https://www.imdb.com/title/tt0247199/
Marx brachte uns den Kommunismus, Freud machte Perversion salonfähig, und Einstein erfand die Atombombe. Und beim Holocaust hätten sich die feigen Juden ja auch mal wehren können. So denkt Danny Balint (Ryan Gosling). Danny könnte also ein ganz normaler rechtsradikaler Skinhead mit etwas mehr Grips als die anderen sein, aber er ist obendrein noch Jude. Das verbirgt er natürlich vor seinen Nazi-Freunden, um nicht in Gefahr zu geraten. Mit flammenden Reden, die seine intellektuelle Scharfsinnigkeit zum Ausdruck bringen, macht er die beiden erfahrenen Faschisten Curtis Zampf (Billy Zane) und Lina Moebius (Theresa Russell) auf sich aufmerksam. Sie laden ihn in ein Ausbildungscamp ein, wo Danny in Kampftechniken unterrichtet wird. Gemeinsam mit ein paar Kameraden soll er daraufhin Anschläge verüben...
Regisseur und Drehbuchautor Henry Bean ließ sich mit "The Believer" von der Lebensgeschichte des Daniel Burros inspirieren. Dieser erlag der Annahme, dass seine Existenz durch den Leidensweg des jüdischen Volkes genetisch vorgeprägt wurde und alle Nachteile auf die Historie seiner jüdischen Konfession zurückgehen. Er schloss sich erst der American Nazi Party unter George Lincoln Rockwell, dem American Hitler, an um später, nachdem er Die Geburt einer Nation gesehen hat, Teil des Ku-Klux-Klan zu werden. Am 31. Oktober 1965 nahm sich der als hochintelligent beschriebene Burros schließlich das Leben. Er war seinem Hass bis zuletzt vollkommen ausgeliefert. "The Believer" greift diesen innerseelischen Konflikt nun auf und übersetzt ihn in die Gegenwart.
Das Beachtliche gleichermaßen Bewegende an "The Believer" ist die Entschlossenheit, mit der sich Henry Bean auf die innere Zerrissenheit seines Protagonisten einlässt. Anstatt sich auf einfache Antworten zu verlassen, belässt Bean es bei schwierigen Fragen und erschafft damit einen Charakter, dessen größte Angst es ist, das Gefühl der Leere für immer in sich tragen zu müssen. Sein Zorn ist das Ergebnis tiefgreifender Selbstzweifel. Er kann die Welt, seinen Glauben und sich selbst in keinen harmonischen Einklang bringen, deswegen ist die Zerstörungswut die einzige Ausdrucksform, die ihm hilft, seiner Verlorenheit ein temporäres Ventil zu verleihen. Wie Ryan Gosling diesen schwierigen Charakter zum Leben erweckt, ist ebenfalls beeindruckend: So roh wie fragil verleiht Gosling dieser ambivalenten Persönlichkeit Kontur und Kraft. Durch ihn funktioniert "The Believer" so blendend und vielschichtig.
Die Hauptrolle in "The Believer" wird Ryan Gosling verkörpert, der zu diesem Zeitpunkt seine Brötchen noch als Darsteller in Fernsehserien verdiente. Sein Spiel als Danny Balint brilliert jedoch schon mit kleinen Nuancen und Gesten. Dem Drehbuch ist mit dieser Figur eine paradoxe Figur entsprungen, deren innere Zerrissenheit von Gosling nachvollziehbar verkörpert wird. Auch wenn seine radikalen Ansichten und Zwiespalt wohl nur den wenigsten Zuschauern Projektionsfläche bieten, schafft er es, Danny eine magnetisierende Aura ausstrahlen zu lassen. Er ist von einem derartig inbrünstigen Selbsthass getrieben, dass er nur auf eine Art und Weise mit der Welt um sich herum in Verbindung treten kann: Mit noch mehr Hass. Jedes Mal, wenn er sich dazu entscheidet, Gewalt gegen seine Mitmenschen anzuwenden, dann ist diese Gewalt auch immer eine gegen ihn selbst gerichtete. Was Danny so mit unkontrollierter Wut erfüllt, ist seine Identität: Er ist Jude und gleichzeitig der Überzeugung, dass es die Juden sind, die die Seele Amerikas zerstört haben. Wenn Danny auf die Straßen geht, dann nur im Hakenkreuz-Shirt und in Springerstiefeln – Flagge zeigen, vor allem gegen die eigenen Wurzeln. Dass diese Geschichte eines antisemitischen Neonazis von wahren Ereignissen inspiriert wurde, gestaltet die Wirkung von "The Believer" umso bedrückender. Neben Gosling wirken eine Reihe weitere klangvolle Namen mit: Summer Phoenix, Theresa Russel und Billy Zane. Neben Goslings zurückgenommenen, aber gerade deshalb enorm überzeugenden Spiel verblassen die anderen Darsteller tatsächlich etwas. Allen voran Billy Zane bleibt denkbar fade.
Es ist unstrittig, dass die Handlungsprämisse (antisemitischer Jude möchte möglichst viele Juden ermorden) alles andere als subtil ist. Die Art und Weise, wie Regisseur Henry Bean (selbst jüdischen Glaubens und im Film in der Nebenrolle des jüdischen Geschäftsmannes Ilio Manzetti zu sehen) das Thema jedoch angeht, verdient großen Respekt. "The Believer" gewährt immer wieder den Blick auf jüdische Rituale und Gebräuche und gestaltet sich deshalb angenehm nüchtern – auch wenn sicherlich nicht jedem Zuschauer sofort klar ist, worum es sich bei Kaddisch, Tallit und dergleichen handeln mag. Danny steht stellvertretend für ein tatsächliches Dilemma im jüdischen Glauben: Jüdischer Selbsthass. Die inhaltliche Brisanz wird von Bean nicht mit Gewalteskapaden oder Überemotionalisierung geschaffen, sondern durch seine Dialoge. Danny wird als intelligenter Mann zum Aushängeschild der faschistischen Organisation, der er beitritt. Als geschickter Redner akquiriert er Spenden oder überzeugt immer mehr Menschen, der Vereinigung beizutreten. Dabei sind es seine hasserfüllten Ansichten, die gleichermaßen fesseln und abstoßen. Sein ambivalenter, von steter Unruhe und fehlender Identifikation getriebener Charakter erweckt beinahe schon Mitleid. Man möchte Danny aus seinem Irrweg befreien und nicht tatenlos zusehen, wie der Hass schlussendlich nur einen Ausweg kennt.
"The Believer", der zuvor unter dem Titel "Inside A Skinhead" in Deutschland vertrieben wurde, hat mehr Aufmerksamkeit verdient: Henry Bean, der sich hier von einem wahren Fall hat inspirieren lassen, lässt sich nicht zu einfachen Antworten verleiten, sondern baut auf schwierige Fragen und zeichnet das Portrait eines jungen Mannes, der die Welt, sich und seinen Glauben in keinen harmonischen Einklang bringen kann. Ryan Gosling brilliert in der Hauptrolle durch eine gleichermaßen wuchtige wie verletzliche Performance.
8,5/10
Von CAPELIGHT PICTURES erschien der Film hierzulande in HD in einem tollen Mediabook:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen