In den 1980er-Jahren ist die ummauerte Stadt Kowloon, eine gefährliche chinesische Enklave im kolonialen Hongkong und bezeichnend "City Of Darkness" genannt wird, ein Sammelbecken für zahlreiche zwielichtige Gestalten, für die es andernorts keinen Platz mehr gab. Hier herrschen längst nicht mehr Recht und Gesetz, sondern die Triaden, also die chinesische Mafia. Auch der junge Chan Lok-kwun (Raymond Lam) lebt mittlerweile hier. Während er versucht, seinen Kopf über Wasser zu halten, gerät er an andere Außenseiter, die zwischen all den verfeindeten Banden ihr ganz eigenes Spiel in Kowloon spielen...
Unter der Regie von Soi Cheang ist "City of Darkness" eine packende Hommage an das goldene Zeitalter des Hongkonger Actionkinos. Die Geschichte von Loyalität und Rache spielt in der berüchtigten Kowloon Walled City (daher auch der englische Zusatztitel "Walled In") der 1980er-Jahre. Raymond Lam verkörpert Chan Lok-kwan, einen Flüchtling, der in dieses labyrinthische Slum - eine gesetzlose Enklave des Chaos, bevölkert von Menschen, Müll und rivalisierenden Banden - gerät und bei dem geheimnisvollen Cyclone (Louis Koo) Zuflucht sucht. Was als intensive Erkundung dieses urbanen Labyrinths beginnt, entwickelt sich zu einem erbitterten Machtkampf, in dem Bedrohungen von Bossen wie Mr. Big und dem skrupellosen King (Philip Ng) die Bande der Brüderlichkeit inmitten der Übergabe Hongkongs an China auf die Probe stellen.
Cheang inszeniert dieses Kowloon meisterhaft als eigenständigen Charakter: ein dicht bebautes, intuitiv erkundbares Labyrinth, das durch seine detailreichen Ornamente lebendig wirkt und eher an Open-World-Videospiele als an konventionelle Spielfilme erinnert. Das Produktionsdesign maximiert diese "Wimmelbild"-Ästhetik - überfüllte Bilder voller Menschen, Trümmer und flackernder Neonlichter - und verwandelt die Stadt in Gefängnis und Zuflucht zugleich. Ihre Atmosphäre ist in jeder schattigen Gasse und auf jedem wackeligen Dach spürbar. Dies ist nicht bloß Kulisse; sie verstärkt den elegischen Ton des Films und fängt die Aura einer verschwindenden Welt am Rande des Abrisses ein. Die von Kenji Tanigaki choreografierten Kämpfe vereinen kreative Anarchie mit präziser Handwerkskunst. Körper werden durch Wände und über schwindelerregende Höhen geschleudert - Sequenzen, die den opernhaften Stil John Woos ehren, ohne in Raserei abzurutschen. Zu den Höhepunkten zählen brutale Triadenkämpfe mit Fäusten, Klingen und Eisenwaffen, in denen die Athletik trotz rasanter Schnitte glänzt. Einige spätere Auseinandersetzungen driften jedoch in übernatürliche Albernheit und übertriebene Unwirklichkeit ab. Stars wie Sammo Hung, Aaron Kwok und Richie Jen werten diese Actionsequenzen auf und spiegeln die Charakterentwicklung durch Körperlichkeit statt durch bloßes Spektakel wider. Lams Charakter Chan entwickelt sich vom Außenseiter zum Dreh- und Angelpunkt einer generationenübergreifenden Saga um Rache, Erbschaft und zerbrochene Freundschaften, obwohl die Handlung ihn gelegentlich in ein stereotypisches Gangsterdrama verfällt. Koos Cyclone blickt mit tragischer Voraussicht hinter seiner Sonnenbrille und bildet einen Kontrast zu Hungs prinzipientreuem Boss, während Ng Kings übertriebene Bedrohlichkeit genüsslich verkörpert. Mit 126 Minuten Laufzeit jongliert der Film mit zu vielen Figuren - manche Nebencharaktere stellen die Hauptdarsteller in den Schatten -, doch die Themen Ehre und Solidarität inmitten von Ausbeutung fügen sich zu einem ergreifenden Spiegelbild von Hongkongs turbulenter Ära zusammen. Der Film ist aber beileibe nicht fehlerfrei: Sentimentalität schimmert an manchen Stellen durch, und die Kohärenz des weitläufigen Flüchtlings-Triaden-Epos leidet. Doch als Comic-Maximalismus mit historischem Gewicht - witzig, wild und voller Nostalgie - zählt "City Of Darkness" zu den größten Martial-Arts-Erfolgen des Jahres 2024 und ist eine Liebeserklärung an die goldene Ära des Actionfilms.



Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen