Dienstag, 30. Mai 2023

Air - Air: Der große Wurf (2023)

https://www.imdb.com/title/tt16419074/

Anfang der 1980er-Jahre ist Nike-Mitarbeiter Sonny Vaccaro (Matt Damon) davon überzeugt, dass seine Firma das aufstrebende Basketball-Talent Michael Jordan unter Vertrag nehmen sollte. Doch sein Boss, Nike-Gründer Phil Knight (Ben Affleck), ist skeptisch. Eine derartige Rekordsumme für einen jungen Spieler auf den Tisch legen, der noch keine einzige Minute in der Spitzenliga NBA gespielt hat? Doch Vaccaro hat große Pläne, will sogar einen eigenen Schuh für den Jungstar konzipieren. Und die Zeit drängt, baggert doch auch die deutsche Konkurrenz von Adidas an Jordan. Der ist sich noch nicht sicher, wo und ob er unterschreiben soll. Doch Vaccaro hat ein Ass im Ärmel: Er hat erkannt, dass Jordans Mutter Deloris (Viola Davis) der Schlüssel zu seinem Erfolg ist. Für welches Unternehmen das Basketball-Wunderkind künftig auflaufen wird, hängt auch von ihrer Meinung und ihrem Rat an ihren Sohn ab. 

Nach sechs Jahren kehrt Ben Affleck auf den Regiestuhl zurück, um das, was ein trockenes Vorstandsdrama hätte sein können, in ein interessantes, spannendes, wohltuendes Stück über die Entstehung der Marke Air Jordan bei Nike zu verwandeln. Der Film, der von Debüt-Drehbuchautor Alex Convery geschrieben wurde, dreht sich um die angeschlagene Nike-Basketballabteilung im Jahr 1984 und konzentriert sich auf die Bemühungen des Talentscouts Sonny Vaccaro (Matt Damon), der einen mutigen Plan ausheckt, um den aufstrebenden Starspieler Michael Jordan (Damian Delano Young) anzuwerben.

"Air" lässt den Zuschauer in das Jahr 1984 eintauchen: eine Montage von Archivmaterial aus diesem Jahr, untermalt mit einer Soundbrücke von Dire Straits' elektrisierendem "Money For Nothing", mehrere Zwischensequenzen zu verschiedenen Erinnerungsstücken an das Jahrzehnt wie Retro-Müsli und Faxgeräte, ein nostalgischer Soundtrack zum Mitwippen, der das Erlebnis untermalt. Einiges davon funktioniert wirklich gut, wie z. B. der euphorische Einsatz von Cyndi Laupers "Time After Time" und der emotionale Höhepunkt, der in Form von Bruce Springsteens "Born In The USA" kommt. Aber manches ist unbeholfen und klanglich schrill. Manchmal hat man das Gefühl, dass der Nostalgiefaktor erzwungen wird, um den Wohlfühlton des Films aufrechtzuerhalten, damit man während der dialoglastigen Geschäftsbesprechungen unterhalten wird. Dies spiegelt den aktuellen Trend der 80er-Jahre-Nostalgie in Film und Fernsehen wider, wobei "Stranger Things" im Jahr 2016 der Auslöser war. Es handelt sich um eine Formel, die inzwischen ziemlich abgestanden ist.

Oberflächlich betrachtet mag ein Film über die Führungskräfte einer Sportbekleidungsmarke im Wesentlichen ein zweistündiges Geschäftsmeeting sein, aber "Air" bedient sich all der aufregenderen Konventionen des typischen Sportfilms. Im Kern geht es um eine Underdog-Geschichte, in der "Nike Basketball" die Underdogs der Sportartikelbranche sind. Sie sind unterfinanziert (in einem Unternehmen, das über eine Milliarde Dollar wert ist) und eine Lachnummer im Vergleich zu den erfolgreicheren Abteilungen der konkurrierenden Marken Adidas und Converse. Ihr "Team" besteht aus dem mutigen Vaccaro, dem sensiblen Rob Strasser (Jason Bateman), dem exzentrischen Pete Moore (Matthew Maher) und dem komödiantischen Howard White (Chris Tucker). Sie werden von dem spirituellen Nike-CEO Philip Knight "gemanagt", der von Ben Affleck selbst gespielt wird. Diese Mischung aus Persönlichkeiten, die durch das dynamische Drehbuch von Alex Convery und ein hervorragendes Ensemble von Nebendarstellern noch verstärkt wird, schafft ein Team, mit dem man mitfiebern kann, auch wenn sie das rücksichtslose Spiel des großen Geschäfts spielen.

Der Fokus auf die geschäftliche Seite des Sports zieht Vergleiche zu anderen Publikumslieblingen wie "Jerry Maguire". In beiden Filmen geht es um eine Sportperson in einer Führungsposition - Trainer bzw. Agent - und ihre Beziehungen zu den Sportlern, mit denen sie zu tun haben. Obwohl die gleiche Prämisse auf Air angewendet werden kann, verfolgt Afflecks Regie einen anderen, eher polarisierenden Ansatz. Auch in "Jerry Maguire" sind die Sportler Figuren mit eigener Handlungsmacht innerhalb der Erzählung. In "Air" wird uns das Gesicht des fiktiven Michael Jordan nie gezeigt, stattdessen verwendet Affleck Archivmaterial des echten Jordan und seiner Leistungen, um diese verehrte Figur im Film zu erschaffen.

"Air" ist kein Biopic über Michael Jordan, es ist ein Biopic über die Jumpman-Silhouette, die in jedes einzelne Paar Air Jordan-Schuhe eingenäht ist, die Jordan und Nike berühmt gemacht haben. Es ist eine Geschichte darüber, wie Design, Marketing und Geschäft Hand in Hand gehen, um einen relativ unbekannten Basketballspieler in eine amerikanische Ikone zu verwandeln.

Das Herzstück von "Air" ist das Drehbuch, denn Converys Arbeit ist temporeich und straff und lässt den Film wie ein Kapitel einer Miniserie über Jordans Karriere und sein Vermächtnis wirken. Trotz der vielen Fachausdrücke aus Wirtschaft und Sport ist die Handlung einfach genug, um von einem breiten Publikum verstanden zu werden. Die größte Stärke des Drehbuchs ist die Darstellung der Beziehungen zwischen Vaccaro, Jordans Agent David Falk (Chris Messina) und Jordans Mutter Deloris (Viola Davis). Falk stellt ein Hindernis für Vaccaro dar und gibt den ersten Einblick in Jordans negative Gefühle gegenüber Nike. Von da an kontrastiert Damons Jedermann-Darstellung von Vaccaro brillant mit Messinas knallhartem, schlecht gelauntem Sportagenten und verwandelt Falk von einem bloßen Hindernis in der Geschichte in eine denkwürdige Figur, die man gleichzeit liebt und hasst.

Einer der denkwürdigsten Momente von "Air" ist der leidenschaftliche Monolog von Damon als Vaccaro. Er erzählt Jordan, wie der Schuh es Menschen auf der ganzen Welt ermöglichen wird, ihr eigenes Stück von Jordans Größe zu besitzen und ihrem Leben einen Sinn zu geben. In dem Film geht es nicht um den Menschen Michael Jordan, sondern um den Mythos und die Legende von Air Jordan. "Air" ist genau wie die Schuhe eine weitere Möglichkeit für den interessierten Zuschauer, einen Blick auf Jordans transzendente Magie zu erhaschen.Und dann ist da noch Deloris Jordan, die das Herz des Films inmitten all der schnelllebigen und knallharten Aspekte der Geschäftswelt darstellt. Während Falk die Interessen Jordans im Auge hat, ist Deloris die einzige Figur, deren oberste Priorität das Glück und die Stabilität ihres Sohnes ist. Davis, der von Michael Jordan persönlich ausgewählt wurde, liefert eine hervorragende Leistung ab, indem er jeden von uns und Vaccaro auf den Boden der Tatsachen zurückholt, um uns daran zu erinnern, dass kein Geld und keine Schmeichelei die Grundprinzipien von Respekt und Höflichkeit außer Kraft setzen können. In der ersten Szene, in der man Deloris kennen lernen, zeigt sie Vaccaro einen Baum, der schon seit Hunderten von Jahren im Haushalt der Jordans steht, was in scharfem Kontrast zur kalten, unternehmerischen Umgebung der Nike-Büros steht. Deloris erinnert einen  daran, dass dies keine einfache Geschichte über einen Außenseiter ist, sondern eine Geschichte über den Schutz der Interessen derjenigen, die man liebt, damit sie wachsen und über unsere Lebenszeit hinaus weiterleben können, so wie es der Baum tun wird.

"Air" ist ein leichter, temporeicher Film, der zwei Stunden wie im Flug vergehen lässt. Er lässt einen mit dem Gedanken zurück: "Wow, ich kann nicht glauben, dass ich so viel in ein Paar Schuhe investiert habe!". Er unterläuft das traditionelle Vorstandsdrama und unterhält den Zuschauer mit einer Mischung aus komödiantischen Einzeilern und herzlichen Monologen, die alle mit vertrauter 80er-Nostalgie durchsetzt sind. Um es mit Vaccaros Worten zu sagen: "Air Jordan... das ist verdammt fantastisch."

8/10

Quellen:
Inhaltsangabe
: amazon Video

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