Dienstag, 25. November 2025

Sisu: Road To Revenge (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt31844586/

Aatami Korpie (Jorma Tommila) aka „Der Mann, der nicht sterben will“ kehrt an genau den Ort zurück, an dem seine Familie im Krieg grausam getötet wurde. Doch er ist nicht bereit dazu, dieses traumabehaftete Stück Land hinter sich zu lassen – ganz im Gegenteil. Er beginnt nämlich damit das verlassene Haus in seine Einzelteile zu zerlegen, um es dann an einem anderen, sicheren Ort neu zu errichten und damit die Erinnerung an seine Familie und das gemeinsame Heim zu bewahren. Doch der Kommandant der Roten Armee, Yeagor Draganov (Stephen Lang), verantwortlich für das Massaker an Aatamis Familie, taucht erneut auf – entschlossen, sein Werk zu vollenden und auch Aatami zu ermorden. Es beginnt eine unerbittliche Jagd durch das gesamte Land, die schließlich in einem gnadenlosen Kampf auf Leben und Tod gipfelt.

"Sisu: Road To Revenge" ist ein Werk, das sich der kompromisslosen Entfesselung von Action und filmischem Wahnsinn verschrieben hat. Regisseur Jalmari Helander gelingt es mit diesem zweiten Teil, die Qualitäten des Erstlings radikal fortzuführen, indem er die Geschichte weiterentwickelt und sich erneut dem archetypischen Helden widmet, der wortkarg und unzerstörbar das Bild eines modernen Mythos zeichnet. Die Handlung setzt nach den Ereignissen des ersten Films an: Aatami Korpi (Jorma Tommila), der menschgewordene Widerstand, kehrt in das Heim zurück, das ihm durch den Krieg und den grausamen Mord an seiner Familie genommen wurde. Er entschließt sich, das Haus abzubauen, es auf einen Truck zu laden und an einem sichereren Ort wieder neu zu errichten - ein zutiefst symbolisches Unterfangen, das stille Trauer und unbeugsamen Willen vereint. Die Antagonisten, ein russischer General (Richard Brake) und der skrupellose Red-Army-Offizier Draganov (Stephen Lang), stellen klassische Kontrahenten dar, die im zweiten Teil noch bedrohlicher, aber auch zum Teil karikaturhaft gezeichnet sind. Die Chemie zwischen Tommila und Lang verleiht dem finalen Showdown eine bitterböse Würze; besonders Langs Monologe hallen emotional nach.

Die übertriebene, comichafte Action ist erneut das Lebenselixier dieses Films. Was Helander zeigt, ist eine orchestrierte Abfolge von Setpieces, die nie nach repetitivem Effekt suchen, sondern stetig eskalieren: Von brutalen Faustkämpfen, spektakulären Motorrad-Stunts bis hin zu einer irrwitzigen Sequenz, in der Korpi sein Gefährt als Waffe gegen ein Flugzeug verwendet - die Logik bleibt oft auf der Strecke, der Spaß aber nie. Helanders Arbeit mit Kameramann Mika Orasmaa verleiht den Szenen tempo- und bildgewaltige Energie, die an die cartoonhafte Übertreibung der Looney Tunes oder an die Slapstick-Genauigkeit eines Buster Keaton erinnert. Jede Tötung ist so clever inszeniert, dass sie mehr Teil einer Choreographie als bloße Brutalität ist. Doch der Film funktioniert nicht nur auf der Ebene der Zerstörung; er bewahrt sich einen unerwartet starken emotionalen Kern. Aatami Korpi ist kein roboterhafter Racheengel, sondern eine gebrochene, würdige Figur. Sein Schweigen ist Teil seines Seins, sein Blick spricht von Trauer und Schuld, und die Zuschauer bleiben mit ihm in Verbundenheit, weil er menschlich wirkt - trotz all seiner übermenschlichen Aktionen. Tommila schafft es, Leid, Zorn und Hoffnung allein mit Mimik und Gestik zu transportieren.

Im direkten Vergleich mit dem Vorgänger gelingt "Sisu: Road To Revenge" das Kunststück, keine bloße Kopie zu sein: Der Film baut auf das Fundament des Originals, erweitert Tempo, Kreativität und Humor und bietet eine neue Dynamik mit der Verschiebung der Handlung auf eine mobile, fast schon postapokalyptische Landschaft. Während der erste Teil seine Spannung aus minimalistischer Reduktion bezog, setzt Teil zwei auf ausufernde Action und steigert die Skurrilität deutlich. Die Gegner sind komplexer, der Einsatz emotionaler und die Kills kreativer gebaut. Und obwohl man weiß, worauf das unweigerlich hinauslaufen wird (und damit auch etwas Spannung flöten geht), ist "Sisu: Road To Revenge" eine Eskalationsspirale aus Gewalt, Witz und Verzweiflung - ein ebenso emotionaler wie anarchischer Ritt. Die Action ist unvergleichlich, die Inszenierung verspielt und die Figuren trotz aller Überzeichnung tiefgründig. Helander zeigt, dass Genre-Kino mehr sein kann als billige Effekthascherei: Es kann den Zuschauer auf eine Reise mitnehmen, bei der das Ziel bekannt ist, aber der Weg voller Überraschungen steckt. Wer den Vorgänger mochte, findet hier ein innovatives, selbstbewusstes Upgrade. Die größte Gefahr: Kann dieses Level im dritten Teil noch getoppt werden?

8/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts/Sony
Poster/Artwork: Sony

Montag, 24. November 2025

Nobody 2 (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt28996126/

Nach einem verhängnisvollen Vorfall mit der russischen Mafia vor vier Jahren hat Hutch noch immer eine Schuldenlast von 30 Millionen Dollar, die er mit einer Reihe gefährlicher Aufträge gegen internationale Gangster abbaut. Trotz des Nervenkitzels, den seine „Arbeit“ mit sich bringt, kämpfen er und seine Frau Becca (Connie Nielsen) mit der Belastung ihres Lebensstils und entfremden sich zunehmend. Um Abstand zu gewinnen, beschließen sie, zusammen mit ihren Kindern (Gage Munroe, Paisley Cadorath) einen Kurzurlaub im Wild Bill's Majestic Midway and Waterpark zu verbringen – dem einzigen Ort, an dem Hutch und sein Bruder Harry (RZA) als Kinder Ferien gemacht haben. Mit Hutchs Vater (Christopher Lloyd) an ihrer Seite erreicht die Familie die kleine Stadt Plummerville, voller Hoffnung auf Entspannung und gemeinsame Zeit. Doch als eine scheinbar harmlose Auseinandersetzung mit einigen Einheimischen sie in Konflikt mit einem korrupten Freizeitparkbesitzer (John Ortiz) und seinem zwielichtigen Sheriff (Colin Hanks) bringt, gerät Hutch unversehens in den Fokus einer gefährlichen Verbrecherbossin (Sharon Stone). 

"Nobody 2" ist eine solide bis gute Fortsetzung, die sich dem Rezept des Vorgängers verschreibt und dabei genau das liefert, was Fans erwarten: kompromisslose, kreative Action und einen erneut starken Bob Odenkirk als Hutch Mansell. Regisseur Timo Tjahjanto setzt weniger auf Innovation als auf die Weiterentwicklung der bekannten Formel: Die Handlung bleibt zweckdienlich und simpel, das Tempo hoch, und die Gewalt ist häufig grotesk und stets überzeichnet. Erneut steht der ganz normale Familienvater im Zentrum, der in absurden Situationen immer wieder zur brachialen Killermaschine mutiert. Der Film packt seine Action oft in originelle Settings wie eine Spielhalle oder einen Wasserpark, was für einige auffallende "Aua-Momente" sorgt.

Die Stärken liegen klar in der Choreografie der Kämpfe und im lakonischen Humor, den Odenkirk perfekt dosiert einstreut; Schwächen zeigt "Nobody 2" hingegen in der Charakterentwicklung, die leider kaum über das bekannte Flachbild hinausreicht. Wo "Nobody" den Überraschungseffekt des "Everyman als Actionheld" ausspielte und Genregrößen wie "John Wick" ironisch zitierte, bleibt die Fortsetzung im eigenen Fahrwasser und verzichtet auf echte Tiefe. Der Film startet zwar recht hektisch und die Kamera wirkt anfangs unübersichtlich, berappelt sich aber und liefert später saubere, dichte Bilder. Die Musik und das Sounddesign sind funktional und unterstützen die Action, ohne außergewöhnlich hervorzustechen. Im Vergleich zum ersten Teil fehlt dem Sequel der frische Überraschungsmoment, und die Story ist fast schon selbstreferenziell konstruiert, um möglichst viel Handlung in möglichst viel Action zu verpacken. Trotzdem bleibt "Nobody 2" sehenswert - nicht zuletzt, weil Odenkirk, der Cast und das kreative Team mit sichtbarer Freude am Genre ans Werk gehen. Für alle, die sich am Mix aus blutiger Komik, absurden Einfällen und handfester Action begeistern können, bietet der Film genug Unterhaltungswert, um als okay durchzugehen.

6,5/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts
Poster/Artwork: Universal Pictures

Donnerstag, 20. November 2025

The Circle (2017)

https://www.imdb.com/de/title/tt4287320/

Als Mae Holland (Emma Watson) durch die Vermittlung ihrer Freundin Annie (Karen Gillan) einen Job bei dem weltweit dominierenden Internet-Unternehmen „Circle“ bekommt, ist sie überglücklich. Für sie ist es eine einmalige Gelegenheit. Das Ziel der Firma: sämtliche Aktivitäten der User verknüpfen und in einer Online-Identität vereinen. Mit immer neuen technologischen Fortschritten soll eine Welt der völligen Transparenz geschaffen werden. Mae ist begeistert von den Visionen des charismatischen Firmengründers Eamon Bailey (Tom Hanks) und kann Bedenken, wie die ihres Ex-Freundes Mercer (Ellar Coltrane), nicht verstehen. Das Firmengelände, wo die Mitarbeiter rundum versorgt werden, und ihre Arbeit werden nach und nach zu Maes Lebensmittelpunkt. Nur der mysteriöse Ty (John Boyega) bringt sie zum Stutzen. Er behauptet, auch ein Mitarbeiter zu sein, doch Mae kann ihn im Computer, der zu jeder Zeit anzeigt, wo sich die Mitarbeiter gerade befinden, nicht finden. Trotzdem kennt Ty auf dem Gelände Türen und Gänge, die nirgends verzeichnet sind. Und er versucht, Mae zu warnen...

Der von James Ponsoldt inszenierte und auf dem Bestseller von Dave Eggers basierende "The Circle" zeichnet einen beunruhigenden Blick auf die (damalige, der Film ist von 2017) digitale Gegenwart und zukünftige Gesellschaftsentwürfe. Mit Emma Watson und Tom Hanks prominent besetzt, gleitet der Film stilistisch zwischen Paranoia-Thriller und Silicon-Valley-Satire, schafft es aber trotz hochaktueller Thematik nicht ganz, seinem eigenen Anspruch als wegweisender Politthriller gerecht zu werden. Emma Watson überzeugt als (etwas naive) Mae Holland, die aus einfachen Verhältnissen stammt und bald zum Aushängeschild des mächtigen, allgegenwärtigen und titelgebenden Tech-Konzerns "The Circle" wird. Tom Hanks verkörpert CEO Eamon Bailey mit charismatischer Energie, irgendwo zwischen Steve Jobs und modernem Messias - stets freundlich, aber latent bedrohlich. Patton Oswalt als Tom Stenton bildet den manipulativen Gegenpart, während Karen Gillan als Annie und John Boyega als Ty ihrerseits Akzente setzen. Die Schauspieler treffen die Figurentypen moderner Technokraten durchaus, doch bleiben sie, wie auch ihre Charaktere, oft zu schablonenhaft und eindimensional, um echte Empathie oder Abgründe zu entfalten.

"The Circle" entfaltet seinen größten Reiz, wenn er die Überwachungsgesellschaft als logische Konsequenz digitaler Vernetzung weiterdenkt: Politische Transparenz wird zur Forderung, freie Wahlen drohen, in ein Kontrollinstrument zu kippen, Demokratie und Privatsphäre geraten zunehmend unter Druck. Die Kampagne, sämtliche Bürger digital zu erfassen und abstimmen zu lassen, wirkt vor dem Hintergrund echter Debatten um Wahlmanipulation und Social-Media-Einfluss heute - im Jahr 2025 - fast prophetisch. Der Film bleibt dabei jedoch in erster Linie Mahnung und Thesenstück, statt tiefere Ambivalenz zu gestalten: Die politischen Ideen werden plakativ inszeniert, echte Argumente wie Fürsorge, Bürgerrechte oder kollektive Verantwortung tauchen vage, aber nicht kompromisslos auf. Wenngleich die Prämisse auf einen starken Politthriller hoffen lässt - Kontrollverlust, Enthüllung, Opferung von Unschuldigen - fehlt es dem Film an einer echten Spannungskurve und psychologischer Tiefe. Die Inszenierung schafft zwar Momente subtiler Paranoia, etwa wenn Mikro-Kameras zur permanenten Überwachung genutzt werden, doch der dramaturgische Fluss bleibt fragmentarisch, manche narrative Fäden werden unaufgelöst liegen gelassen. Was klassischen Politthrillern ihre Qualität verleiht - scharfe Dialoge, überraschende Wendungen, widerstreitende Moral - bleibt hier eher Behauptung als filmische Realität.

Damit avanciert "The Circle" zu einem einerseits unterhaltsamen, andererseits manchmal erschreckend realistischer Film mit prominenter Besetzung, der sein Potenzial als gesellschaftskritischer Politthriller jedoch nur ansatzweise nutzt. Seine Kritik an digitalem Totalitarismus erscheint klug und relevant, aber auch zu didaktisch und mit zu wenigen echten Kanten inszeniert. Fans gesellschaftlicher Gegenwartsdiagnosen oder dystopischer Literatur dürften dennoch auf ihre Kosten kommen.

6/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts
Poster/Artwork: Europacorp

Dienstag, 18. November 2025

The Silent Hour (2024)

https://www.imdb.com/de/title/tt22874848/

Frank Shaw (Joel Kinnaman) arbeitet als Detective für die Polizei der US-Großstadt Boston. Da wird er eines Tages bei einer rasanten Verfolgungsjagd von einem Auto angefahren. Frank trägt eine Kopfverletzung davon und verliert nahezu sein gesamtes Hörvermögen. Als er nach einem halben Jahr Rekonvaleszenz endlich in den Dienst zurückkehrt, wird er – sehr zu seinem Ärger – nur noch zum Schreibtischdienst eingeteilt. Dann kommt allerdings sein früherer Partner Doug (Mark Strong) und bittet ihn, beim Verhör der taubstummen Zeugin Ava Lopez (Sandra Mae Frank) als Gebärden-Dolmetscher zu helfen. Bei der Befragung vergisst Frank sein Smartphone in Avas Apartment und kehrt deshalb kurze Zeit später noch einmal dorthin zurück. So kann er gerade noch einen Mordanschlag auf die junge Frau vereiteln. Zu zweit müssen sie nun irgendwie aus dem riesigen Haus herausfinden. Haben die Killer doch bereits Verstärkung alarmiert und sind plötzlich überall.

"The Silent Hour" ist ein solide inszenierter Actionthriller, der gerade noch den Sprung ins "okay/gut"-Segment schafft, ohne sich jedoch deutlich vom Genre-Mittelfeld abzuheben. Die Geschichte von Detective Shaw (Joel Kinnaman), der nach einem Unfall einen Großteil seines Gehörs verliert, punktet mit einem ungewöhnlichen Setting - die Zusammenarbeit mit einer tauben Zeugin in einem vom Gangsterteam versiegelten und verwinkelten Apartmentkomplex erzeugt eine klaustrophobische Spannung, wie sie etwa "Stirb langsam" oder "Wait Until Dark" vorgeben und in Ansätzen besser ausspielen.

Während die Besetzung (insbesondere Sandra Mae Frank als Ava) überzeugende Leistungen zeigt und der Film sich teilweise um echte, glaubhafte Figuren bemüht, leidet "The Silent Hour" unter einer oft vorhersehbaren Handlung und einigen genretypischen Logikschwächen. Die Kameraarbeit hält die Action eng und direkt, verpasst es aber, das räumliche Potenzial voll auszuschöpfen. Das Sounddesign, das die Einschränkungen der Protagonisten betont, hebt sich positiv hervor, bleibt jedoch selten innovativ über das Erwartbare hinaus. Im Vergleich zu eleganteren Werken wie "John Wick" oder handwerklich dichten Thrillern von Brad Anderson selbst (z.B. "The Machinist", "The Call") wirkt die Inszenierung hier konventioneller, die Action oft routiniert statt nervenaufreibend.

Unterm Strich bietet "The Silent Hour" genug Spannung und Schauspiel, um für Genre-Fans sehenswert zu bleiben, ohne wirklich herauszuragen. Ein netter Genrebeitrag, der sein Potenzial verschenkt - mittelmäßig, aber nicht völlig enttäuschend.

6/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts/Leonine
Poster/Artwork: Valletta Pictures/AGC Studios/Meridian Pictures

Silent Night - Silent Night: Stumme Rache (2023)

https://www.imdb.com/de/title/tt15799866/

Eine Schießerei zwischen zwei verfeindeten Gangs endet an Heiligabend tragischerweise tödlich für einen gänzlich Unbeteiligten: den Sohn von Brian Godlock (Joel Kinnaman). Godlock fackelt nicht lange und macht sich kurzerhand selbst auf die Suche nach den Tätern. Dabei ist er zwar erfolgreich, muss jedoch einen hohen Preis zahlen: Als er bis zum Boss der Gang Playa (Harold Torres) vordringt und diesen zur Rechenschaft ziehen will, wird er so schwer verletzt, dass er um sein Leben fürchten muss. Doch er kann dem Tod schließlich noch einmal von der Schippe springen. Die Folgen sind jedoch schwerwiegend. Nicht nur kann er plötzlich nicht mehr sprechen, auch sein Lebenswille ist verflogen. Darunter extrem zu leiden hat Godlocks Frau Saya (Catalina Sandino Moreno). Denn die trauert eigentlich noch um ihren Sohn. Darüber zerbricht die Beziehung und sie zieht aus. Bei Godlock setzt dieser Einschnitt viel in Gang – vor allem sein Sinnen nach Rache...

John Woos Rückkehr nach Hollywood ist eine herbe Enttäuschung - und ein mehr als trauriges Zerrbild der Klasse früherer Werke wie "Hard Boiled" oder "Face/Off". Der Versuch, mit einem komplett dialogfreien Actionfilm innovativ zu sein, wirkt mehr wie eine Notlösung als ein künstlerischer Geniestreich. Wo Filme wie "John Wick" das Actiongenre mit origineller Choreografie und stilvollem Weltenbau beleben, gerät "Silent Night" zur bloßen Vorlage: Die Geschichte des rachsüchtigen Vaters (Joel Kinnaman) ist derart vorhersehbar, dass jede Wendung schon Minuten vorher spürbar ist, und selbst Marco Beltramis opernhafte Musik kann die Leere nicht überdecken - zu oft driftet die Melodramatik ins Kitschige ab, ohne echten Nachhall zu erzeugen.

Woo recycelt zudem seine eigenen Markenzeichen bis zur Parodie: Zeitlupen, düstere Close-ups, kraftlose Gewaltballette. Statt die Körperlichkeit pur spürbar zu machen, wie einst bei "A Better Tomorrow", regiert hier Austauschbarkeit. Einige bildschöne Totalen erinnern zwar an die große Kunst des alten John Woo, doch fehlt jeder Sinn für Rhythmus - im Gegensatz zu "John Wick", der immer noch das Maß ist, an dem sich ähnlich gelagerte Actionfilme seit 2014 messen lassen müssen, fehlt die Eleganz, die kinetische Energie, das Wuchtige, das nachhaltig im Gedächtnis bleibt. Dialoglose Szenen treiben die Immersion nicht an, sondern erzeugen gepflegte Langeweile; die vermeintliche Stille wird zur Leerstelle. Schlussendlich bleibt "Silent Night" ein blasses Echo vergangener Meisterschaft: ein Film, der trotz aller Ambition im Mittelmaß stecken bleibt und als Fußnote im Oeuvre eines großen Regisseurs enden dürfte.

4,5/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts/Leonine
Poster/Artwork: Capstone Global/Thunder Road Pictures/Capstone Studios

Samstag, 15. November 2025

No Entres - Do Not Enter (2024)

https://www.imdb.com/de/title/tt27155283/

Die paraguayischen Brüder Cristian (Pablo Martinez) und Aldo (Lucas Caballero) haben einen YouTube-Kanal und träumen davon, mit diesem groß rauszukommen. Sieben Tage die Woche streamen sie 24 Stunden lang ihren Alltag in den Äther hinaus. Da dieser aber eher unspektakulär ist, halten sich die Klickzahlen für ihre Übertragungen in arg übersichtlichen Grenzen. Als sie bei einem Ausflug in den Regenwald allerdings auf ein verlassenes Herrenhaus stoßen, landen sie plötzlich einen viralen Hit. Das einst offenbar glamouröse, nun aber eher schaurig und heruntergekommen ausschauende, mitten im Nirgendwo stehende Gebäude fesselt die Zuschauer und bringt Cristian und Aldo eine ungeahnt hohe Menge an neuen Abonnenten. Natürlich hat das Duo dadurch Blut geleckt. Deshalb beschließen die zwei in der Nacht zu dem unheimlichen Kasten zurückzukehren. Und dieses Mal gehen sie – trotz der Warn- und Verbotsschilder überall – auch rein. Kaum haben sie sich Zutritt verschafft, müssen die Jungs allerdings feststellen, dass etwas übernatürlich Böses die Villa beherrscht …

"Do Not Enter" ist ein mittelmäßiger Found-Footage-Horrorfilm aus Paraguay, der zwei YouTuber beim Versuch begleitet, mit einem nächtlichen Ausflug in ein verlassenes Spukhaus Internetruhm zu erlangen. Die Story beginnt spannend und nutzt das Setting effektiv, doch verliert sich schnell in genretypischen Klischees wie vorhersehbaren Jumpscares und lauten Effekten, die echte Spannung vermissen lassen. Zwar ist die Atmosphäre stellenweise dicht und die Kameraarbeit für das kleine Budget überzeugend, aber die Hauptfiguren bleiben unsympathisch und ihre Entscheidungen wirken oft unlogisch, was die Identifikation erschwert. Die technische Umsetzung ist solide, das Finale bietet jedoch wenig Aufklärung und die narrative Struktur leidet unter mangelnder Kohärenz. Trotz einzelner gelungener Momente entsteht so insgesamt ein konventioneller Horrorbeitrag, der zwar unterhält, aber weder echten Nervenkitzel noch originelles Genre-Kino liefert.

5/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts
Poster/Artwork: FilmSharks International/HJ Producciones/Urbanachievers Producciones

Freitag, 14. November 2025

Flight Risk (2025)

https://www.imdb.com/de/title/tt10078772/

Ein Pilot (Mark Wahlberg) soll Air Marshal Harris (Michelle Dockery) transportieren, die den flüchtigen Verbrecher Winston (Topher Grace) zu einem Prozess in New York begleitet, wo der gegen die Mafia aussagen soll. Während sie die Wildnis Alaskas überfliegen, wachsen jedoch die Spannungen zwischen den dreien und das gegenseitige Vertrauen wird auf eine harte Probe gestellt, da nicht jeder an Bord der ist, der er vorgibt zu sein. Denn der vermeintliche Pilot entpuppt sich schon bald psychopathischer Mafia-Killer, der die Agentin und den Zeugen zu ermorden versucht. Es ist der Beginn eines hitzigen Kampfes auf beengtem Raum in gefährlich luftiger Höhe...

"Flight Risk" ist ein mittelmäßiger Thriller von Mel Gibson, der trotz seines vielversprechenden Setups - ein Katz-und-Maus-Spiel über den Wolken mit Mark Wahlberg als zwielichtigem Piloten, Michelle Dockery als taffer Marshal und Topher Grace als nervösem Kronzeugen - nie sein volles Potential ausschöpft. Das Kammerspiel im engen Flugzeug schafft es zwar zeitweise, Spannung aus der Enge und Paranoia zu ziehen, doch die zahlreichen Twists bleiben vorhersehbar, die Charaktere wirken oft schablonenhaft, und die psychologische Dynamik kratzt nur an der Oberfläche. Visuell wird die atemberaubende alaskanische Kulisse zu wenig genutzt, der Fokus liegt stattdessen auf der klaustrophobischen Kabine, was auf Dauer eher repetitiv wirkt als nervenaufreibend. Mark Wahlberg liefert als Schurke solide ab, aber ansonsten bleiben die Figuren und Dialoge blass, und die Handlung verliert sich in platten Subplots. Flight Risk ist unterhaltsam genug für einen kurzweiligen Abend, bleibt aber ein konventioneller Genrebeitrag mit verschenkten Chancen und wenig Nachhall - ein Film, der weder wirklich begeistert noch enttäuscht, sondern irgendwo im luftleeren Raum zwischen Spannung und Mittelmaß schwebt.

5/10

Quellen:
InhaltsangabeFilmstarts
Poster/Artwork: Lionsgate/Media Capital Technologies/Hammerstone Studios