Der Teenager Paul Bäumer (Felix Kammerer) und seine Freunde Albert (Aaron Hilmer) und Müller (Moritz Klaus) schreiben sich während des Ersten Weltkrieges freiwillig in die deutsche Armee ein und reiten auf einer Welle patriotischen Eifers, die sich schnell in Wohlgefallen auflöst. Ernüchtert und schockiert müssen sie feststellen, dass der Kampf um Deutschland keineswegs eine rein ehrenhafte Sache ist, sondern ein tödliches Gemetzel. Sobald sich die jungen Soldaten den brutalen Realitäten des Lebens an der Front stellen, gehören Tod und Verlust zu den täglichen Schreckensszenarien. Pauls Vorurteile über den Feind, über Recht und das Unrecht des Konflikts fallen bald wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Bis zum Waffenstillstand muss Paul jedoch weiter kämpfen, ohne den Wunsch der führenden Militärs zu erfüllen, den Krieg mit einer deutschen Offensive zu beenden. Und gerade als es so scheint, als hätte das Grauen und die Torturen ein Ende und die Männer könnten nach Hause fahren, trifft General Friedrichs (Devid Striesow) eine folgenschwere Entscheidung. Denn eine Niederlage für Deutschland kann er nicht einfach hinnehmen.
Edward Bergers Neuinterpretation von Erich Maria Remarques Antikriegsroman ist eine grausige Symphonie aus Schlamm und Blut, wo jugendliche Angst auf schreckliche Schönheit trifft. In der Verfilmung des Streamingdienstanbieters Netflix sind es die aktuellen Technik und die wesentlich weiter entwickelte Kameraführung, die den Zuschauer mit in das Getümmel der Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges nimmt. Soweit kann man diesem Film tatsächlich einiges abgewinnen. Jedoch hat man sich hier wiederum derartige Freiheiten in der Romaninterpretation genommen, dass ich den Roman von Erich Maria Remarque nur noch stellenweise widererkennen mag. Den Kasernendrill mit "Himmelstoß" hat man gleich ganz weggelassen. Die Freunde von Paul Bäumer sind weniger zahlreich bzw. weniger präsent, als im Roman und die ganze Diplomatie findet gar keine Erwähnung im Roman. Zu guter Letzt ist auch das Ende wesentlich dramatischer als im Roman. Gerade aber das Ende des Romans ist für die Wirkung des Buches von wesentlicher Bedeutung. Es ist der Perspektivenwechsel im letzten Absatz des letzten Kapitels, in dem geschildert wird, dass Paul Bäumer gefallen ist. Ganz beiläufig, als einer der namenlosen vielen. Dabei ist das schockierende, dass Paul Bäumer eben nicht einer von vielen war, sondern die Person, die uns durch die gesamten Schrecken des Buches begleitet hat.
Eben solch ein Abschluss hätte dem Film auch gutgetan. Der dramatische Todeskampf von Paul Bäumer in dem Film verfehlt sein Ziel. Er zeigt dem Zuschauer, wie er verwundet wird und sich an den Ort begibt, an dem er gefallen gefunden wird. Der Zuschauer wird hier in den Todeskampf mitgenommen. Dadurch verliert der Tod von Paul Bäumer allerdings seine Beiläufigkeit als einer von vielen, die in den Heeresberichten nicht genannt werden, so wie auch Paul Bäumer im Roman an einem gewöhnlichen Tag an der Westfront nicht genannt wurde. Im Film ist zudem zu beobachten, dass die Charaktere bis zuletzt oberflächlich bleiben. Der Eindruck, an dem Geschehen hinter der Front in der Form teilzuhaben, dass man bei den Empfindungen der Personen mitgenommen wird, bleibt somit aus. Darunter leiden auch die Empathie und die Identifikation mit der Hauptfigur. Auch dies ist ein Umstand, der das Ende im Film in seiner Wirkung auf den Zuschauer weiter abschwächt und letztlich generiert der Film nur Betroffenheit durch die Darstellung von brachialer Gewalt. Das macht er durchaus intensiv. Die Demaskierung des Krieges durch den emotionaler Bezug zu den Figuren, wie sie im Roman und in der ersten Verfilmung erschaffen wird, schafft er nicht, dafür ist er von seinen Blut und Matsch-Ekel-Sckocks zu sehr fasziniert. Trotzdem ist "Im Westen nichts Neues" irgendwo faszinierend und rein filmtechnisch auf einer Stufe mit dem grandiosen "1917" und mit seinen zweineinhalb Stunden auch durchweg unterhaltsam und gleichwohl erschütternd.7,5/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Netflix
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