Mittwoch, 5. Juni 2024

[KINO] Bad Boys: Ride Or Die (2024)

https://www.imdb.com/title/tt4919268/

Die Detectives Mike Lowrey (Will Smith) und Marcus Burnett (Martin Lawrence) sind wieder unterwegs. Das Duo kommt einem Korruptionsskandal auf die Spur, der sie geradewegs ins Herz der Polizei von Miami führt. Auf die Schliche kommen sie dem Ganzen durch ihren verstorbenen Captain Howard (Joe Pantoliano), der den beiden Cops posthum einen Hinweis hinterlässt. Doch schon bald werden sie durch eine Intrige zu Ausgestoßenen und befinden sich auf der Flucht. Um den Fall zu lösen, müssen sie außerhalb des Gesetzes nach eigenen Regeln arbeiten...

Fast 30 Jahre sind seit dem Originalfilm "Bad Boys" vergangen und die beiden Stars, Will Smith und Martin Lawrence, sind in Höchstform und immer noch weit davon entfernt, zu alt für diesen Scheiß zu sein. Kurzum: die beiden machen den vierten Eintrag im "Bad Boys"-Franchise besser und unterhaltsamer, als er sein dürfte und man erwartet hätte. "Bad Boys: Ride Or Die" bleibt vielleicht nichts anderes übrig, als die Trash-Nostalgie auf ein neues Niveau schamloser Übertreibung zu heben. Es ist eine unausweichliche Wahrheit, dass alle Blockbuster-Actionserien einmal zu Ende gehen müssen. Aber in "Bad Boys: Ride Or Die" schüren Will Smith und Martin Lawrence die Begeisterung für diese ballistische High-Concept-Tradition mit einem Midseason-Flair, das zwischen albern und fantastisch schwankt.

Außerdem hat das Timing etwas an sich - es ist reiner Zufall, aber so funktionieren Filme nun einmal -, das sich fast karmisch anfühlt. In diesem Sommer blickt Hollywood voller Sorge vor den doppelten  und vor allem völlig unerwarteten und unverständlichen Kinokassenenttäuschungen von "Fall Guy" und "Furiosa: A Mad Max-Saga". Es ist kaum verständlich, warum die Kinogänger ausbleiben, doch man liest ein Echo im Netz, welches von einer Lethargie getrieben wird und für sich proklamiert, die Filme "in Zeiten von großen TV-Geräten und Heimkinoanlagen ja sowieso irgendwann im Heimkino sehen zu können" Tja. Der Kinogänger ist faul geworden und mag sein Film-Junkfood aufgepeppt und vertraut. Was könnte in diesem Licht tröstlicher sein, als den beiden Stars von "Bad Boys: Ride Or Die" dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig mit der Art tiefgründiger, verärgerter Überzeugung beschimpfen, die man beinahe 30 Jahren aufgebaut hat? In diesem Film durchlaufen die beiden die altbekannten Schritte eines Verschwörungsthrillers, in dem es um korrupte Polizisten und Kartelle geht, der sich wie eine Übung in Ultragewalt anfühlt, die manchmal auf Videospielintensität hochgeschraubt ist. Aber das ist alles sehr normal.

Aber hier ist der Grund, warum der Film funktioniert: In der Eröffnungssequenz, die auf die Action-Fanfare des letzten Teils der Serie, "Bad Boys For Life", verweist, rasen die langjährigen Polizisten Mike Lowrey (Smith) und Marcus Burnett (Lawrence) in Lowreys Porsche durch Miami, mit Mike am Steuer und Marcus (natürlich) kurz vor dem Erbrechen. Marcus fleht seinen Partner an, für ein Ginger Ale anzuhalten, und sie tun es - obwohl Mike ihn anweist, nicht länger als 90 Sekunden zu brauchen. Marcus kann jedoch nicht anders. Er braucht diese Packung Skittles, diesen Hotdog aus dem Supermarkt, der dort wie eine Versuchung selbst steht. Die Art und Weise, wie Lawrence einem dieses Verlangen, diesen absolut infantilen Zwang, vermittelt, ist entscheidend: "Bad Boys: Ride Or Die" wird ein Film, in dem die beiden Stars nach Schema F spielen. Als Mike den Laden betritt, müssen sich die beiden mit einem tätowierten Hooligan herumschlagen, der den Laden mit einer Waffe überfällt, aber Smith verhält sich nie so, als wäre er eine Bedrohung - nur eine Belästigung.

Ein paar Szenen später, bei Mikes Hochzeit mit Christine (Melanie Liburd), hält Marcus eine angemessen peinliche Rede als Trauzeuge und erleidet dann auf der Tanzfläche einen Herzinfarkt. Es sieht so aus, als wäre er erledigt, was durch eine verrückte Szene verdeutlicht wird, in der er mit dem verstorbenen geliebten Chef der Partner, Captain Howard (Joe Pantoliano), an einem Strandabschnitt kommuniziert, der wie der Himmel aussieht. Aber Howard sagt: "Deine Zeit ist noch nicht gekommen." Marcus erholt sich und bekommt ein neues Leben, das ihm sagt, dass er seine schleichende Vorsicht hinter sich lassen soll. Er denkt jetzt, er sei unbesiegbar und dass es seine Aufgabe sei, die mystischen Qualen aller anderen zu heilen. Das klingt wie ein Klischee (und ist es auch), aber Lawrence verleiht Marcus' wiedergeborener Persönlichkeit eine verrückte Aufrichtigkeit, die sie dringlich und aufrüttelnd macht. Er ist der perfekte Gegenpart für Mike, den Smith mit einer zeitlosen stoischen Finesse verkörpert, einer hitzköpfigen Coolness, die so lässig ist, dass es fast unheimlich ist. Diese beiden Schauspieler, die nichts gemeinsam haben außer ihren Spitzbärten, haben eine stachelige bromantische Chemie. Sie feuern nicht nur ihre Texte ab - sie bringen sich gegenseitig auf neue Spitzen.

Natürlich schwingt über dem Film immer noch der Eklat bei der Oscar-Preisverleihung 2022 mit und man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wie die Ohrfeige Smiths Fähigkeit beeinträchtigen würde, sein spießiges und scherzhaftes Will-Smith-Ich zu sein, aber er spielt mit höchstem Selbstvertrauen und Timing. Und der Film geht seinem peinlichen Moment der Schande nicht aus dem Weg. Er nimmt direkt darauf Bezug. Im Höhepunkt wird Smith wiederholt von seinem Partner geohrfeigt, der ihn ständig "Bad Boy" nennt, und die Szene wirkt wie eine Art Pop-Exorzismus. Er "bestraft" Smith, macht sich grausam über sein Vergehen lustig und ermöglicht ihm vielleicht dabei, aus dem Image dieses Vergehens herauszukriechen. 

Die Handlung ist aber strikt Standard. Eine Pressekonferenz enthüllt, dass der verstorbene Captain Howard wegen Korruption angeklagt wird. Hatte er gemeinsame Sache mit den Kartellen? Der Zuschauer weiß, dass die Antwort "Nein" lauten muss. Aber jemand war da, und Mike und Marcus müssen herausfinden, wer es war, auch wenn es im Film kein Geheimnis bleibt. Mike und Marcus sind schließlich auf der Flucht, zusammen mit Armando (Jacob Scipio), dem ungelösten Fall aus der Unterwelt, der sich im vorherigen Film als Mikes Sohn herausgestellt hat. "Bad Boys: Ride Or Die" ist auf seine flapsige Art ein Film über "Familie", und das funktioniert, weil die Co-Regisseure des Films, Adil El Arbi und Bilall Fallah, Experten darin sind, brenzlige Situationen zu gestalten und umzusetzen, in denen es darauf ankommt, Loyalität in Taten umzusetzen. Es gibt eine hypnotische Schießerei an Bord eines Militärhubschraubers, eine publikumswirksame Begegnung in einem NRA-Lager, ein ausgelassenes Finale in einem Freizeitpark in Florida, der von allen außer seinen Krokodilen verlassen wurde, sowie stimmungsvolle Cameo-Auftritte von Khabane Lame, Tiffany Haddish, DJ Khaled und Michael Bay. Vor allem aber sind es Smith und Lawrence, die das eigentlich schlechte Straßen-Popcorn von gestern heute schmackhafter erscheinen lassen, als es sein dürfte.

6,5/10

Quellen
Inhaltsangabe: Sony Pictures
Poster/Artwork
Sony Pictures

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