/10
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