http://www.imdb.com/title/tt0109836/
Im 18. Jahrhundert ist Victor Frankenstein (Kenneth Branagh) von dem
Gedanken besessen, künstliches Leben zu erschaffen. Nach dem Tod seiner
Mutter verlässt er seine Heimatstadt Genf und studiert Medizin in
Ingolstadt, wobei er sich besonders für die Vorlesungen von Professor
Waldman (John Cleese) interessiert. Frankenstein beschließt der Theorie
Taten folgen zu lassen und begibt sich auf den städtischen Friedhof, um
dort verschiedene menschliche Versatzstücke für sein Experiment
zusammenzusuchen. Es gelingt ihm, eine künstliches Kreatur (Robert De
Niro) zu erschaffen, doch der Anblick seiner grotesken Schöpfung lässt
ihn an seiner Arbeit zweifeln. Am darauffolgenden Morgen fehlt jede Spur
von der Kreatur. Frankenstein hofft, dass sein Geschöpf der
Choleraepidemie zum Opfer fällt, die gerade in der Stadt wütet. Doch
dann muss er feststellen, dass die Kreatur außer Kontrolle geraten ist
und sich auf der Suche nach ihrem Schöpfer befindet...
Es ist wohl eines der ikonischsten und gleichwohl tragischsten Filmmonster: Frankenstein. Zwei Jahre nach der erfolgreichen und "Dracula"-Verfilmung von Francis
Ford Coppola setzte Kenneth Branagh die Figur "Frankenstein" erneut um. Ähnlich
wie bei Coppolas Film orientiert sich Branagh viel stärker an der
Literaturvorlage als jede der etlichen vorherigen Versionen. Aber nicht
ausschließlich. Branagh zitiert an einer bestimmten Stelle gegen Ende
auch sehr deutlich und bewusst die Filme von James Whale aus den 30ern,
die bis heute zurecht als die Klassiker der Frankenstein-Filme gelten und mischt gekonnt "Franeknstein's Braut" dazu. Branaghs "Frankenstein" hat alles, um ein moderner Klassiker sein zu
können. Er hat die Geschichte, er hat den (hervorragenden) Cast und es ist bezogen auf
Optik, Authentizität und Ausstattung wunderbar umgesetzt. Shakespeare-Experte Branagh
wählte den Stoff sicher sehr gezielt, denn "Frankenstein" hat viele
Elemente eines klassischen Dramas, eingebettet in eine Horrorstory.
Das
hat diese Geschichte bis heute so unsterblich gemacht, es ist eine Parabel über die
Macht und Grenzen der Wissenschaft, über Verantwortung und Moral, über
Leben und Tod. Wo hört Ethik auf und beginnt der Bereich, den man trotz
wissenschaftlichen Fortschritts und dem Streben nach Unsterblichkeit
nicht betreten sollte? Und wenn, was wären die Folgen und wie stellt man
sich diesen gegenüber? Wer Gott spielen will, muss mit den Konsequenzen
leben, wer Leben erschaffen will, muss sich dem stellen, was eigentlich
tot sein müsste. Ja, die "Frankenstein"-Geschichte ist ein zeitloses
Meisterwerk, voller Tragik und Menschlichkeit. Branagh will das auch
alles einfangen, es gelingt ihm aber nicht vollends.
In der ersten Filmhälfte wird Dr. Frankenstein glaubhaft charakterisiert, selbst Branaghs typisch theatralisches Spiel
stört hier nicht, im Gegenteil: es passt zu dieser besessenen Figur. Die Inszenierung
ist vortrefflich, die Stimmung passend, man fühlt sich in der dargestellten Zeit
und seiner Umgebung sofort heimisch. Bis zum eigentlichen Auftauchen seiner Kreatur
scheint der Film noch auf ein fantastisches Meisterwerk hinzusteuern. Merkwürdigerweise nimmt der Film ab dann ab. Und das zeigt um so mehr,
warum James Whales Filme so großartig sind. Damals war es natürlich
unmöglich, sich wie Branagh so nah am Roman zu orientieren, Whales Filme
waren nur eine Essenz der Vorlage. Aber das dafür perfekt. Man kann es
schon an der Darstellung des Monsters festmachen. Robert De Niro war
zu der Zeit noch unantastbar und es liegt auch nicht an ihm, aber Boris
Karloff hat unter seiner klobigen Monstermaske der Figur viel mehr
gegeben. Eben weil er optisch nicht viel von einem Menschen hatte. Das
hat den alten Filmen ihren Zauber gegeben. Da sieht man ein Ungeheuer,
primitv wie ein Tier, später hilflos wie ein Kleinkind und genau das hat
ihn/es in den Schlüsselmomente so menschlich gemacht. Damit hat Whale
das geschafft, was bei Branagh zu offensichtlich ist. Das unmenschliche
Monster wird zum Publikumsliebling, zur tragischen Figur und Dr.
Frankenstein zum wahren Monster. Das gelingt Branagh leider nicht, da
seine Kreatur von Anfang an viel zu menschlich wirkt, weniger primitiv,
viel zu überlegt. Somit bleibt sie der eigentliche Bösewicht, obwohl die
Tragik der Figur natürlich auch Raum bekommt.
Dennoch, De Niro ist "der Böse", Branagh "der Gute", auch wenn nicht
glasklar. Branagh macht damit dem Subtext von Whales Filmen optisch
viel zu deutlich, ohne seine Wirkung zu erreichen, eher das Gegenteil.
Wirklich schade, ein vermeidbarer Fehler, der dem Film letztendlich viel
Wirkung nimmt. Aber dieser "Frankenstein" ist dennoch mehr als sehenswert, allein weil Branagh
sich so hingebungsvoll dem Stoff widmet und einen großen Aufwand
betreibt, ihn ansprechend umzusetzen. Der Film hat auch ganz tolle Momente,
aber erreicht schlussendlich nicht die Wirkung seiner "einfacheren"
Vorlagen.
8/10
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