Mittwoch, 3. Dezember 2025

The Roses - The Roses ... A Love Story - Die Rosenschlacht (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt31973693/

Ivy (Olivia Colman) und Theo (Benedict Cumberbatch) führen ein scheinbar perfektes Leben, wie es in so vielen Bilderbüchern zu stehen scheint: Sie genießen nicht nur alle Annehmlichkeiten, die mit erfolgreichen Karrieren eben einhergehen, sondern obendrein auch noch eine harmonische Ehe und eine glückliche Familie – so scheint es jedenfalls. Doch wie es nun mal so ist, trügt der Schein auch hier gehörig. Denn als die beiden sozusagen die Rollen tauschen – Theos berufliche Laufbahn erleidet plötzlich einen herben Rückschlag, während Ivys Karriere einen unerwarteten Aufschwung erfährt – wird schnell klar, dass von der einstigen Harmonie nicht mehr lange viel übrig bleiben wird. Es entbrennt ein hitziger Konflikt zwischen den beiden, geprägt von wachsendem Konkurrenzdenken, verdrängten und deshalb ungelösten Spannungen sowie unterschiedlichen Wertevorstellungen. Und schon bald werfen sich die beiden gegenseitig nicht mehr nur Worte an den Kopf...

"Die Rosenschlacht" ist weniger ein simples Remake von "Der Rosenkrieg“ als eine bewusste Neujustierung desselben Stoffes für eine Gegenwart, in der Ehe, Status und Öffentlichkeit anders verhandelt werden, aber die menschliche Kränkung erstaunlich gleich geblieben ist. Tony McNamaras Drehbuch und Jay Roachs Regie nehmen den Kern der Vorlage - wie sich zwei einst Liebende beim Kampf um ihr Leben und ihr Haus bis zur Selbstzerstörung zerfleischen - und schieben ihn vom bonbonbunt-überdrehten 80er-Jahre-Märchen in eine britisch gefärbte, schärfer beobachtete Tragikomödie, die weniger schreit, aber präziser sticht.

In Danny DeVitos "Der Rosenkrieg“ von 1989 war alles auf Eskalation angelegt: Michael Douglas und Kathleen Turner steigerten sich, angefeuert von DeVitos zynischem Erzähler-Anwalt, zu einer Oper der Niedertracht, in der das Traumhaus zum Schlachtfeld und der Hund zur makabren Pastete wurde - eine schwarze Komödie, die im Crescendo der Bosheiten fast in den Horror kippte und am Ende mit einem deutlich moralischen Unterton vor dem totalen Egoismus warnte. "Die Rosenschlacht" setzt an der gleichen literarischen Vorlage an, aber dreht an entscheidenden Schrauben: Die Boshaftigkeit bleibt, doch ein Großteil der brutalsten, fast cartoonesken Gemeinheiten wird zugunsten psychologisch plausibler Demütigungen und moderner Konfliktfelder abgemildert. Themen wie Karriereungleichgewicht, Social-Media-Öffentlichkeit, heutige Geschlechterrollen und der permanente Leistungsdruck einer urbanen Mittelschicht treten an die Stelle der Satire.

Das Herzstück dieser Neuinterpretation sind Olivia Colman und Benedict Cumberbatch, die Ivy und Theo Rose nicht als bloße Karikaturen eines "Ehekrach-Paares" spielen, sondern als Menschen, deren Zuneigung glaubhaft über Jahre gewachsen ist - um dann ebenso glaubhaft zu verrohen. Kritiken heben hervor, wie sorgfältig der Film in der ersten Hälfte die Harmonie, die kleinen Insider-Witze, die stillen Kompromisse dieses Paares aufbaut, bevor er Stein für Stein diese Fassade demontiert. Wo Douglas/Turner schon früh wie zwei Naturgewalten wirkten, die nur auf den richtigen Blitz warten, entfremden sich Colman und Cumberbatch Schritt für Schritt: Theos beruflicher Absturz, Ivys Karriereaufstieg, verletzte Eitelkeit, unausgesprochene Ressentiments - bis aus genervter Distanz blanke Verachtung wird. In dieser Langsamkeit liegt der vielleicht größte Unterschied zum Original: Der neue Film will zeigen, wie ein Rosenkrieg beginnt, nicht nur, wie er eskaliert.

Jay Roach ist als Regisseur eigentlich für mainstreamtaugliche Komödien bekannt, und man spürt manchmal, wie sein Glaube an das Gute im Menschen die radikale Bösartigkeit des Stoffs zähmt. Während DeVito sein Paar kompromisslos in den Abgrund rutschen ließ, gönnt "Die Rosenschlacht" seinen Figuren öfter Momente der Reflexion, sogar so etwas wie Scham - was manche Kritiken als Verrat am gnadenlosen Witz des Originals empfinden, andere aber als angemessen für eine Zeit lesen, in der Empathie und psychische Verletzlichkeit stärker im Diskurs stehen. Der Film ist bösartig genug, um weh zu tun, aber selten so nihilistisch, dass man sich vollständig von Ivy und Theo abwendet; die Klinge schneidet, aber sie seziert eher, als dass sie nur hackt. Das passt zu McNamara, der bereits in "The Favourite" und "Poor Things" gezeigt hat, wie sich abgründiger Humor und genuine Anteilnahme nicht ausschließen müssen.

Formell bewegt sich "Die Rosenschlacht" zwischen klassischer Dialogkomödie und präzise gesetztem Slapstick. Lediglich in der zweiten Hälfte kreist der Film etwas zu lange in der Spirale aus Streits, Demütigungen und kleinen Sabotageakten und kippt im Finale stärker ins Klamaukige, näher am Ton der alten Verfilmung, als es der zurückhaltendere Aufbau vermuten ließ. Gleichzeitig gilt das Ensemble - mit Nebenfiguren wie Andy Samberg, Kate McKinnon oder Jamie Demetriou - als klare Stärke, weil sie dem Film regelmäßig Energie und Perspektive injizieren: Anwälte, Freunde, Kolleginnen werden zu Chorfiguren einer Gesellschaft, die den eskalierenden Rosenkrieg zugleich fasziniert beobachtet und mit ihren eigenen Erwartungen an "das perfekte Paar" befeuert.

In einem aktuellen Kontext gelesen, wirkt "Die Rosenschlacht" wie eine bitterkomische Diagnose dessen, was von der bürgerlichen Ehe übrig bleibt, wenn die Idee von Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung und öffentlicher Selbstinszenierung mit dem alten Wunsch nach Besitz, Kontrolle und exklusiver Zweisamkeit kollidiert. Der Film spiegelt eine Zeit, in der Scheidungen öffentlich verhandelt, Karrieren über Instagram und LinkedIn ausgetragen und private Katastrophen von außen kommentiert werden - und fragt, ob der Begriff "Rosenkrieg" heute nicht ebenso sehr eine Auseinandersetzung mit dem Publikum wie mit dem Partner meint. Gegenüber DeVitos "Der Rosenkrieg“, der seine moralische Pointe noch recht eindeutig setzte, erlaubt sich "Die Rosenschlacht" mehr Ambivalenz: Man lacht, man zuckt zusammen, und man ist sich am Ende weniger sicher, ob die Lehre lautet "mach es nie so" oder eher "so nah sind wir selbst an dieser Klippe". In dieser Unschärfe liegt seine Modernität - und seine Reibung mit einem Klassiker, der in seiner Bosheit bis heute ungebrochen wirkt.

7/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts
Poster/Artwork: Disney/Fox Searchlight

Maria (2024)

https://www.imdb.com/title/tt22893404/

Maria Callas (Angelina Jolie) ist die wohl größte Sopranistin aller Zeiten. Doch schon seit Jahren ist sie nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Trotz ihrer sich alle Mühe gebenden Köchin Bruna (Alba Rochwacher) und ihres sie bestmöglich umsorgenden Butlers Ferruccio (Pierfrancesco Favino) ernährt sich die Diva fast ausschließlich von Tabletten. Diese Stimmungsaufheller sorgen dafür, dass Maria Callas noch immer an ein unwahrscheinliches Comeback glaubt. Darin fühlt sich Callas zudem bestätigt, als der Fernsehreporter Mandrax (Kodi-Smit-McPhee) für ein Interview mit ihr aufschlägt. Beim Schwelgen in Erinnerungen führt sie sich noch einmal eine Zeit vor Augen, die in ihren Augen noch nicht vorüber ist. Die Bühne ruft sie noch. Doch die Realität ist eine andere, denn am 16. September 1977 wird die völlig abgemagerte Sängerin tot auf dem Boden des Wohnzimmers ihres riesigen Pariser Apartments aufgefunden werden...

Der Film unter der Regie von Pablo Larraín ist ein intensives Biopic über die letzten Lebensmonate der legendären Opernsängerin Maria Callas, die hier von Angelina Jolie verkörpert wird. Der Film spielt in Paris der 1970er Jahre und zeigt Callas' zurückgezogenes Leben, geprägt von gesundheitlichen Problemen und einer zunehmenden Tablettenabhängigkeit. Trotz ihrer angeschlagenen Verfassung plant Maria ein Comeback auf der Opernbühne, das durch Halluzinationen und Erinnerungen an ihre bewegte Vergangenheit überschattet wird. Dabei stehen besonders ihre komplizierte Beziehung zu Aristoteles Onassis, ihre große Liebe, sowie das belastete Verhältnis zu ihrer Schwester im Fokus. Die letzten Tage sind ein Kampf um Selbstbestimmung, Erinnerung und innere Aussöhnung, an dessen Ende sie eine letzte Arie singt und schließlich stirbt.

Jolie bringt Maria Callas als eine Figur mit großer innerer Zerrissenheit auf die Leinwand. Ihre Darstellung verbindet eine kühle Distanz mit intensiver Emotionalität, wodurch sie die Überlebensgroße und dennoch zerbrechliche Diva glaubhaft verkörpert. Jolie zeichnet Maria als einsame, bittere Frau, die zwischen Schmerz, Rückzug und dem Wunsch nach Anerkennung schwankt. Ihr Schauspiel fängt diese duale Dimension ein: die kämpferische Künstlerin und die verletzliche Frau, die im Schatten ihrer eigenen Legende lebt. Jolie vermeidet Überzeichnung und setzt auf subtile Gesten und eine präzise Körpersprache, die Marias zunehmende Verzerrung durch Medikamente und Halluzinationen eindringlich vermittelt. Regisseur Pablo Larraín konzentriert sich in "Maria" auf einen atmosphärischen Kammerspiel-Ansatz: Die Handlung bleibt intimen Räumen sowie dem komplexen psychologischen Innenleben der Hauptfigur verhaftet. Die beiden Bediensteten Ferruccio und Bruna, gespielt von Pierfrancesco Favino und Alba Rohrwacher, illustrieren zugleich Fürsorge und Ohnmacht im Umgang mit Marias Lebensrealität. Der Film vermeidet eine chronologische Gesamterzählung und wählt stattdessen eine impressionistische Erzählweise, die durch Marias halluzinatorische Wahrnehmungen ergänzt wird. So bietet „Maria“ nicht nur eine biografische Breitenzeichnung, sondern auch ein Porträt der Krankheit, des Alters und der Einsamkeit einer einstigen Ikone.

Die realen Hintergründe des Films beruhen auf den historischen Fakten zu Maria Callas’ Leben: geboren 1923 in New York, wuchs sie in Griechenland auf, wo sie früh als Sängerin brillierte. Nach einer steilen Karriere war ihr Lebensweg geprägt von Höhen und Tiefen, unter anderem der schmerzlichen Trennung von Aristoteles Onassis und ihrer problematischen Kindheit. Der Film zeigt die letzten Jahre ihres Lebens, die von Isolation, Medikamentenmissbrauch und dem Bemühen um ein letztes künstlerisches Lebenszeichen geprägt waren. Diese realen Elemente werden mit einer dramatischen Dichte und psychologischen Tiefe verbunden, die nicht nur die Stimme der Diva, sondern auch ihre Zerbrechlichkeit in den Vordergrund rücken. Marias Wunsch, mit ihrer Vergangenheit Frieden zu schließen, bildet den emotionalen Kern des Films.

Insgesamt gelingt Larraín mit "Maria" ein eindrucksvolles, kunstvolles Porträt einer komplexen Frau im Schatten ihres Ruhms. Dies wird maßgeblich durch Angelinas Jolies sensiblen und vielschichtigen Performance getragen, die den Charakter authentisch und eindringlich macht. Der Film ist weniger eine spektakuläre Biografie als ein emotionales Kammerspiel und eine meditative Betrachtung über die Grenzen des Ruhms, die Unausweichlichkeit des Verfalls und die Suche nach Würde am Ende des Lebens. Für Liebhaber anspruchsvoller Filmschaffungen und klassische Musikfans ist "Maria" ein cineastisches Highlight, das den Mythos Maria Callas in seiner ganzen humanen Tragik neu beleuchtet.

/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts/Studiocanal
Poster/Artwork: Arthaus/Fremantle/Filmnation Entertainment

Dienstag, 2. Dezember 2025

Babo - Die Haftbefehl-Story (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt38504137/

Für die einen ist er ein Chronist des Straßenlebens, für die anderen ein Gangster-Rapper. Obwohl in Schlagzeilen immer wieder Ausschnitte seiner Biografie auftauchen, bleibt das Bild bruchstückhaft: Wer steckt hinter Aykut Anhan, besser bekannt als Haftbefehl? Als er 2010 in die deutsche Rapszene eintrat, hinterließ er deutliche Spuren. Viele junge Menschen sahen in ihm eine Identifikationsfigur, während er mit dem Studioalbum Russisch Roulette im Jahr 2014 auch die Aufmerksamkeit des Feuilletons auf sich zog. Die Regisseure Juan Moreno und Sinan Sevinç führen durch die Welt von Aykut Anhan, dem Menschen hinter der Kunstfigur Haftbefehl. Sie beleuchten den Weg zum Erfolg, öffnen den Blick auf die glitzernde Oberfläche des Musikgeschäfts und entwerfen zugleich das Bild eines Mannes, der mit den Schatten seiner Vergangenheit und Gegenwart ringt.

Der Netflix-Film "Babo - Die Haftbefehl-Story" ist eine radikal ehrliche und tiefgründige Dokumentation über den deutschen Gangster-Rapper Aykut Anhan, bekannt als Haftbefehl. Regisseur Juan Moreno, der 2018 Claas Relotius als Fälscher enttarnte, und Co-Regisseur Sinan Sevinç tauchten mit der Kamera zwei Jahre lang in das Leben des Künstlers ein und zeigen nicht nur seinen musikalischen Erfolg, sondern auch den dramatischen Absturz durch Drogenabhängigkeit und psychische Erkrankungen. Der Film verzichtet auf Beschönigungen und bietet stattdessen schonungslose Einblicke in die Schattenseiten des Ruhms, mit besonders eindrücklichen Momenten wie Nachstellungen eines Suizidversuchs und der körperlichen und seelischen Zerstörung durch Kokainkonsum. Diese Szenen berühren einen bis ins Mark.

Die Stärke der Dokumentation liegt in ihrer Mischung aus intimen persönlichen Interviews, Aufnahmen von Konzerten und dem realen Alltag in Anphans Umfeld. Die Zuschauer erleben, wie Haftbefehl sich im Musikgeschäft an die Spitze gearbeitet hat, aber auch wie der Verlust seines Vaters und die belastende Kindheit im migrantischen Milieu ihn geprägt haben. Die dokumentarische Erzählung zeigt, wie seine Familie durch seine Sucht zerbricht, während sein Bruder Capo stellvertretend für die Liebe und das Festhalten an ihm steht. Dabei vermeidet der Film eine übermäßige Einordnung oder den Einsatz von Expertenmeinungen, die Suchterkrankungen erklären könnten, was einerseits dem authentischen Confessional-Stil dient, andererseits aber auch kritisiert wird, weil der soziokulturelle Kontext von Haftbefehls Herkunft kaum beleuchtet wird.

Technisch überzeugt "Babo - Die Haftbefehl-Story" durch eine kontrastreiche Bildsprache, die zwischen den energiegeladenen Konzertsequenzen und den stillen, fast lähmenden Momenten des Drogenabsturzes wechselt. Die Kamera bleibt nah an der Hauptfigur und zeigt die Zerbrechlichkeit hinter dem selbstbewussten Image des Rappers. Musikalisch und sprachlich spiegelt sich die Verschmelzung verschiedener kultureller Einflüsse wider, die Haftbefehl zu einem prägnanten Vertreter des deutschen Straßenraps machen. Die Filmgestaltung setzt bewusst auf dramatische Musik verlässt sich aber dann doch eher auf natürliche Geräusche und authentische Atmosphäre, was den dokumentarischen Charakter unterstreicht. Inhaltlich ist der Film eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit den Folgen von Ruhm, Abhängigkeit und dem Kampf mit inneren Dämonen. Er zeigt dabei nicht nur den Menschen Haftbefehl, sondern auch die Co-Abhängigkeit seiner Familie und Ehefrau, die mit der toxischen Dynamik ringen. Die Dokumentation funktioniert auch als Aufklärung über Suchterkrankungen und psychische Erkrankungen, sie hinterlässt beim Zuschauer ein erschütterndes Bild von der lebenslangen Belastung trotz Therapie und Unterstützung. Eine der krassesten Szenen ist die Übernahme der Kamera durch Aykut Anhan am Ende der Doku. Ungeschönt. Abstoßend. Und zutiefst erschütternd und traurig.

"Babo - Die Haftbefehl-Story" ist ein überaus tiefes, beeindruckendes, aber auch schweres Filmwerk, das weit über eine reine Musikerbiografie hinausgeht. Man erwartet einfach nicht, dass man so einen Film serviert bekommt. Nicht in diesem Bereich, nicht mit einem Künstler. Es fordert vom Betrachter Offenheit für tiefe Einblicke in eine gebrochene Seele und ein schwieriges soziales Umfeld. Als eine der ehrlichsten Hip-Hop-Dokumentationen im deutschen Raum hinterlässt sie sowohl Mitgefühl als auch ein kritisches Nachdenken über gesellschaftliche Zusammenhänge und persönliche Verantwortung. Für Fans von authentischen, ungefilterten Porträts und für alle, die sich für die komplexen Hintergründe von Künstlerbiografien interessieren, ist dieser Film ein absolutes Muss. Ganz egal, ob man etwas für Deutsch-Rap übrig hat oder nicht.

9/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts/Netflix
Poster/Artwork: Netflix

Montag, 1. Dezember 2025

Troll 2 (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt29232158/

Als ein mächtiger Troll erwacht, gerät Norwegen ins Chaos. Nora (Ine Marie Wilmann), Andreas (Kim Falck) und Kapitän Kris (Mads Sjøgård Pettersen) stehen vor ihrer bislang gefährlichsten Mission. Um die zerstörerische Kreatur aufzuhalten, müssen sie neue Verbündete gewinnen, mächtige Waffen finden und tief in die alte norwegische Geschichte eintauchen. Doch können sie die gewaltigen Herausforderungen meistern, bevor ihr Land ins Verderben stürzt?

"Troll 2" ist einer dieser Sequels, die so bemüht sind, ihrem Vorgänger gerecht zu werden, dass sie am Ende eher dessen Schatten als dessen Erbe sind. Der Netflix-Film setzt genau da an, wo "Troll" von 2022 aufgehört hat: wieder steht Nora Tidemann im Zentrum, wieder geht es um uralte norwegische Mythen, die mit militärischer Gegenwart kollidieren, wieder stampfen Riesentrolle durch majestätische Landschaften. Doch während der erste Film vom Überraschungsmoment lebte - von der Entdeckung der Kreatur, vom Zusammenprall von Folklore, Bürokratie und Medienöffentlichkeit - wirkt "Troll 2" von Anfang an wie ein Produkt, das sein eigenes Rezept kennt und nun vor allem die Dosis erhöht: mehr Action, mehr Zerstörung, mehr Monster, dafür weniger Staunen, weniger Ambivalenz, weniger stiller Schrecken.  Zugegeben: die Fortsetzung versucht, Nora als Figur zu vertiefen, macht sie zur etablierten Expertin, die zugleich mit Schuld und Verantwortung für die Ereignisse des ersten Teils ringt. Auf dem Papier ist das ein reizvoller Ansatz - eine Heldin, die nicht mehr gegen den Unglauben der anderen kämpft, sondern gegen die Konsequenzen ihres eigenen Handelns. In der Praxis bleibt vieles Behauptung: Andeutungen über gebrochene Beziehungen, alte Fehler und die Bürde, nun "die Einzige zu sein, die die Trolle versteht", tauchen auf, werden kurz betont und dann vom nächsten Setpiece weggespült. Der Nora des ersten Films wohnte eine eigensinnige Reibung inne: Sie war zugleich Insiderin der Wissenschaft und Außenseiterin im System, eine Figur, die aneckte. Die Nora von "Troll 2" ist dagegen stärker zur Funktion verdichtet - sie repräsentiert Vernunft und Empathie gegenüber den Kreaturen, vermittelt zwischen Militär und Mythos, trägt am Ende die moralische Botschaft - aber sie kämpft seltener wirklich für eine innere Wahrheit, eher für die nächste Plotwendung.

Dramaturgisch folgt "Troll 2" einem vertrauten Kaiju-Schema: eine neue, noch größere oder anders geartete Bedrohung erwacht, politisch-militärische Entscheider reagieren zu spät oder falsch, ein kleines Team aus Wissenschaft, Militär und idealistisch motivierter Heldin versucht, in unwegsamem Terrain eine Alternative zu purem Vernichtungswillen zu finden. Die Schauplätze - Höhlensysteme, abgelegene Siedlungen, alte Kultstätten, Kontrollräume, Kommandozentralen - sind mit sichtbarem Produktionsaufwand gestaltet, doch sie erzählen selten mehr als "es geht weiter, nur größer"; die Bewegungen von A nach B wirken manchmal wie das Abarbeiten eines Drehbuchfahrplans, der sich selbst versichert, dass ein moderner Monsterfilm alle paar Minuten einen neuen Ort, eine neue CGI-Demonstration, ein neues "größer, lauter, gefährlicher" braucht. Im Vorgänger war die Katastrophe noch eng mit dem norwegischen Selbstbild verschränkt: Der Troll als verdrängter Teil der Geschichte, als Manifestation eines Mythos, den man im Namen von Fortschritt und Religion zur Seite geschoben hatte. In "Troll 2" bleibt diese Ebene zwar angedeutet - es gibt wieder Anspielungen auf alte Sagen, auf die zerstörerische Kraft von Glaubenssystemen, auf die Arroganz moderner Politik -, doch die Motive sind eher Hintergrundgeräusch, während der Film an der Oberfläche seine Konflikte standardisiert: Vernichtung vs. Verständigung, Geheimhaltung vs. Öffentlichkeit, Opfertod vs. Rettung in letzter Sekunde.

Die Trolle selbst sind zugleich Stärke und Schwäche des Films. Rein technisch sind sie beeindruckend: Das Creature Design knüpft an die wuchtige Physis des ersten Teils an, ergänzt sie um Variationen, verleiht den Gesichtern mehr Ausdruck und den Bewegungen mehr Gewicht. Einige Einstellungen besitzen eine fast mythische Qualität – der Troll, der aus dem Nebel einer Schlucht tritt, die Silhouette vor der Skyline, das kurze Innehalten vor der nächsten Verwüstung. Doch Charakter im eigentlichen Sinne, jene fragile Balance aus Bedrohung, Traurigkeit und Staunen, die der ersten Kreatur ihren Reiz gab, stellt sich seltener ein. "Troll 2" behandelt seine Monster oft wie eindrucksvolle, aber austauschbare Naturgewalten, die bestimmte dramaturgische Aufgaben zu erfüllen haben - sie kommen, zerstören, rühren uns kurz, ziehen weiter -, ohne dass die Beziehung zwischen Mensch und Wesen nachhaltiger neu gedacht würde. Wo der Vorgänger im Finale einen Moment der bitteren Erkenntnis fand - dass die eigentliche Schuld womöglich beim Menschen liegt -, verlässt sich die Fortsetzung stärker auf genretypische Lösungen: Opfer, Kompromiss, ein visuell betontes "Gleichgewicht", das sich eher wie eine semantische Pflichtübung als wie das Ergebnis eines schmerzhaften Lernprozesses anfühlt. Verglichen mit "Troll" ist "Troll 2" damit so etwas wie eine routinierte Staffelfortsetzung einer Serie: Die Welt steht, die Figuren sind eingeführt, das Budget ist spürbar, und doch fehlt der Funken, der alles noch einmal neu entzündet. Der erste Film hatte Ecken und Kanten, irritierende Übergänge zwischen Ironie und Ernst, zwischen Katastrophenkino und Volksmärchen, die nicht immer perfekt saßen, aber eine eigene Identität schufen. Die Fortsetzung glättet viele dieser Reibungen, bemüht sich um einen international verständlichen, bequem konsumierbaren Monsterfilm, der kaum anstößt - und sich damit auch schwerer einprägt. Das Ergebnis ist ein durchaus unterhaltsames, visuell versiertes, gelegentlich bewegendes Spektakel, das sein Publikum selten langweilt, aber noch seltener wirklich verblüfft. "Troll 2" ist kein Fehltritt, sondern ein ordentlicher Film, der alles richtig machen möchte - und dabei vergisst, wie viel vom Zauber des Vorgängers aus den Dingen kam, die nicht ganz richtig, aber entschieden eigen waren.

5/10

Quellen:
InhaltsangabeNetflix
Poster/Artwork: Netflix

Sonntag, 30. November 2025

Zoomania 2 - Zootopia 2 (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt26443597/

Ex-Gauner-Fuchs Nick Wilde (Stimme im Original: Jason Bateman) und Polizeianfänger-Häsin Judy Hopps (Ginnifer Goodwin) haben gemeinsam den bis dato größten Fall in der Geschichte von "Zoomania" gelöst und wollen ihre ungewöhnliche Zusammenarbeit nun als frischgebackene Partner fortsetzen. Doch das ist längst kein Selbstläufer und die beiden hadern miteinander. Chief Bogo (Idris Elba) schickt die beiden deshalb zum Therapieprogramm "Partner in Krisen". Doch es dauert auch nicht lange, bis das Duo direkt in einen richtigen Fall und damit das nächste Abenteuer stolpert. Die Giftschlange Gary De’Snake (Ke Huy Quan) taucht in der tierischen Metropole auf und sorgt für Chaos und Panik, schließlich wurde ein solches gefährliches Reptil seit vielen Jahren nicht mehr in der Stadt gesichtet. Nick und Judy wollen herausfinden, was es damit auf sich hat, und müssen sich dafür auf einen gefährlichen Undercover-Einsatz in Ecken von Zoomania begeben, die selbst ihnen unbekannt sind.

"Zoomania 2" setzt als Fortsetzung eines modernen Disney-Klassikers - neun Jahre nach dem ersten Film - einen ambitionierten Spagat zwischen spektakulärem Worldbuilding, Buddy-Komödie und kluger Gesellschaftskritik. Die Erwartungen sind nach dem Oscar-prämierten Vorgänger von 2016 riesig, und Disney kontert mit einer Welt, die größer und bunter, aber auch dunkler und komplexer geworden ist. Die Story führt Judy Hopps und Nick Wilde in eine neue Tiefe der Metropole: Ein geheimnisvolles Reptil namens Gary De'Snake taucht auf und zwingt das Ermittlerduo, in bislang unbekannte Stadtviertel vorzudringen. Neu ist dabei nicht nur die tierische Bedrohung, sondern auch ein spielerischer Umgang mit hybriden und exotischen Tierarten; erstmals werden Reptilien und Meeresbewohner als Teil der Gesellschaft gezeigt. Die Buddy-Dynamik zwischen Judy und Nick bleibt das emotionale Herz: Ihre Partnerschaft wird in immer heikleren Situationen gestählt, und die Dialoge schwanken gekonnt zwischen Ironie, Warmherzigkeit und tieferem Ernst.

Im Vergleich zum ersten "Zoomania" ist die Welt deutlich erweitert. Während im Original die Rollenkonflikte von Raub- und Beutetieren im Mittelpunkt standen, öffnet Teil zwei den Blick auf neue Minderheiten und Verdrängungsmechanismen - die Reptilien, lange verborgen und "unsichtbar". Das wiederkehrende Motiv: Vorurteile und gesellschaftliche Spaltung können nur durch unvoreingenommene Zusammenarbeit und Mut überwunden werden. Der Vorgänger bestach durch sein Subtext-Wortspiel, hier wird der moralische Kommentar offensiver, aber bleibt stets im Rahmen einer kinderfreundlichen Erzählung - mit Elementen, die auch die erwachsenen Zuschauer zumindest zum Schmunzeln bringen. Die Animation ist erneut beeindruckend - Disney übertrifft sich mit einem Urban Jungle, der noch vielschichtiger und visuell verspielter wirkt als zuvor. Die Action lebt von rasanten Verfolgungsjagden und überraschenden Slapstick-Momenten, vom Marsh Market bis hin zu neonbunten Unterwasserquartieren. Michael Giacchinos Score schafft einen atmosphärischen Spagat aus Großstadtklängen, Abenteuerfeeling und Emotionalität, und Shakiras neue musikalische Beiträge fügen sich klanglich organisch ins Weltbild. Die Integration neuer Tierarten ist auch in der Animation ein Triumph: Jedes Detail, jedes Fell oder Schuppe wirkt lebendig und charaktervoll.

"Zoomania 2" nimmt sich erneut sozial relevanter Themen an: Diversität, Vorurteile und das komplexe Zusammenleben in einer Großstadt sind Kernelemente. Humor und Ernst greifen gekonnt ineinander und die Message wird nie moralisierend, sondern stets clever und zugänglich transportiert. Der neue Fall und die ungewöhnlichen Partnerschaften bieten immer wieder originelle Pointen, die die Handlung leichtfüßig vorantreiben. Bemerkenswert ist die Vielschichtigkeit der Schurkenfigur Gary De'Snake, deren Geschichte nicht auf reine Bösartigkeit reduziert wird, sondern auch für Empathie sorgt. Unterm Stricht ist "Zoomania 2" eine fulminante Rückkehr ins Herz der tierischen Stadt: Sowohl Fans des Originals als auch neue Zuschauer bekommen ein klug arrangiertes Abenteuer, dessen visuelle Details und emotionale Nuancen begeistern. Die Buddy-Dynamik, die raffinierte Animation und der gesellschaftliche Subtext machen den Film zu einem der besten Disney-Sequels der letzten Jahre. Die Fortsetzung steht ihrem Vorgänger in puncto Innovationsfreude, Scharfsinn und Herz in nichts nach - vielleicht ist sie sogar noch mutiger.

8/10

Quellen:
InhaltsangabeDisney
Poster/Artwork: Disney

Freitag, 28. November 2025

Down Periscope - Mission: Rohr frei! (1996)

https://www.imdb.com/de/title/tt0116130/

Schuld an dem Chaos ist eigentlich Admiral Graham. Er gibt Lt. Thomas Dodge, der die Intelligenz eines Rollmopses besitzt, das Kommando über ein U-Boot. Mit diesem soll er strategisch wichtige US-Militärhäfen einnehmen, ohne daß die eigene Flotte etwas merkt. Dodge ahnt nicht, daß Graham diese Mission nur plant, damit er die Angriffe medienwirksam mit den modernsten Schiffen stoppen kann. Dodge erhält eine Crew, die aus den unfähigsten Marines besteht, die in der Navy herumdümpeln. Und auch sein Gefährt ähnelt mehr einer verrosteten Sardinenbüchse als einem modernen High-Tech-Unterwasser-Kreuzer. Somit sind alle Voraussetzungen erfüllt, diese Operation zur Mission Rohrkrepierer werden zu lassen. Erleben Sie jetzt, wie naß Wasser sein kann.

"Mission: Rohr frei!" ist eine dieser Komödien, die man ohne große Erwartungen einschaltet und mit einem Schulterzucken wieder verlässt: nicht ärgerlich, aber auch selten wirklich komisch. Kelsey Grammer bringt als unorthodoxer U-Boot-Kapitän Dodge eine ruhige, leicht ironische Präsenz mit, die den Film immer dann trägt, wenn das Drehbuch ihm Raum gibt, mit Understatement und trockenem Timing zu arbeiten. Die Idee, eine veraltete Diesel-U-Boot-Schrottkiste mit einer Ansammlung von Versagern und Exzentrikern in ein Manöver gegen Hightech-Nuklearboote zu schicken, hat Charme, doch der Film nutzt sie nur halb: Vieles wirkt wie eine weichgespülte Mischung aus "Police Academy" und "Die Indianer von Cleveland", mit genau den Gags, die man erwartet, und kaum einem, der überrascht. Handwerklich ist das solide, aber unspektakulär - routinierte Inszenierung, eine TV-artige Optik und harmlose Militär-Slapstick-Szenen, die selten echten Biss entwickeln. Die Nebenfiguren bleiben überwiegend Stichworte-tragende Karikaturen, vom cholerischen Offizier über den verpeilten Sonarmann bis zur „experimentellen“ Frau an Bord, die trotz engagierter Schauspielerinnenleistung doch stark klischeehaft geschrieben ist. Am Ende funktioniert "Mission: Rohr frei!" als leicht verdauliche Wohlfühl-Militärposse für einen entspannten Abend, aber es fehlt ihm an Konsequenz und Mut, seine eigene Absurdität wirklich auszukosten - ein mittelmäßiger, unaufdringlicher Film, der so leise wieder aus dem Gedächtnis taucht, wie er hineingeschippert ist.

5/10

Quellen:
InhaltsangabeTwentieth Century Fox
Poster/Artwork: Sprockets Music/Twentieth Century Fox

Donnerstag, 27. November 2025

The Running Man (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt14107334/

In naher Zukunft gehört "The Running Man" zu den beliebtesten Fernsehsendungen. In der brutalen Show kämpfen sogenannte Runner ums Überleben, während Profikiller gnadenlos Jagd auf sie machen. Jede ihrer Bewegungen wird live vor einem sensationshungrigen Publikum übertragen. Für jeden Tag, den sie dem Tod entkommen, wächst das Preisgeld. Ben Richards (Glen Powell), ein Mann aus der Arbeiterklasse, sieht in der Teilnahme seine einzige Chance, das Leben seiner kranken Tochter zu retten. Dan Killian (Josh Brolin), der einflussreiche und skrupellose Produzent der Show, überzeugt ihn schließlich davon, sich dem gefährlichen Spiel zu stellen. Mit Entschlossenheit und Überlebenswillen gelingt es Ben, sich gegen die Jäger zu behaupten. Sein Mut und seine Unnachgiebigkeit ziehen bald die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich. Während die Quoten steigen, wächst der Druck. Ben muss nicht nur den Killern entkommen, sondern auch einer Gesellschaft trotzen, die seinen Untergang erwartet.

Die Neuverfilmung des dystopischen Sci-Fi-Romans von Stephen King (unter dem Psyeudonym Richard Bachmann), der bereits mit Arnold Schwarzenegger adaptiert wurde, "The Running Man" unter Regie von Edgar Wright ist ein glühender, postmoderner Ritt durch das dystopische Amerika nach Stephen King, der das Versprechen einer werkgetreuen Adaption nicht nur einlöst, sondern das Original von 1987 mit Entschlossenheit, Emotionalität und satirischer Schärfe auf den Kopf stellt. Gut, der 1987er "Running Man" hatte sich nur lose an die Buchvorlage gehalten, und setzte mehr auf Brutalitäten und Action mit einem ikonischen Schwarzenegger in der Hauptrolle und kann daher nur schwer als Vergleich Buch <> 1987er Film -<> 2025er Film herhalten. Doch das muss er auch nicht. beide Filme haben ihre Daseinsberechtigung, doch tatsächlich ist Wrights Film der bessere.

Glen Powell erweist sich als Idealbesetzung für Ben Richards: Wuchtig in seiner physischen Präsenz, bringt er zugleich Menschlichkeit und Verwundbarkeit ins Spiel, die das Publikum spüren lässt, worum es eigentlich geht - die Zerreißprobe zwischen Überlebenstrieb und letzter Würde, Familienliebe und gesellschaftlicher Zermalmung. An seiner Seite überzeugt Jayme Lawson als Richards' Frau, deren emotionale Zurückhaltung Powells Performance umso tragischer und zwingender erscheinen lässt. Die Besetzung wird von einem markanten Ensemble getragen, darunter Josh Brolin als zynischer Game-Show-Produzent, Colman Domingo, Lee Pace, Michael Cera und William H. Macy, die allesamt archetypische wie gebrochene Figuren in diesem grellen Untergangsszenario verkörpern. 

Wright inszeniert mit angriffslustiger Präzision: Von gnadenlosen Showdowns in Neon-beschienenen Arenen, in denen die Kamera von Chung-hoon Chung (bekannt für "Oldboy" und "Es") das Geschehen dynamisch und doch stets kontrolliert einfängt, bis zu ruhigeren Momenten, in denen die digital gleißende Kälte des Studios mit Erinnerungen an frühere Science-Fiction-Klassiker wie "Blade Runner" und "The Hunger Games" spielt. Die Effekte gehen Hand in Hand mit der Inszenierung, sind stilisiert und keineswegs Selbstzweck, sondern arbeiten die Verfremdung, das Spiel mit der Medienrealität und den Zynismus des Systems messerscharf heraus. Die Musik von Daniel Pemberton schafft den Spagat zwischen zeitgenössischem Synthwave und orchestralen Verzerrungen - ein Soundtrack, der die Künstlichkeit der Show-Welt betont und doch nie den emotionalen Resonanzraum der Figuren aus den Augen verliert. 

Im Vergleich zum berüchtigten Schwarzenegger-Film von 1987 ist dies ein entscheidender Schritt hin zum Kern der Buchvorlage: Wright inszeniert keine bloße "Tötungsshow" für die Massen, sondern ein gnadenloses Sozialexperiment, das sowohl die Verrohung als auch die Sehnsucht nach Menschlichkeit unter der Oberfläche abbildet. Die Satire erinnert dabei an Filme von Paul Verhoeven, während der Umgang mit dem Publikum und dessen Sucht nach Gewalt und Spektakel der Romanvorlage näher ist als dem testosterongeladenen Action-Vehikel von damals. Wright gelingt es, die nervösen, überzeichneten und doch stets geerdeten Kamera- und Erzähltricks seiner "Cornetto-Trilogie" hier in den Dienst einer bitterbösen Dystopie zu stellen, die das Genre neu denkt und zugleich Hommage bleibt. "The Running Man" schlägt damit die Brücke zwischen literarischer Vorlage - mit deren pessimistischer Gesellschaftsdiagnose und psychologischer Tiefe - und dem Bedürfnis nach großem, emotionalem Kino, wie es in seiner Form selten gelingt. Das Ergebnis ist eine scharfgeschnittene, von energiereichem Schauspiel getragene, kluge Mischung aus Action, Gesellschaftskritik und Kino der alten Schule.

7,5/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts
Poster/Artwork: Paramount Pictures