Das junge Männer-Model Carl (Harris Dickinson) und die erfolgreiche Influencerin Yaya (Charlbi Dean Kriek), in deren Beziehung es ein wenig kriselt, sind es gewohnt, ihr Luxus-Leben auf Instagram zu vermarkten. Als sie auf eine Kreuzfahrt für Superreiche eingeladen werden, können sie Erholung und Arbeit perfekt miteinander verbinden – sich mit einem Champagner-Glas auf dem Sonnendeck zu räkeln, ist schließlich absolut social-media-tauglich. Hinter den Kulissen geht es jedoch weit weniger paradiesisch zu. Während sich der dauerbetrunkene, marxistische Kapitän (Woody Harrelson) in seiner Kabine einschließt, versucht die Crew unter Leitung ihrer perfektionistischen Chefin Paula (Vicki Berlin), den verwöhnten Gästen jeden noch so absurden Wunsch zu erfüllen. Als das obligatorische Kapitänsdinner, zu dem sich der Captain dann doch noch breitschlagen lässt, ausgerechnet während eines Sturms stattfindet, laufen die Dinge jedoch völlig aus dem Ruder.
Das "Triangle Of Sadness", die Sorgenfalte, wem das vielleicht nicht bewusst war, betitelt den neuesten Film des schwedischen Autors/Regisseurs Ruben Östlund. In solchen "eat the rich"-Komödien wie "Parasite", "Knives Out" und "Hustlers" steckt von Natur aus eine köstliche Schadenfreude. Diese Produktionen enthalten Elemente eines Krimidramas, aber ihre Geschichten werden mit einem süffisanten Lächeln erzählt, das die Frage aufwirft, wo Ihre Loyalität liegt. Fühlen Sie wirklich Mitleid mit den Wohlhabenden oder mit den Bösen und Reichen? Vielleicht empfindet der Zuschauer einen Anflug von Mitgefühl, aber im Großen und Ganzen sieht man sich ja diese Filme an, um zu sehen, wie reiche Leute für ihr Tun bezahlen und um über ihren Schmerz zu lachen. Mit dem unverschämten, rücksichtslosen und urkomischen "Triangle Of Sadness" wird diese Art von bissiger sozioökonomischer Satire nun vollends zum Ekel-Gag. Östlund entführt das Publikum an einen anderen Ort des Prestiges und der Privilegien: eine Luxusyacht, auf der sich die Reichen zum Sonnenbaden, Schlemmen und Suhlen versammeln.
An Bord dieses prächtigen Schiffes mischt sich Altes mit Neuem, soll heißen der britische Waffenhändler trifft auf ein Paar Models/Influencer, die zwar kein Geld haben, aber im Tausch gegen Social-Media-Posts die Annehmlichkeiten des gehobenen Lebens (wie eine Kreuzfahrt!) genießen. Unabhängig davon, welchen Platz sie in dieser hochmütigen Hierarchie einnehmen, bereiten sie dem Personal der Yacht gleichermaßen Kopfschmerzen. Ihre überspitzten Forderungen bringen das geübte Lächeln aller ins Wanken, und führen letztlich dazu, dass ein Besatzungsmitglied entlassen wird. Was darauf folgt ist ein Spaß, der alles andere als lustig aussieht. Östlund reicht es nicht aus, dass man die Gelassenheit dieser Arbeiter nur flüchtig zittern sieht. Er setzt den Zuschauer in die Reihen der Privilegierten und damit ihrem selbstgefälligen Geschwätz, ihren kleinlichen Beschwerden und ihrem ranzigen Exzess aus. Teilweise erinnert der Film auch an "The Menu" oder auch an "Der Gott des Gemetzels".
Östlund ist kein Unbekannter, wenn es darum geht, die Kleinlichkeit der Menschen in langen Sequenzen intensiver Beklemmung grinsend bloßzustellen. In "Triangle Of Sadness" ist jeder Akt ein neuer Schauplatz für Peinlichkeiten aus zweiter Hand, magenverletzender Comeuppance oder nervenzerfetzender Unsicherheit. Im ersten Akt folgt Östlund den bereits erwähnten Models Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean), die sich verbissen darüber streiten, wer von beiden eine saftige Restaurantrechnung bezahlen soll. Wo andere Regisseure eine besonders scharfe Bemerkung oder den Moment, in dem sich der toxisch maskuline Mann ausreichend lächerlich macht, weglassen würden, bleibt Östlund bei ihnen. Und das muss der Zuschauer auch, denn der ist stummer, unbehaglicher Zeuge, wenn die beiden ganz offen über heikle Themen wie Geld, Geschlecht und den Handel mit der Liebe sprechen. Im zweiten Akt verschlägt es die beiden auf eine Yacht, wo Östlund einen Hindernisparcours des Unbehagens von einem Versatzstück zum nächsten aufbaut. Der wildeste Teil ist jedoch das dekadente Kapitänsdinner, bei dem die Crème de la Crème zusammenkommt, um eine Reihe von Köstlichkeiten und so viel Champagner wie möglich zu sich zu nehmen. Ein sich zusammenbrauender Sturm löst jedoch die Seekrankheit aus und verwandelt das schicke Festmahl in ein unbarmherziges, ekelerregendes Kotzspektakel.
Einmal mehr ist Östlund fest entschlossen, keinen leichten Ausweg zu bieten. Food-Porn-Großaufnahmen von delikaten Meeresfrüchten kollidieren mit den gut gekleideten Gästen, die Galle ausspucken, die durch zu viel Kaviar gold-leuchtend gefärbt ist. Es ist wie die anspruchsvolle Version eines anspruchslosen Gags, aber er lässt nie nach. Am Anfang ist es also lustig. Dann wird es abstoßend. Und jedes Mal, wenn man denkt: "Na ja, jetzt machen wir weiter", liegt man falsch.
"Triangle Of Sadness" wälzt sich in dieser Ödnis der Wohlhabenden und bedeckt sie mit Kotze, Pisse und Scheiße. Zwischen den sehr realistischen menschlichen Ausscheidungen, dem Schaukeln der Yacht und der schieren Dauer dieser höllischen Nacht auf See kann man sich durchaus selbst krank fühlen. Aber irgendwie kehrt das Ekelhafte immer wieder zurück, um frisch - nun ja, vielleicht übel - lustig zu sein. Und doch ist Östlund noch nicht fertig mit seinen seekranken Mitmenschen und den Gelegenheiten für den Zuschauer, in ihrem Unglück zu schwelgen. In seinem letzten Akt treibt er sein zuvor erwähntes "eat the rich"-Konzept auf neues Terrain. Inmitten eines erschreckenden Szenarios, das selbstsicher und beunruhigend auf einen Höhepunkt zusteuert, der einen nicht mehr loslässt, gibt es jede Menge schwarzen Humor. So abscheulich viele der Charaktere auf dieser Kreuzfahrt auch sind, Östlunds clevere Besetzung sorgt dafür, dass man von jedem einzelnen Mitglied seines unglaublichen Ensembles nicht genug bekommen kann. Harris Dickinson ist ein temperamentvoller Kerl, der abwechselnd den Narren spielt und mit jedem Ausdruck des Schocks einen Stich in den Humor setzt. Charlbi Dean ist sensationell als der ansässige Influencer, der die verborgenen Tiefen hinter dem Instagram-Gehabe aufspürt. Zlatko Buriić ist chaotisch aufregend als arroganter Industrieller, während Sunnyi Melles als absoluter Albtraum einer reichen Schlampe mit null Selbstbewusstsein und einer unbegrenzten Kapazität für das Elend anderer unheimlich perfekt ist.Doch letztlich weiß man die Darsteller der Crew besonders zu schätzen, vom sexy Deckhelfer (Timoleon Gketsos) über die mürrische Managerin (Vicki Berlin), die den betrunkenen, schwatzhaften amerikanischen Kapitän, der von einem schief grinsenden Woody Harrelson zum Leben erweckt wird, scharfsinnig abstellt. Letztendlich liegt der Erfolg oder Misserfolg von "Triangle Of Sadness" auf den Schultern von Dolly De Leon, deren Rolle durch ihre Überraschung und nuancierte Elektrizität begeistert. Vollgepackt mit Darbietungen, die einen erschaudern lassen, ekligen Gags, die zum Lachen anregen, und einer unbeirrbaren Umarmung sozialer Unbeholfenheit, die einen so sehr erschaudern lässt, dass man sich verkrampfen könnte, ist "Triangle Of Sadness" nicht nur ein Seherlebnis, sondern auch ein körperliches. Nach der letzten Einstellung wird man zwar vielleicht nicht kichernd dasitzen, sondern mit Ihrem eigenen "Triangle Of Sadness" in der Hand, mit gerunzelter Stirn, offenem Mund und wirbelnden Gedanken. Aber diese Art von Rausch ist das Erlebnis dieses kruden Filmes durchaus wert.
8/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Alamonde Film
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