Ein Jahr nach dem rätselhaften Verschwinden von Melanie (Maia Mitchell) kehren ihre Schwester Clover (Ella Rubin) und eine Gruppe von Freunden in das abgelegene Tal zurück, in dem Melanie zuletzt gesehen wurde. Die Suche nach Antworten führt sie zu einem verlassenen Besucherzentrum, doch ihre Erkundung wird bald zum Albtraum: Ein maskierter Killer taucht auf und beginnt, sie auf grausame Weise zu jagen und zu töten. Doch anstatt zu sterben, erwachen Clover und ihre Freunde immer wieder am selben Abend, gefangen in einer endlosen Zeitschleife. Jeder Neustart bringt neue Schrecken, denn der Killer wird mit jedem Durchlauf unberechenbarer und brutaler. Während die Gruppe verzweifelt versucht, einen Weg aus dem Tal zu finden, erkennen sie, dass ihre Wiederauferstehungen begrenzt sind – jeder Tod bringt sie dem endgültigen Ende näher. Ihre einzige Chance auf Überleben: den Mörder bis zum Morgengrauen zu überlisten und den Albtraum zu durchbrechen. Doch mit jeder Runde wird der Kampf um ihr Leben immer hoffnungsloser.
"Until Dawn" ist ein Horrorfilm, der wie ein Dialog zwischen Genretradition und psychologischem Kammerspiel funktioniert: Er beginnt als scheinbar konventioneller Teenie-Slasher und verwandelt sich Schritt für Schritt in eine Reflexion über Trauma, Schuld und die Frage, ob man seinen eigenen inneren Dämonen jemals entkommen kann. Was auf dem Papier wie eine riskante Mischung aus Zeitschleife, Wendigos und Mystery-Mythologie klingt, erweist sich im Film als erstaunlich stringente Konstruktion, die ihre Regeln ernst nimmt und das Publikum nicht mit bloßen Schockeffekten abspeisen will. Im Zentrum steht Clover, eine junge Frau, die nicht nur nach ihrer vermissten Schwester sucht, sondern nach einem Halt im eigenen, von Depressionen und Selbstzerstörung gezeichneten Leben. Dass sie und ihre Freunde in Glore Valley in einer Art "Albtraum-Experiment" landen _ gefangen in maximal dreizehn Nächten, in denen jeder Tod Spuren an Körper und Seele hinterlässt -, macht den Film weniger zu einer Geisterbahnfahrt als zu einer Spirale aus wiederholter Konfrontation mit dem, was die Figuren am meisten fürchten. Jede Wiederholung der Nacht ist weniger ein Neustart als ein weiteres Kapitel im Protokoll eines psychischen Zusammenbruchs.
Die Zeitschleifen-Struktur ist das ehrgeizigste Element von "Until Dawn", und sie ist zugleich das, was den Film über die üblichen Spieleverfilmungs-Reflexe hinaushebt. Anders als das Spiel, das seine Entscheidungen in klaren, verzweigten Pfaden organisiert, lässt der Film die Wege der Figuren bewusst ineinanderlaufen: Die Nacht wiederholt sich, aber nie exakt gleich, und so entsteht ein ständiger Wettlauf zwischen dem Lernprozess der Figuren und der Eskalation der Bedrohung. Die Begrenzung auf dreizehn Leben - eine Art morbides Kontingent - fungiert dabei wie eine sichtbare Uhr im Hintergrund, weniger Gimmick als moralischer Druck: Jeder Fehler wiegt schwerer, jede impulsive Entscheidung wird nicht nur mit Blut, sondern mit verringertem Handlungsspielraum bezahlt. Die Stärke des Films liegt darin, diese Mechanik nicht wie ein bloßes Videospielsystem zu bespielen, sondern sie als Metapher zu lesen: Wie oft kann man dieselben destruktiven Muster wiederholen, bevor man an ihnen zerbricht. Wenn die Gruppe irgendwann versucht, sich im Badezimmer zu verbarrikadieren und dann - ironisch und grausam - am vergifteten Wasser explodiert, wirkt das wie eine bittere Pointe auf den Wunsch nach Kontrolle in einer Welt, die sich permanent der Kontrolle entzieht.
Auf der rein erzählerischen Ebene arbeitet "Until Dawn" wie ein Mosaik aus klassischen Horrortropen: maskierter Killer, verlassene Besucherzentrale, sturmumtoste Nacht, unterirdische Tunnel, ein Sanatorium voller Geheimnisse. Doch der Film arrangiert diese Versatzstücke mit einer fast verspielten Konsequenz, bei der jeder Schauplatz eine andere Facette der Geschichte und der inneren Zustände der Figuren spiegelt. Die Wendigos, der Pickaxe-Mörder, die besessene alte Frau - sie sind weniger "Monstergalerie" als Manifestationen von Clovers Ängsten, wie der Film in der Konfrontation mit Dr. Hill explizit macht. In diesen Momenten erinnert "Until Dawn" eher an eine Horrorversion von Therapie: Hill, der Psychiater, der zum sadistischen Spielleiter geworden ist, seziert seine Versuchspersonen, bis sie nicht mehr wissen, ob sie gegen äußere Kreaturen kämpfen oder gegen das, was längst in ihnen lebt. Wenn Clover erkennt, dass die Monster nicht zufällig, sondern gezielt aus ihrem Innenleben gespeist werden, kippt der Film endgültig von der Monsterjagd in ein Duell zwischen Patientin und Therapeut - oder, genauer: zwischen einer Frau, die endlich Verantwortung für ihr Leben übernehmen muss, und einem Mann, der diese Verantwortung pervertiert hat.
Interessant ist, wie nüchtern "Until Dawn" das Motiv der mentalen Gesundheit in seinen Plot integriert. Clover hat eine Vorgeschichte von Depressionen und Suizidversuchen; ihre Reise nach Glore Valley ist offiziell eine Spurensuche, aber unterschwellig auch ein Test, ob sie überhaupt noch an einen Neuanfang glaubt. Die Zeitschleife wird dadurch lesbar als Wiederholungsschleife von Selbstsabotage und Schuldgefühlen - jede Nacht endet im Tod, jeder neue Abend beginnt mit der Frage: "Was habe ich diesmal falsch gemacht?". Dass Hill ehemalige Katastrophenopfer in Monster verwandelt und die Einwohner der Stadt zu Wendigos werden, übersetzt das Thema Trauma in Körperlichkeit: Wer lange genug unter unaufgearbeiteter Angst lebt, wird selbst zum Teil eines Systems der Gewalt. Der Film übertreibt diese Metapher, aber er nimmt sie ernst; gerade in den ruhigeren Szenen, wenn Clover vor Entscheidungen steht, ob sie jemandem vertraut oder jemanden opfert, bekommt man ein Gefühl für das emotionale Gewicht hinter all der Genre-Mechanik.
Formell arbeitet "Until Dawn" mit einer Mischung aus klassischer Suspense und fast schon makabrem Timing: Viele Tode sind einstudiert wie Punchlines, jede Wiederholung der Nacht verschiebt den Rhythmus ein wenig. Der Regie gelingt es, die Wiederkehr der gleichen Orte – das Besucherzentrum, die Hütte, das Sanatorium - visuell zu variieren, sodass der Film selten wirklich monoton wirkt, obwohl er seine eigene Geschichte immer wieder erzählt. Kameraführung und Schnitt betonen die räumliche Orientierung, was bei einer Handlung, die bewusst auf Wiederholung setzt, entscheidend ist: Die Zuschauer sollen sich auskennen, damit sie merken, wann sich etwas verschiebt. Der Score unterstreicht eher die melancholische Grundstimmung als den reinen Schock; das passt zu einem Film, in dem es zwar reichlich brutale Tode, aber fast noch mehr Momente der Resignation gibt. Wenn schließlich Tageslicht in die Tunnel und über Glore Valley bricht, wirkt das Ende weniger wie ein triumphaler Sieg als wie ein mühsam erkauftes Aufwachen - mit dem bitteren Nachgeschmack, dass Hills Plan vielleicht noch nicht wirklich vorbei ist.
Die Schwächen des Films liegen in einem Mittelteil, der sich manchmal in seinen eigenen Regeln verheddert und Figurenentscheidungen erzwingt, weil die Dramaturgie noch eine weitere Variante der Nacht abspielen möchte. Manche Nebenfiguren bleiben eher Funktionsträger im System als vollwertige Charaktere, was in einem Ensemble, das so stark auf Gruppendynamik setzt, gelegentlich auffällt. Doch "Until Dawn" gelingt etwas, das vielen Spieleverfilmungen und vielen Horrorfilmen verwehrt bleibt: Er hat eine Idee, die über das nächste Blutbad hinausreicht, und er verfolgt sie konsequent. Im Kern ist es die Geschichte einer jungen Frau, die gezwungen wird, ihre Ängste so oft anzusehen, bis sie beschließt, die Regeln des Spiels zu brechen. Dass der Film dafür Wendigos, Zeitschleifen und einen wahnsinnigen Psychiater braucht, ist nicht sein Problem, sondern seine Besonderheit.
7/10
Quellen:
Inhaltsangabe: Filmstarts/Sony
Poster/Artwork: Screen Gems/PlayStation Productions/Mångata Production






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